Wikimedia Commons
geboren am 1. Februar 1922 in Pesaro
gestorben am 19. Dezember 2004 in San Marino
italienische Sängerin
20. Todestag am 19. Dezember 2024
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
“La mia vita è stata tutta per la mia voce”, sagte Renata Tebaldi gleich zu Beginn eines Fernsehinterviews, das zu ihrem 80. Geburtstag gesendet wurde. Ein ganzes Leben für die Stimme! Ein kleines Wunder, wie anziehend sie noch im hohen Alter war, mit ihrem schönen klaren Gesicht, der Eleganz ihrer Kleidung und der Lebhaftigkeit beim Erzählen. Vor mehr als 25 Jahren hatte sie ihre Karriere beendet; sie wollte in guter Erinnerung bleiben, aufhören, bevor die Stimme nachließ und das Publikum enttäuschte.
Ihr Leben: Eine Aschenputtelgeschichte ohne Prinz? Sie wurde in Pesaro geboren, einer kleinen Stadt an der Adria. Der Vater setzte sich früh ab, und Mutter und Tochter kamen bei Verwandten unter, in Langhirano, in der Nähe von Parma. Noch als Kleinkind erkrankte Renata schwer an Kinderlähmung; fünf Jahre dauerten die Lähmungen und die schmerzhaften Therapien. Dank der Pflege ihrer Mutter wurde sie wieder gesund. Mit 13 Jahren bekam sie Klavierunterricht; sie sollte Konzertpianistin werden. Doch daraus wurde nichts, denn ihre Lehrerin entdeckte das Potential ihrer außergewöhnlichen Sopranstimme, und Renata sattelte um: Sie nahm Unterricht bei einer ehemaligen Opernsängerin, Carmen Melis, sowie am Konservatorium von Pesaro. Schon 1944, mitten im Zweiten Weltkrieg, debütierte sie in Rovigo, in Arrigo Boitos Oper Mefistofele.
Der Durchbruch kam 1946, als Arturo Toscanini sie für das Wiedereröffnungskonzert an der Mailänder Scala auswählte. Von da an ging es steil bergauf. Sie sang zunächst auf den Bühnen Italiens, bald jedoch in allen großen Opernhäusern der Welt. Sie wurde, neben Maria Callas, zu der wohl berühmtesten Sängerin der Nachkriegszeit. Ihr Wanderleben dauerte 32 Jahre. Ständige Begleiterin und Lebenshilfe in allen Belangen war ihre Mutter. Nach deren frühem Tod trat eine junge Frau aus Modena an ihre Stelle, Ernestina Viganò. Sie hatte sich in Tebaldis Stimme verliebt und wollte nur eins, ihrem Idol nahe sein, was ihr für immer gelang. Die von Tebaldis Seite aus leidenschaftliche Beziehung zu Arturo Basile, einem sizilianischen Dirigenten, scheiterte an seiner Untreue.
Schon zu ihren Lebzeiten war sie eine Legende. Innerhalb weniger Jahre wurde sie zur “Regina della Scala”. Dann kam Maria Callas. Man gab der neuen Diva Rollen, in denen Tebaldi brillierte, und die sie deshalb für sich beanspruchte. Es entstand eine Rivalität, angeheizt durch die Presse und durch die gehässige Parteinahme der jeweiligen Fans. Tebaldi
räumte das Feld: Mitte der 50er Jahre ging sie nach New York und wurde an der Metropolitan Opera zur unbestrittenen Nummer Eins. Es erfolgten ungezählte Ehrungen weltweit, auch nach dem Karriereende. In New York nannte man einen Platz nach ihr, und anlässlich ihrer Rückkehr dorthin im Dezember 1995 erklärte Rudolph Giuliani, der damalige Bürgermeister der Stadt, den 11. Dezember zum Tebaldi-Tag. Nach ihrem Tod richtete man in Busseto, der Heimatstadt Verdis, ein Museum für sie ein.
Tebaldi besaß eine Stimme, deren intensive Strahlkraft selbst die letzten Ränge der Opernhäuser erreichte, auch im Pianissimo. Die Technik: perfekt; es gab keine Registerbrüche. Toscanini prägte das Etikett “Voce d'Angelo”, das ihr ihr ein Leben lang anhaftete. Unklar blieb, ob die Stimme selbst gemeint war oder nur die erhöhte Position der Sängerin während eines Konzerts, aufgrund deren sie - engelsgleich! - von oben erklang. Plattenaufnahmen offenbaren lyrische Passagen von fast überirdischer Schönheit, voller Zartheit und Harmonie. Besonders hervorzuheben: das Ave Maria der Desdemona in Verdis Otello, besonders der letzte hohe Ton, der sehr lange gehalten wird. Doch Tebaldi konnte ebenso - scheinbar! - mühelos ein großes Orchester übertönen, ihr Stimmvolumen war enorm.
Die höchsten Töne, wie sie bei den berühmten Belcanto-Komponisten Rossini, Bellini und Donizetti vorkommen, erreichte sie nicht, auch der Ziergesang mit seinen halsbrecherischen Koloraturen blieb anderen vorbehalten, insbesondere Maria Callas und Joan Sutherland, die noch die technisch schwierigsten Passagen mit tiefem Ausdruck erfüllten (wie heute Anna Netrebko). Tebaldi konzentrierte sich auf das veristische Repertoire, auf den späten Verdi und auf Puccini, ihren Lieblingskomponisten. Die Rolle der Tosca sang sie Hunderte von Malen, daneben immer wieder in sehr bekannten Opern wie La Traviata, Otello, La Bohème, Madama Butterfly. Ihre Partner waren die großen Tenöre der Zeit, Beniamino Gigli, Mario del Monaco, Giuseppe die Stefano und Franco Corelli. Sie bevorzugte die italienische Sprache, aus Furcht, das Deutsche zum Beispiel mit seinen gutturalen Lauten könnte der Stimme schaden.
Wie die Stimme, so die Persönlichkeit? Die Hingabe, mit der Tebaldi sang, kennzeichnete auch ihr privates Leben: die Liebe zur Mutter, ihre tiefe Religiosität, die Treue zu den Fans, die sie bis ins hohe Alter zum Geburtstag anrufen durften. Übrigens wurde sie nach dem Abschluß der Karriere zu so etwas wie ihrem eigenen Fan, wenn sie ihre Platten hörte. Besonders bei der Oper Madama Butterfly konnte sie die Tränen nicht zurückhalten: Rührte das Schicksal der Cio Cio San, die von ihrem Ehemann verraten und verlassen wurde, an das eigene? Die letzten Jahre verbrachte sie zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Ernestina in San Marino, nahe der von ihr so geliebten Adria. Sie starb in Frieden und - davon ist auszugehen - in dem Bewusstsein, dass sie dort oben als Chorsängerin den einen oder anderen Engel übertönen würde ...
Verfasserin: Ilse Hossius
Links
http://www.renata-tebaldi.com/interview.htm On her 80th birthday. Abruf 1. 11. 2020.
http://www.youtube.com/watch?v=SViMr7mjWRU Paolo Limiti, intervista a Renata Tebaldi. Abruf 1. 11. 2020.
https://oe1.orf.at/artikel/207841/Engelsstimme-und-Callas-Rivalin. Abruf 5. 11. 2020
Literatur & Quellen
Casanova, Carlamaria. 1995. Tebaldi: The Voice of an Angel. Halloran, Fort Worth, Texas. Baskerville.
Kesting, Jürgen. 2015. Maria Callas. Berlin. List.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.