Biographien Phyllis Dorothy (P.D.) James
geboren am 3. August 1920 in Oxford
gestorben am 27. November 2014 in Oxford
britische Kriminalschriftstellerin
10. Todestag am 27. November 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Phyllis Dorothy James war eine der einflussreichsten britischen Kriminalschriftstellerin der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie wurde am 3. August 1920 in Oxford geboren. Der strenge Vater arbeitete als Angestellter bei der britischen Finanzbehörde. Als die kleine Phyllis vier oder fünf Jahre alt war, zog die Familie nach Ludlow in der Grafschaft Shropshire, die durch ihre Erzvorkommen zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur Wiege der industriellen Revolution in England wurde. 1931 siedelte die Familie schließlich nach Cambridge über, wo Phyllis die Cambridge High School besuchte. Da der Vater wenig Verständnis für die Studienabsichten seiner Tochter zeigte, musste sie bereits mit 16 Jahren zum Familienunterhalt beitragen. Zeitweise arbeitete sie bei einer Finanzbehörde, ehe sie beim Cambridge Festival Theatre eine Anstellung fand. Hier lernte sie den Medizinstudenten Ernest Connor Bantry White kennen; die beiden heirateten 1941. Später war der Ehemann mit dem Royal Army Medical Corps in Indien stationiert und geriet nach Kriegsende in japanische Kriegsgefangenschaft. Er kehrte als psychisches Wrack zurück und war nicht imstande, sich um die Familie mit inzwischen zwei Töchtern zu kümmern. 1964 nahm er sich schließlich das Leben.
So musste Phyllis den Lebensunterhalt für die vierköpfige Familie allein bestreiten. Ab 1949 arbeitete sie in der Verwaltung des National Health Service, wo ihrer Aufsicht mehrere psychiatrische Polikliniken unterstanden. 1968 wechselte sie dann in die Abteilung für Kriminalitätsbekämpfung des britischen Innenministeriums. Die Berufserfahrungen dieser Jahre flossen später in einige ihrer Bücher ein und verliehen diesen eine außerordentliche Authentizität. Erst mit über 40 Jahren, nachdem sie bereits ein gut Teil ihrer erfolgreichen Beamtenlaufbahn hinter sich hatte, begann sie mit dem Schreiben – unter ihrem Mädchennamen P.D. James. 1962 erschien mit Cover her Face (dt. Ein Spiel zuviel) ihr erster Roman, ein typischer englischer Landkrimi mit sozialkritischen Zügen, der noch ganz den Stil und die Nachfolge von Agatha Christie verriet. Bereits in ihrem Debüt wurde der Detective Chief Inspector Adam Dalgliesh von Scotland Yard eingeführt. Der gutaussehende Witwer, Anfang vierzig, besitzt eine ungewöhnliche Kombinationsgabe und pflegt einen weltmännischen Stil. Er fährt (später) einen Jaguar, liebt Jazz und hat einen Hang zur Poesie, denn mit Gedichten versucht er den frühen Verlust von Frau und Kind zu verdrängen.
Für ihren Erstlingsroman erhielt James auf Anhieb positive Kritiken, wobei die meisten Kritiker annahmen, dass sich hinter P.D. James ein Autor verberge. Besonders die Figur des Ermittlers wurde ausdrücklich gelobt: „Mit Inspektor Dalgliesh hat sie einen Charakter geschaffen, der von sich reden machen und auf den sie zweifellos zurückgreifen wird, wenn es darum geht, weitere P.-D.-James-Kriminalfälle zu lösen.“ Und so sollte es tatsächlich kommen … Bereits ein Jahr später ließ James den zweiten Roman mit Commander Dalgliesh folgen: A Mind to Murder (dt: Eine Seele von Mörder). Danach wurden die Abstände der Erscheinungstermine größer, denn für jeden neuen Kriminalfall betrieb die Autorin intensive Recherchen. In insgesamt vierzehn Kriminalromanen war der stoische Kult-Ermittler Dalgliesh der Protagonist. In The Private Patient (2008, dt. Ein makelloser Tod) hatte er schließlich seinen letzten Auftritt. Über einen Zeitraum von 46 Jahren vollbrachte er detektivische Meisterleistungen, die in den 1980er und 1990er Jahren auch vielfach verfilmt wurden, wobei der englische Schauspieler Roy Marsden zumeist Adam Dalgliesh verkörperte.
James, die sich erst ab 1971 ganz dem Schreiben widmen konnte, hat auch noch weitere Romane geschrieben, u.a. die beiden Kriminalromane An Unsuitable Job for a Woman (1972, dt. Ein reizender Job für eine Frau) und The Skull beneath the Skin (1982, dt. Ende einer Karriere) mit der blutjungen Ermittlerin Cordelia Gray, die eine der ersten, wenn nicht überhaupt die erste Privatdetektivin war - zumindest in der britischen Krimi-Szene. Neben einigen Kurz-Krimis, die James für Weihnachts-Ausgaben verschiedener Zeitschriften und Magazine verfasste, entstanden 1992 der Science-Fiction-Roman The Children of Men (dt. Im Land der leeren Häuser) und mit Death Comes to Pemberley (2011, dt. Der Tod kommt nach Pemberley) eine Fortschreibung des Romans Stolz und Vorurteil von Jane Austen, indem James in die berühmte Liebesgeschichte eine klug inszenierte Krimihandlung einbaute. Vom 3. August 1997 an führte sie genau zwölf Monate lang Tagebuch, gespickt mit vielen Erinnerungen, das 2000 als Autobiografie Time to Be in Earnest (dt. Die Zeit der Ehrlichkeit) erschien. Neben ihrem Alltag gab sie hier auch Einblicke in ihren Schreibprozess und setzte sich mit der Entwicklung und dem Wesen des Kriminalromans auseinander, wobei sie den „Realismus des Schauplatzes, die psychologische Subtilität der Charakterzeichnung, das soziale Anliegen sowie die Glaubwürdigkeit“ betonte. Am 27. November 2014 starb P.D. James im Alter von 94 Jahren in Oxford.
P.D. James erwies sich als eine Meisterin des realistischen Kriminalromans, indem sie auch die dunkelsten Winkel der menschlichen Psyche erforschte. Geprägt von bestechenden Charakterstudien und komplexen Handlungen wird aus einer Anzahl von möglichen Verdächtigen schließlich der Schuldige ermittelt. Meist handelt es sich um mysteriöse Verbrechen mit einem grausam herbeigeführten Tod. P.D. James, weltweit als „Queen of Crime“ gerühmt, wurde für ihr literarisches Werk mehrfach ausgezeichnet – u.a. mit den höchsten Auszeichnungen für Krimiautoren in Großbritannien und den USA - dem “Diamond Dagger” und dem “Grand Master Award”. Außerdem wurde sie 1983 von der Queen in den „Order of the British Empire“ aufgenommen und 1991 zur „Baroness James of Holland Park“ erhoben. Auch gesellschaftlich war James äußerst aktiv und mischte sich immer wieder in die Politik ein. Sie war Vorsitzende des Society of Authors, einem Beirat des BBC, und hatte seit 1991 für die Konservativen einen Sitz im Oberhaus inne. Darüberhinaus war sie eine begehrte Gastdozentin – in Großbritannien und den USA unterrichtete sie Kreatives Schreiben. Kurz vor ihrem Tode hatte sich die Schriftstellerin noch gegen die schottische Unabhängigkeit stark gemacht.
(Text von 2020)
Verfasserin: Manfred Orlick
Zitate
In meiner Rede beleuchtete ich dann die Verantwortung des Romanautors unter dem Gesichtspunkt der Themenwahl, der Charakterisierung und des Stils. Meiner Meinung nach wäre es absurd zu verlangen, dass die Frage nach der moralischen Verantwortung die Themenwahl eines Autors beeinflussen müsse, ganz einfach, weil die Vorstellung von einer Wahl, einer bewussten Entscheidung für oder gegen ein Thema, illusorisch ist. Jeder Romanautor schreibt das, was er oder sie schreiben muss, und steht unter einem unbewussten Zwang, seine einmalige Sicht der Realität auszudrücken. Wenn Kreativität die erfolgreiche Lösung eines inneren Konfliktes ist, dann benutzt der kreative Schriftsteller diesen Konflikt, um seinen Erfahrungen mit der Welt einen Sinn zu geben, um die Unordnung durch Ordnung zu ersetzen und um aus seinem eigenen inneren Chaos ein kontrolliertes Muster zu schaffen. Bestätigt wird diese Theorie, dass der Autor sein Thema nur scheinbar und nicht wirklich frei wählt, durch die Tatsache, dass die Autoren eines bestimmten Genres die Tendenz haben, bei diesem Genre zu bleiben, aber auch durch die Leichtigkeit, mit der wir die Topographie der Gedanken bei so grundverschiedenen Schriftstellern wie Thomas Hardy, Graham Greene, Virginia Woolf, Barbara Pym, John LeCarré, Jane Austen und P. G. Wodehouse erkennen können, die alle eine unverwechselbare und auf den ersten Blick erkennbare Welt schaffen.
(P.D. James: „Zeit der Ehrlichkeit“, Droemersche Verlagsanstalt, München 2001, S. 222-223)
Dalgliesh bedankte sich bei Plant und ließ ihn gehen. Er selber aber blieb noch ein paar Minuten länger in der Bibliothek. Er hatte ein quälendes, irrationales Gefühl, daß er irgendwo in allerletzter Zeit eine Spur zu Setons Tod gesehen hatte, einen flüchtigen Hinweis, der sich aber hartnäckig dagegen sträubte, aufzutauchen und erkannt zu werden. Diese Erfahrung war ihm nicht neu. Er hatte sie, wie jeder gute Kriminalbeamte, schon öfter gemacht. Gelegentlich hatte sie ihm einen jener scheinbar intuitiven Erfolge beschert, von denen sich sein Ruf zum Teil herleitete. Meist jedoch hatte sich der flüchtige Eindruck, wenn er sich daran erinnerte und ihn genau untersuchte, als unbedeutend erwiesen. Aber das Unterbewusstsein ließ sich nicht zwingen. Die Spur, wenn es denn eine solche war, entzog sich ihm für den Augenblick. Und jetzt schlug die Uhr über dem Kamin eins. Sein Gastgeber wartete wahrscheinlich schon auf ihn.
(P.D. James: „Ein unverhofftes Geständnis”, bb-Taschenbuch 556, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1985, S. 154)
Literatur & Quellen
Werke
Kriminalromane
- Cover Her Face (1962, dt. Ein Spiel zuviel)
- A Mind to Murder (1963, dt. Eine Seele von Mörder)
- Unnatural Causes (1967, dt. Ein unverhofftes Geständnis)
- Shroud for a Nightingale (1971, dt. Tod im weißen Häubchen)
- An Unsuitable Job for a Woman (1972, dt. Kein Job für eine Dame)
- The Black Tower (1975, dt. Der schwarze Turm)
- Death of an Expert Witness (1977, dt. Tod eines Sachverständigen)
- Innocent Blood (1980, dt. Ihres Vaters Haus)
- The Skull Beneath the Skin (1982, dt. Ende einer Karriere)
- A Taste for Death (1986, dt. Der Beigeschmack des Todes)
- Devices and Desires (1989, dt. Vorsatz und Begierde)
- Original Sin (1994, dt. Wer sein Haus auf Sünden baut)
- A Certain Justice (1997, dt. Was gut und böse ist)
- Death in Holy Orders (2001, dt. Tod an heiliger Stätte)
- The Murder Room (2003, dt. Im Saal der Mörder)
- The Lighthouse (2005, dt. Wo Licht und Schatten ist)
- The Private Patient (2008, Ein makelloser Tod)
Andere Werke
- The Children of Men (1992, dt. Im Land der leeren Häuser)
- Time to Be in Earnest (2000, dt. Zeit der Ehrlichkeit)
- Death Comes to Pemberley (2011, dt. Der Tod kommt nach Pemberley)
Quellen (Literatur und Links)
- P.D. James: „Zeit der Ehrlichkeit“, Droemersche Verlagsanstalt, München 2001
- Luise Berg-Ehlers: „Mit Miss Marple aufs Land – Englische Kriminalschriftstellerinnen zwischen Tearoom und Tatort, Elisabeth Sandmann Verlag, München 2013
- Wikipedia: P.D. James
- www.kulturschnitte.de: Adam Dalgliesh
- „Die Fehlbarkeit der Gerechten“, NZZ 27.11.2014
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