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(Dame Ninette de Valois)
geboren am 6. Juni 1898 in Baltiboys, Blessington, County Wicklow
gestorben am 8. März 2001 in London
irische Tänzerin, Choreographin, Ballettdirektorin und –lehrerin
125. Geburtstag am 6. Juni 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Sie sei eine Idealistin ohne Illusionen, stellte ein Graphologe erstaunt fest. In der Tat hielt sich Ninette de Valois in ihrem ganzen Leben nicht nur mit Luftschlössern auf. Zielstrebig und realistisch verwirklichte sie ihren Traum von einem englischen Nationalballett mit angeschlossener Tanzakademie, um jungen TänzerInnen eine gründliche Ausbildung mit frühzeitiger Bühnenerfahrung und berufliche Sicherheit durch ein festes Ensemble zu ermöglichen. Kaum eine andere Persönlichkeit beeinflusste die englische Ballettszene wie sie, aus deren Schule Tänzerinnen wie Margot Fonteyn und Choreographen wie John Cranko hervorgingen und die für ihr Werk zahllose Ehrendoktorwürden und Preise erhielt.
Geboren als Edris Stannus verbrachte sie die ersten und – wie sie später immer wieder betont – prägenden Jahre mit drei Geschwistern in Irland. Überrascht von einem spontanen Tanzauftritt der sonst schüchternen Edris vor den Gästen einer Kindergesellschaft, fördert die Mutter nach dem Umzug der Familie nach England die Tanzausbildung ihrer begabten Tochter. Von ihr stammt auch der Bühnennamen Ninette de Valois, unter dem die Vierzehnjährige als première danseuse der Lila Fields Wonder Children zwei Jahre auf Tournee geht. Nach dieser harten Zeit mit zum Teil mehreren Vorstellungen pro Tag wird de Valois in Pantomimen, Revuen oder Musical Comedies an Londoner Theatern engagiert. Unzufrieden mit ihrer bisherigen Ausbildung, nimmt sie weiterhin Unterricht und freundet sich dabei mit TänzerInnen des Diaghilev-Balletts an, die ihr später den ersehnten Sprung zum hohen klassischen Ballett verschaffen: 1923 wird sie in Diaghilevs Ballets Russes aufgenommen. Besonders gefördert durch Bronislava Nijinska, die für ihre Choreographien zeitgenössischer Themen freie Bewegungen und Positionen des Körpers mit klassischer Ballett-Technik kombiniert, erhält de Valois dort entscheidende Impulse für ihre eigene choreographische Arbeit.
Nach zwei Jahren verlässt sie die Kompanie und eröffnet in London 1926 ihr eigenes Studio, die Academy of Choreographic Art, in der sie ein übergreifendes, theaterorientiertes Unterrichtskonzept verwirklicht. So gibt es neben dem Training für klassischen Tanz auch Kurse in Bühnenmalerei, Beleuchtung, Musik und Volkstanz sowie eine Bibliothek. Sie arbeitet außerdem für Lilian Baylis, der Direktorin des Old Vic Theatre, übernimmt 1927 zusätzlich die choreographische Leitung am Cambridge Festival Theatre und geht als Leiterin der Ballettschule und Choreographin zu W.B. Yeats nach Dublin. Nebenbei schreibt de Valois Artikel über ihre Vorstellungen einer Weiterentwicklung des englischen Ballettes und beginnt, Vorträge zu halten.
1931 wird ihre Schule dem neueröffneten Sadler’s Wells Theatre angegliedert und sie selber Ballettdirektorin. Ihre neueingeführten ganzen Ballettabende sind äußerst erfolgreich. Die ZuschauerInnen vermissen zunehmend nur eines: de Valois als Tänzerin. Obwohl kaum Zeit bleibt zum Training, begeistert sie nach wie vor mit ihrem hohen technischen Können und ihrem komödiantischen Talent. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhält ihre Kompanie als ständigen Spielort das große Covent Garden Opera House und den Status eines Nationalballetts.Es spricht für de Valois‘ Fähigkeiten, dass sie mühelos von der Organisation eines vergleichbar kleinen Theaters zu einem großen Haus auf internationaler Ebene wechselt, ohne ihre vorausschauende Übersicht zu verlieren. Als sie 1963 ihre Tätigkeit als Ballettdirektorin niederlegt, verstärkt sie – keineswegs den Ruhestand genießend – ihre Aktivitäten in der Schule, unterrichtet bis ins hohe Alter und arbeitet in den leitenden Gremien des Royal Ballet und der Royal Ballet School mit.
Von ihrem Privatleben erfährt man vergleichsweise wenig. Doch ist de Valois seit einer stillen Hochzeit im Sommer 1935 allem Anschein nach glücklich mit einem Arzt verheiratet, den sie trotz ihres enormen Pensums und der langen Auslandsaufenthalte „nicht vernachlässigte“.Sehr spannend und hautnah erzählt de Valois in ihrer Autobiographie, wie sie im Zweiten Weltkrieg während einer „kulturellen Propagandatour“ durch das neutrale Holland von der deutschen Invasion überrascht und in letzter Minute unter Zurücklassung der persönlichen Habe und der Ausstattung für mehrere Ballette auf abenteuerlichen Wegen von Den Haag an die Küste auf ein überfülltes Flüchtlingsboot gebracht wurde.
Als de Valois auf Bitte der türkischen Regierung für über zwanzig Jahre beim Aufbau eines Nationalballetts mitwirkt, stellt sie amüsiert fest, dass in der Türkei die Eltern überredet werden müssen, dass auch Mädchen Tänzerinnen werden können.
(Text von 1997)
Verfasserin: Adriane von Hoop
Literatur & Quellen
Neatby, Kate. 1934. Ninette de Valois and the Vic-Wells Ballet. London. British-Continental Press.
Valois, Ninette de. 1957. Come dance with me. A Memoir 1898-1956. Cleveland; New York. The World Publishing Company.
Walker, Kathrine Sorley. 1987. Ninette de Valois: Idealist without Illusions. London. Hamish Hamilton.
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