Biographien Natalie Clifford Barney
geboren am 31. Oktober 1876 in Dayton, Ohio
gestorben am 2. Februar 1972 in Paris
US-amerikanisch-französische Schriftstellerin und Salonière
50. Todestag am 2. Februar 2022
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Berühmt-berüchtigt wurde Natalie Clifford Barney als “Amazone von Paris,” als größte (Frauen)herzensbrecherin ihrer Zeit. Viele schöne, begabte, adlige, reiche beziehungsweise ebenso berühmt-berüchtigte Damen konnten dem Charme der stets in Weiß gekleideten, von ihrem langen Blondhaar umwehten Amerikanerin nicht widerstehen, die ihr Lesbischsein nicht als biologisch bedingte Tragödie (wie die Romanschriftstellerin Radclyffe Hall), sondern als Chance für ein selbstbestimmtes, freudvolles Leben empfand. Ihre Affären brachten ihr literarische Verewigungen ein – die Gedichte Renée Viviens und ein Roman der Edelkurtisane Liane de Pougy besangen ihre Liebeskunst, Djuna Barnes' satirischer Ladies Almanack stellte sie als Hohepriesterin im Kreise ihrer Damen dar.
Bei all dem geriet lange Zeit in Vergessenheit, welch wichtigen Beitrag Barney zur Entwicklung “einer der produktivsten weiblichen Subkulturen des 20. Jahrhunderts” (Alexandra Busch) geleistet hat. Das “sapphische Ideal,” eine auf Liebe und kreativem Austausch beruhende Frauengemeinschaft nach antikem Vorbild, wiederzubeleben war ihr Lebensziel, das sie wichtiger nahm als die eigene literarische Produktion (immerhin 13 Bände mit Gedichten, Aphorismen, Lebenserinnerungen).
1902 war die Millionärstochter nach Paris gezogen – um der provinziellen Enge ihrer amerikanischen Heimat und einer vom Vater arrangierten Eheschließung zu entkommen und teilzuhaben am inspirierenden kulturellen Klima der “rive gauche.” Sie erlernte die französische Sprache perfekt und machte ab 1909 aus ihrem Freitagssalon mit den berühmten Gurkensandwiches, zu dem bis zu 150 geladene Gäste kamen, einen der wichtigsten Treffpunkte für französische und amerikanische Intellektuelle (u.a. Djuna Barnes, Gertrude Stein, Colette, Marcel Proust, Paul Valéry, André Gide). Mit ihrer “Académie des Femmes,” dem weiblichen Pendant zur Männerinstitution der Académie Française, schuf sie vielen jungen Schriftstellerinnen und Künstlerinnen ein Forum, in dem sie ihre Werke öffentlich vorstellen konnten.
Barney & Brooks
In ihrem Feminismus war sie entschieden, in ihrer allgemeinen politischen Einstellung weniger – während sie im 1. Weltkrieg in ihrem Haus in der Rue Jacob einen internationalen Frauenfriedenskongress abhielt und den Krieg als extremste Form männlicher Aggression verurteilte, sympathisierte sie später mit dem italienischen Faschismus und verbrachte – zusammen mit ihrer langjährigen Lebensgefährtin, der Malerin Romaine Brooks – während des 2. Weltkrieges sechs Jahre in einem vergleichsweise bequemen Exil in Florenz. 1945 kehrte sie nach Paris zurück und versuchte mit ihrem wiedereröffneten Salon an das kulturelle Netzwerk der Vorkriegszeit anzuknüpfen. Viele ihrer Freundinnen aber waren während des Krieges umgekommen bzw. in ihre Heimatländer zurückgekehrt. 1970 starb die 96jährige Romaine Brooks in Nizza, zwei Jahre später Barney mit 95 Jahren – eine letzte Affäre der “Amazone” mit einer 30 Jahre jüngeren Frau hatte die beiden nach einer über fünfzig Jahre währenden Beziehung endgültig entzweit.
Zitat:
Warum sollte man mir einen Vorwurf daraus machen, daß ich Lesbierin bin? Es ist eine Sache der Natur: meine Andersartigkeit ist kein Laster, ist nicht 'absichtlich' und schadet niemandem. (Natalie Barney)
Verfasserin: Andrea Schweers
Zitate
Die Liebe war ihre Kunst ... und Natalie war eine sehr produktive Künstlerin. (Andrea Weiss)
Literatur & Quellen
Natalie Barney in der Deutschen Nationalbibliothek
Barneys Temple de l'amitié in Paris
Barnes, Djuna. 2003 [1928]. Ladies Almanach. Nachwort von Brigitte Siebrasse. Aus dem Engl. von Karin Kersten. Berlin. Wagenbach.
Barney, Natalie Clifford. 1988 [1904]. Meine Geliebte / My mistress [= The Woman I Live With ]. Dt. von Brigitte Siebrasse. Bremen. Wassmann.
Busch, Alexandra. 1989. “Ein Milieu zwischen Welt und Halbwelt: Natalie Barney und ihr Salon, Paris 1902-1939”, Feministische Studien 2/1989, S. 39-54.
Busch, Alexandra. 1989. Ladies of Fashion: Djuna Barnes, Natalie Barney und das Paris der 20er Jahre. Bielefeld. Cordula Haux.
Chalon, Jean. 1980 [1976]. Porträt einer Verführerin [= Portrait d'une séductrice]. Aus d. Frz. von Helmut Kossodo. Reinbek bei Hamburg. rororo TB 4488.
Jay, Karla. 1988. The Amazon and the Page: Natalie Clifford Barney and Renée Vivien. Bloomington, IN. Indiana UP.
Schweers, Andrea. 2010. “In Sapphos Namen: Die Geschichte einer Begegnung: Renée Vivien (1877-1909) und Natalie Clifford Barney (1876-1970)”, in: Horsley, Joey & Luise F. Pusch. Hg. 2010. Frauengeschichten: Berühmte Frauen und ihre Freundinnen. Göttingen. Wallstein. S. 135-178
Souhami, Diana. 2005. Wild Girls: Natalie Barney and Romaine Brooks. Phoenix.
Weiss, Andrea. 2006. Paris war eine Frau. Aus d. am. Engl. von Susanne Goerdt. Reinbek b. Hamburg. Rowohlt.
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