Biographien Muriel Gardiner Buttinger
geboren am 23. November 1901 in Chicago
gestorben am 6. Februar 1985 in Pennington, New Jersey
US-amerikanische Widerstandskämpferin und Psychoanalytikerin; Vorbild für Lillian Hellmans "Julia” aus Pentimento
40. Todestag am 6. Februar 2025
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Muriel Gardiner Buttinger, nach der in Wien ein Platz benannt ist, war die einzige US–Amerikanerin, die sich im österreichischen antifaschistischen Widerstand engagierte. Sie rettete vielen ÖsterreicherInnen das Leben. Erst 1983, mit 82 Jahren, veröffentlichte sie unter dem Titel Code Name “Mary” den Bericht über ihre Wiener Jahre 1926-1938 in englischer Sprache; (eine deutsche (1978) und eine französische Fassung (1981) waren vorausgegangen).
Gardiner war nach Wien gekommen, um sich von Freud psychoanalysieren zu lassen. Der vermittelte sie weiter an seine Schülerin Ruth Mack Brunswick. Um selbst Psychoanalytikerin werden zu können, blieb Gardiner in Wien und begann ein Medizinstudium. Obwohl sie aus reichem Hause stammte, war sie eine überzeugte Sozialistin und schloss sich dem Widerstand an. 1934 ging sie in den Untergrund und stellte ihre beiden Wohnungen und ihr abgelegenes Ferienhaus im Wienerwald für konspirative Treffen zur Verfügung.
Mit einem Engländer namens Gardiner hatte sie eine Tochter, Connie. Ihre große Liebe war Joseph Buttinger, der Kopf des österreichischen sozialistischen Widerstands. Nach dem “Anschluss” 1938 versorgte sie unter Einsatz ihres Lebens zahlreiche politisch und/oder rassisch Verfolgte mit Geld, Bürgschaften und falschen Pässen, um sie außer Landes und in Sicherheit zu bringen.
Muriel Gardiners Biographie ist auf sehr seltsame Weise mit der der US-amerikanischen Dramatikerin Lillian Hellman verknüpft. 1973 veröffentlichte Hellman den Memoirenband Pentimento, dessen berühmtestes Kapitel “Julia” erfolgreich mit Jane Fonda und Vanessa Redgrave verfilmt wurde. Der Film zeigt, wie Hellman durch ihre heldenhafte Freundin Julia zu heroischer Tat inspiriert wird. “Julia” basiert auf Teilen der Biographie Muriel Gardiners, die Hellman mit frei erfundenen Aussagen über ihr eigenes Leben verknüpfte. Hellman hatte ihre Kenntnisse über Gardiners Heldinnentaten von einem gemeinsamen Bekannten.
Bereits 1980 hatte Mary McCarthy Hellman in einer Talkshow als notorische Lügnerin bezeichnet, worauf diese sie auf über 2 Millionen Dollar Schadenersatz verklagte. Hellmans Chancen verschlechterten sich, als Gardiners Memoiren erschienen. Bevor es zum Prozess kam, starb Hellman 1984. Muriel Gardiner hat sich an den Auseinandersetzungen um den Fall Hellman – Gardiner – McCarthy nicht beteiligt. Einer Persönlichkeit ihrer Größenordnung und Perspektive waren derlei Aufgeregtheiten und Eitelkeiten ohnehin ganz fremd.
(Text von 2000)
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
Sie blieb, gegen alle Vernunft – scheinbar, um ihr Medizinstudium abzuschließen, mehr noch aber, um ihren Freunden zu helfen. Von diesen ausgehend verbreitete sich die Kunde von ihrer Hilfsbereitschaft und ihrem Mitgefühl zu deren Freunden, zu den Freunden dieser Freunde, schließlich zu allen, die in Schwierigkeiten waren, ... bis sie von einer großen Menge potentieller Opfer umgeben war, die in ihr ihre einzige Hoffnung auf Rettung sahen. (Anna Freud)
Literatur & Quellen
Muriel Gardiner in der Deutschen Nationalbibliothek
Gardiner, Muriel. 1976. The Deadly Innocents: Portraits Of Children Who Kill. Vorwort: Stephen Spender. New York. Basic Books.
Gardiner, Muriel. 1983. Code Name “Mary”: Memoirs of an American Woman in the Austrian Underground. New Haven; London. Yale UP.
Hellman, Lillian. 1989 [1973]. Pentimento: Erinnerungen [= Pentimento: A Book of Portraits]. Aus d. Engl. von Eva Buchmann. München. Frauenbuchverlag.
Wright, William. 1986. Lillian Hellman: The Image, the Woman. New York. Ballantine.
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