Biographien Mirga Gražinytė-Tyla
geboren am 29. August 1986 in Vilnius (Litauen)
litauische Dirigentin
35. Geburtstag am 29. August 2021
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
„Neulich nach einem Familienkonzert in L.A., das ich dirigiert habe, kamen Mütter zu mir und bedankten sich: Das Konzert sei so wichtig gewesen für ihre Töchter. Ich dachte mir: Es ist genauso wichtig für die Söhne.“ (Mirga Gražinytė-Tyla)
Den zweiten Namen Tyla (litauisch für Ruhe, Stille) hat sie sich als Künstlernamen selbst gegeben. Mirga Gražinytė-Tyla wächst in einer hochmusikalischen Familie auf: ihre Großmutter Beata Vasiliauskaitė-Šmidtienė (geboren 1941) war Geigerin und Dozentin an der Litauischen Musikakademie. Der Vater, Romualdas Gražinis (* 1962), ist Chordirigent. Mirga besucht mit 11 Jahren eine Kunstschule, wo sie von Kunst ins Musikfach wechselt und eine Ausbildung zur Chordirigentin absolviert. Das ist in Litauen nichts Ungewöhnliches - in Litauen wird viel gesungen. Die LitauerInnen sagen selbst mit einem Augenzwinkern, dass jeder Zweite bei ihnen ein Chordirigent sei. Mirga Gražinytė-Tyla beendet die Schule 2004 mit dem Abitur und studiert an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz zunächst Chordirigieren. Bis ihr die Professoren vorschlagen, es mal mit dem Orchester zu probieren. Weitere Ausbildungsstationen sind das Konservatorium Bologna, die Musikhochschule Leipzig und die Zürcher Hochschule für Künste. Nach einem Seminar bei Kurt Masur arbeitet sie als seine Assistentin beim Orchestre National de France. 2010 debütiert sie als Operndirigentin mit La Traviata am Theater Osnabrück. Es folgen Stationen als Kapellmeisterin in Heidelberg und Bern. Der Durchbruch kommt mit dem Salzburger Dirigentenpreis, den sie 2012 als erste Frau gewinnt. Danach interessieren sich die Orchester der Welt für die junge Frau. 2015/2016 ist Gražinytė-Tyla Musikdirektorin am Landestheater Salzburg und Ständige Gastdirigentin beim Los Angeles Philharmonic. 2016 übernimmt sie den Posten als Music Director beim City of Birmingham Symphony Orchestra.
Wie ist das nun als Frau, und auch noch als junge Frau, in einem derart männlich dominierten Metier? Gražinytė-Tyla sagt von sich selbst, dass sie sich als Dirigentin noch nie benachteiligt fühlte, dass sie aber auf ihre Erscheinung achten muss. Leger in Jeans oder T-Shirt vors Orchester treten geht nicht. Und sie konzentriert sich darauf, dass ihre Stimme nicht zu hoch oder gar piepsig klingt.
Fachlich und persönlich ist sie einfach zu überzeugend, als dass unsachliches Machogehabe eine Chance hätte. Mario Venzago, Chefdirigent der Berner Symphoniker und einer von Gražinytė-Tylas Fürsprechern, charakterisiert sie so: „Sie ist schnell, ohne hastig zu sein. Sie ist visionär, ohne abgehoben zu sein. Und sie ist leidenschaftlich, ohne dass sie übergriffig ist. Im Gegensatz zu manchen Jungdirigenten, die ihre Orchester regelrecht anspringen“. Es ist diese Mischung aus analytischem Verstand, Autorität, Authentizität und Teamplay, die Orchester schätzen. Ein despotischer Dirigent mit Guru-Manieren ist nicht mehr zeitgemäß. Gražinytė-Tyla hat ihren eigenen souveränen Stil, sie versucht nicht, einen Mann nachzumachen.
Dirigieren ist immer noch weit davon entfernt, ein „Frauenberuf“ zu werden - aber eine Tür, die Frauen früher definitiv verschlossen war, ist jetzt zumindest offen.
Simone Young, die bekannteste Frau vor statt im Orchester, ist von der Frage, ob Frauen dirigieren können, mittlerweile gelangweilt: „Ich glaube, wir machen grundsätzlich einen Fehler, indem wir Männlichkeit mit Stärke verbinden und Weiblichkeit mit Sensibilität. Jeder Künstler braucht Stärke und Sensibilität, egal ob es Mann oder Frau ist.“
Es lässt frau ein wenig schmunzeln, wenn Gražinyte-Tyla erzählt, dass ihr Vater sie bei ihren Berufsplänen immer unterstützt hat, „aber ich weiß, dass er meiner Mutter mal gesagt hat, Dirigieren ist überhaupt kein Frauenberuf“. Seine Tochter beweist ihm das Gegenteil.
(Text von 2017)
Verfasserin: Karin Müller
Literatur & Quellen
www.wikipedia.de (13.1.2017)
bernerzeitung.ch (30.1.2013)
dradio.de (3.2.2016)
Die Zeit (26.98.2016)
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