(Meret La Roche Oppenheim [Ehename])
geboren am 6. Oktober 1913 in Berlin
gestorben am 15. November 1985 in Basel
Deutsch-Schweizer Malerin und Schriftstellerin
110. Geburtstag am 6. Oktober 2023
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Eine große Kaffeetasse samt Untertasse und Löffel, überzogen mit dem beige-braunen Fell einer chinesischen Gazelle, war eines der ersten Objekte in ihrem Werk. Es begründete 1936 den frühen Ruhm Meret Oppenheims, die 1932 mit ihrer Freundin, der Malerin Irene Zurkinden, von Basel nach Paris aufgebrochen war und sich dort den Surrealisten um André Breton angeschlossen hatte.
Das »Déjeuner en fourrure« wurde zum meistzitierten Kunstwerk einer Bewegung, die sich sonst eher auf einer Theorie des Traumhaften und Unbewussten verstand. Das Werk, das Alfred Barr jr. noch im selben Jahr für die Sammlung des Museum of Modern Art in New York einkauft, wurde zu ihrem Markenzeichen. Damit, sagt Meret Oppenheim, sei ihr das Etikett der Surrealistin angeheftet worden. Aber im Bund der Surrealisten war für Frauen kein Platz vorgesehen.
Trotz ihres großen künstlerischen Erfolgs galt Meret Oppenheim in erster Linie als exzentrisches Model: eine Muse, die Man Ray mit seinen Fotos der schönen, nackten Frau zum weiblichen Objekt ewigen Begehrens stilisiert: »Wenn eine Frau in der Kunst nur Frau ist«, so Man Ray, »genügt das reichlich. Als solche muss sie jung und hübsch sein und so unverändert wie möglich.« Meret Oppenheim genügte das nicht. Sie wollte nicht auf die Rolle der kreativen Muse reduziert werden. Mit »Ma gouvernante, my nurse, mein Kindermädchen« (1936) – einem weiteren ihrer bekanntesten Objekte – zeigt sie die Fesseln weiblicher Rollenzuschreibung: auf einem Silbertablett ein paar umgedrehte weiße Pumps. Die Pfennigabsätze mit weißen Papiermanschetten verziert. Die Assoziation zum Brathähnchen oder zum »dummen« Huhn liegt nahe.
Sie verließ den 22 Jahre älteren Max Ernst und zog 1937 nach Basel zurück, wo sie die nächsten zwei Jahre die Kunstgewerbeschule besucht und Bilder restauriert, zum Broterwerb. Ab 1935 konnten die in Berlin lebenden Eltern sie nicht länger unterstützen, der als »halbjüdisch« klassifizierte Vater, ein Arzt, wurde arbeitslos. Ihr Selbstwertgefühl war angeschlagen, sie litt unter Depressionen und einer »inneren Leere«. »Es war mir, als würde die jahrtausendealte Diskriminierung der Frau auf meinen Schultern lasten, als ein in mir steckendes Gefühl der Minderwertigkeit.«
1945 lernte sie Wolfgang La Roche kennen, sie heiratet ihn und zieht 1948 mit ihm nach Bern. Dort mietet sie 1954 ein Atelier, denn: »Die Krise verging fast von alleine. Das war ein innerer Vorgang, der von einer zur anderen Sekunde vorüber war. Ich konnte in jener Nacht nicht schlafen, weil ich wusste, dass fortan alles anders wird.« Sie malte wieder, schuf Skulpturen, zeichnete, schrieb Gedichte und Prosa und wurde spätestens 1967, anlässlich einer großen Retrospektive ihres Werks in Stockholm, wiederentdeckt.
»Es ist nicht immer leicht, ein junger Künstler zu sein«, sagte sie in der viel zitierten Rede, die sie 1975 bei der Verleihung des Kunstpreises der Stadt Basel hält: »Wenn einer aber eine eigene, neue Sprache spricht, die noch niemand versteht, dann muss er manchmal lange warten, bis er ein Echo vernimmt. Noch schwieriger ist es immer noch für einen weiblichen Künstler ... Bei den Künstlern ist man es gewöhnt, dass sie ein Leben führen, wie es ihnen passt – und die Bürger drücken ein Auge zu. Wenn aber eine Frau das gleiche tut, dann sperren sie die Augen auf. Das und vieles andere muss man in Kauf nehmen. Ja, ich möchte sogar sagen, dass man als Frau die Verpflichtung hat, durch seine Lebensführung zu beweisen, dass man die Tabus, mit welchen Frauen seit Jahrtausenden in einem Zustande der Unterwerfung gehalten wurden, als nicht mehr gültig ansieht. Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie nehmen.«
Eine Künstlerpersönlichkeit sei – unabhängig von ihrem Geschlecht – eine sowohl von männlichen wie von weiblichen Anteilen getragene Größe, die Schöpferkraft des Künstlers verfüge über einen geistig-weiblichen Anteil in eben dem Maße, wie die Kreativität der Künstlerin einen geistig-männlichen Aspekt besitze. Dieser geistig-männliche Teil aber sei es, den die Frauen zu verbergen hätten, »da die Männer seit der Errichtung des Patriarchats, das heißt seit der Abwertung des Weiblichen, das in ihnen selbst enthaltene Weibliche, das ja als minderwertig angesehen wird, in die Frauen projizieren. Für die Frauen bedeutet das, dass sie ihr eigenes Weibliches leben müssen sowie das von den Männern auf sie projizierte. Sie sind also Weib hoch zwei. Das ist doch wohl zuviel.« Ihr eigenes Rollenverständnis, ihre lustvollen Selbstinszenierungen, ihr androgynes Auftreten machten sie zu einem weiblichen Superstar der bildenden Kunst.
Mit ihrem Thema »Frau und Kunst« fand sie in der Frauenbewegung ab den 1970er Jahren ein willkommenes Forum. Sie mischte sich in die Diskussion ein, erläuterte souverän und gleichzeitig ironisch ihren Standpunkt: »Der Geist ist androgyn!« Und: »Man sollte sich daran erinnern, dass es Eva war, die zuerst vom Apfel am Baume der Erkenntnis, also des bewussten Denkens, gegessen hat.«
Verfasserin: Susanne Gretter
Zitate
Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie nehmen. (Meret Oppenheim)
Links
Artcyclopedia: Meret Oppenheim Online. Linksammlung.
Online verfügbar unter http://www.artcyclopedia.com/artists/oppenheim_meret.html, zuletzt geprüft am 27.09.2023.
artnet: Meret Oppenheim. Kunstwerke zum Verkauf, Galerien, Markttrends.
Online verfügbar unter http://www.artnet.de/artist/12870/meret-oppenheim.html, zuletzt geprüft am 27.09.2023.
Förderverein Meret Oppenheim - Steinfrau aus Steinen: Merit Oppenheim - Steinfrau aus Steinen. Liebevoll gestaltete Seite zu Leben und Werk mit vielen Bildern und Hintergrundinformationen.
Online verfügbar unter http://www.meret-oppenheim.de/, zuletzt geprüft am 27.09.2023.
g26.ch – Plattform für Kunst, Kultur und Gesellschaft (2008): Meret Oppenheim. Zusammenstellung verschiedener Texte zu Meret Oppenheim, mit tabellarischem Lebenslauf.
Online verfügbar unter https://g26.ch/art_oppenheim/, zuletzt geprüft am 27.09.2023.
Galerie Krinzinger (2006): Meret Oppenheim. Werke und Biografie.
Online verfügbar unter https://www.galerie-krinzinger.at/artists/17171/meret-oppenheim/works/, zuletzt geprüft am 27.09.2023.
Galerie SCHOEN + NALEPA: Meret Oppenheim. Biografie, Werke, Ausstellungen.
Online verfügbar unter http://www.schoen-nalepa.de/kuenstler/meret-oppenheim/, zuletzt geprüft am 27.09.2023.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Meret Oppenheim. Veröffentlichungen.
Online verfügbar unter https://d-nb.info/gnd/118787136, zuletzt geprüft am 27.09.2023.
kunstaspekte: Meret Oppenheim. Links, Ausstellungen, Sammlungen, Galerien.
Online verfügbar unter https://kunstaspekte.art/person/meret-oppenheim, zuletzt geprüft am 27.09.2023.
LEVY Galerie: Meret Oppenheim. Works, CV, Bibliography.
Online verfügbar unter https://levy-galerie.de/artists/meret-oppenheim/, zuletzt geprüft am 27.09.2023.
Literatur & Quellen
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Oppenheim, Meret (2010): Träume. Aufzeichnungen 1928 - 1985. 1. Aufl. Unter Mitarbeit von Christiane Meyer-Thoss. Berlin. Suhrkamp. (Bibliothek Suhrkamp, 1459) ISBN 9783518224595. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wilhelm, Knut (1985): Meret Oppenheim. Ausstellungskatalog. Stuttgart. Wilhelm. ISBN 3-923717-19-9. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
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