Biographien Mary Wollstonecraft Shelley
Richard Rothwell (1800-1868) Mary Wollstonecraft Shelley NPG 1235 National Portrait Gallery
(Mary Wollstonecraft (Godwin) Shelley)
geboren am 30. August 1797 in Somers Town
gestorben am 1. Februar 1851 in London
britische Schriftstellerin, Herausgeberin
225. Geburtstag am 30. August 2022
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Elf Tage nach der Geburt verlor sie die Mutter, deren berüchtigten Namen sie trug. Der als ebenso radikal geltende Vater, Willliam Godwin, war der Mutterrolle kaum gewachsen. Mary hat ihn heiß geliebt, aber er enttäuschte sie oft, zuerst als er eine Frau heiratete, die sie nur hassen konnte. Mit der fast gleichaltrigen Stiefschwester, Jane (später Claire) Clairmont, verband sie lebenslang ein zwiespältiges Verhältnis. Mary las und träumte am Grab der Mutter. Dort gestand sie sechzehnjährig auch dem verheirateten Dichter Percy Bysshe Shelley ihre leidenschaftliche Liebe. Das Paar brennt durch, von Claire begleitet, die Werke von Wollstonecraft und Marys eigene frühe Versuche im Gepäck. Der Vater, William Godwin, war zwar ein Theoretiker der freien Liebe; seine Tochter aber verstößt er. Später behandelt Wollstonecraft Shelley in ihren Werken oft problematische Vater-Tochter Beziehungen, am krassesten durch das Inzestmotiv in dem erst 1959 veröffentlichten Roman Mathilda.
Die acht abenteuerlichen Jahre mit dem romantischen Dichter brachten der noch nach mütterlicher Liebe Suchenden eher Gefühle des Ausgesetztseins. Aber der tägliche intellektuelle Verkehr mit ihm wird ihr immer wichtiger. Sie bildet sich durch Lektüre, lernt Fremdsprachen, übersetzt. Nach einem Wachtraum schreibt sie Frankenstein or A Modern Prometheus (1818, rev. 1831). Das namenlose Monstrum löst heute noch Unbehagen aus.
Das Werk wird von FeministInnen unterschiedlich gedeutet: als radikale Auseinandersetzung mit dem Patriarchat, als groteskes Bekenntnis der Angst vor Mutterschaft oder als versteckte (Selbst)Kritik des Verlangens nach Geborgenheit in der bürgerlichen Familie. Die junge Autorin leidet an den vielen familiären Reibereien, finanzieller Not und den Strapazen ruhelosen Umherziehens und der Schwangerschaften, an immer wieder verlorenen Frauenfreundschaften und am Egoismus von Männern wie Shelley, Lord Byron und Godwin. Ihre Halbschwester Fanny Imlay und Shelleys Frau begingen 1816 Selbstmord. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Eine tiefe Depression löst 1818 der plötzliche Tod ihres Töchterchens Clara aus; wenig später stirbt auch der dreijährige Sohn, William. Sie verblutet fast bei einer Fehlgeburt; schließlich ertrinkt Percy 1822 beim Segeln.
Die 25-jährige Witwe vergöttert den Verstorbenen – ihre Ausgabe seiner Werke macht Shelley berühmt. Lange wurde sie hauptsächlich als seine Gefährtin, nicht als selbstständige Denkerin und Schriftstellerin gewürdigt. Sie selbst glaubte aber an ihr Talent, zumal sie durch ihr Schreiben ihr einziges überlebendes Kind, den Sohn Percy Florence, etliche Freunde und sogar den Vater unterstützen musste. In den fast drei Jahrzehnten bis zu ihrem Tod an einem Gehirntumor schrieb sie fünf weitere Romane (am wichtigsten der apokalyptische The Last Man, 1826), Geschichten und Essays für Zeitschriften und Enzyklopädien, Reiseliteratur, Briefe und ein Tagebuch. Obwohl sie jede öffentliche Rolle ablehnte, blieb sie auf ihre Weise den Ideen der Mutter treu, neben der sie auch begraben werden wollte.
(Text von 1996)
Verfasserin: Margaret Ward
Zitate
Über Mary Wollstonecraft Shelley:
Frankenstein wird immer mehr zu einem unverzichtbaren Text für unsere Erforschung des weiblichen Bewusstseins und Schreibens. (Mellor)
Mary Shelley, zweifellos inspiriert von A Vindication of the Rights of Woman ihrer Mutter, schildert gezielt die Folgen einer gesellschaftlichen Konstruktion von Geschlecht, die Männer über Frauen stellt. (Mellor)
In ihren Romanen erforschte Mary Shelley die schädlichen Auswirkungen - sowohl für Männer als auch für Frauen - einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die auf einer Trennung von 'Heim' und 'Welt' gründet. (Ellis in The Other Mary Shelley)
Zitate von Mary Wollstonecraft Shelley:
Wenn ich den Schleier von dieser fremden Welt zerreißen würde & mit Adleraugen jenseits der Sonne durchdringen würde ... wenn jede Idee, die fremd und wechselhaft ist, eine weitere Stufe auf der Leiter ist, auf der ich aufsteigen möchte ... (MWS Journal, 8. Feb. 1822)
...dieser Wirbel von Ideen, der niemals zur Ruhe kommt, ist der Teil meines Wesens, den ich am meisten schätze & hege… (Brief an Jane Williams, 31. Mai 1823)
Die Erinnerung an meine Mutter war immer der Stolz und die Freude meines Lebens; und die Bewunderung anderer für sie war Ursache für einen Großteil des Glücks, das ich erlebte. (Brief an Frances Wright, 30. Dez. 1830)
Literatur & Quellen
Fisch, Audrey A., Anne K. Mellor & Esther H. Schor. Hg. 1993. The Other Mary Shelley. New York. Oxford UP.
Gilbert, Sandra M. & Susan Gubar. 1979. “Horror's Twin: Mary Shelley's Monstrous Eve”, in: The Madwoman in the Attic: The Woman Writer and the Nineteenth-Century Literary Imagination. New Haven. Yale University Press. S. 213-47.
Mellor, Anne K. 1989. Mary Shelley: Her Life, Her Fiction, Her Monsters. New York. Routledge.
Poovey, Mary. 1984. The Proper Lady and the Woman Writer: Ideology as Style in the Works of Mary Wollstonecraft, Mary Shelley, and Jane Austen. Chicago. Chicago University Press.
Seymour, Miranda. 2000. Mary Shelley. London. John Murray
Spark, Muriel. 1992. Mary Shelley. Eine Biographie. Frankfurt. insel TB 1258.
Sunstein, Emily W. 1989. Mary Shelley: Romance and Reality. Baltimore. Johns Hopkins UP.
Todd, Janet M. Hg. 1977. A Wollstonecraft Anthology. Bloomington. Indiana University Press.
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