geboren am 8. November 1908 in St. Louis, Missouri
gestorben am 15. Februar 1998 in London
US-amerikanische Kriegsreporterin
115. Geburtstag am 8. November 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Mit 70 Jahren zog sie Bilanz: Sie hatte 53 Länder der Welt bereist, viele davon etliche Male, außerdem alle Staaten der USA außer Alaska, sieben verschiedene Länder hatten ihr als „Basis fürs Umherziehen“ gedient, neun Kriege hatte sie aus nächster Nähe erlebt und beschrieben. In den nächsten 20 Jahren kamen noch weitere Reiseziele, Wohnsitze und Kriegsschauplätze hinzu. Erst als sie mit knapp 90 Jahren, schwerhörig, fast erblindet und krebskrank, aber immer noch elegant, immer noch „aufgebracht“ über korrupte, unfähige Regierungen (besonders die amerikanische) nicht mehr reisen und nicht mehr schreiben konnte, setzte sie ihrem Leben durch Einnahme einer Tablette ein Ende.
1929, mit 21 Jahren, verließ Martha Gellhorn ihr liberal eingestelltes deutsch-jüdisches Elternhaus in St. Louis (ihre Mutter Edna Fischel Gellhorn (1878-1970) war eine bekannte Frauenrechtlerin) und brach nach Europa auf, wo sie mit Artikeln über die neueste Pariser Mode, aber auch internationale Konferenzen ihren Lebensunterhalt verdiente. 1934 untersuchte sie im Auftrag einer US-Regierungskommission die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Großen Depression – ihre bedrückenden Berichte über eine von Unterernährung und Krankheiten gezeichnete Bevölkerung brachten ihr die lebenslange Freundschaft von Eleanor Roosevelt ein.
In Deutschland hatte sie gesehen, wozu die Nazis fähig waren, im Spanischen Bürgerkrieg stand sie auf Seiten der Internationalen Brigaden. 1937 schickte sie aus dem von Francos Truppen belagerten Madrid aufrüttelnde Reportagen an amerikanische Magazine wie Collier’s (10 Millionen LeserInnen) und The New Yorker und entwickelte damit ein neues Genre – eine Kriegsberichterstattung, in der es weniger um Truppenbewegungen als um die Leiden und den Mut der Zivilbevölkerung ging. Der besondere Gellhorn-Stil war geboren – eine Mischung aus detailgenauer Beobachtung, akribisch gesammelter Information und persönlicher Stellungnahme (Objektivität hielt sie für „Shit“). In fast allen internationalen Konflikten der folgenden Jahrzehnte war sie als offizielle Berichterstatterin dabei: kurz vor und während des 2. Weltkriegs in Finnland, Prag, Paris, London, 1944 bei der Invasion der Alliierten in der Normandie und der Befreiung Italiens, während des japanisch-chinesischen Krieges in China, seit 1947 viele Male in Israel, 1966 in Vietnam. Ihr schrecklichstes Erlebnis war ein Besuch in Dachau kurz nach der Befreiung – die Erinnerungen verfolgten sie jahrelang.
In ihrem Privatleben war Gellhorn so unstet wie in ihrem Reiseleben. Obwohl sie nie verstand, wie Frauen Sex mit Männern als etwas Vergnügliches empfinden könnten, hatte sie zahlreiche Affären und schloss zwei – unglückliche – Ehen. Die erste, mit Hemingway, 1940 auf dem Weg zum Weltruhm und bereits ein schwerer Trinker, endete nach vier Jahren im Desaster (nie wieder wollte sie seinen Namen hören), die zweite, mit dem englischen Journalisten Tom Matthews, langweilte sie schnell. Am liebsten war sie überhaupt allein, mit ihrer Arbeit und in der Natur (seit den 1970er Jahren besonders in Ostafrika). Ihr Leben lang rang sie darum, auch als Schriftstellerin anerkannt zu werden, doch ihre Romane und Kurzgeschichten erlangten selten die Qualität der journalistischen Arbeiten. Sehr empfehlenswert sind allerdings die Berichte über ihre „Schreckensreisen“ (dt. Reisen mit mir und ihm, 1990) – amüsante, selbstironische Zeugnisse ihrer unglaublichen Zähigkeit und Abenteuerlust.
Verfasserin: Andrea Schweers
Literatur & Quellen
Moorehead, Caroline. 2003. Martha Gellhorn: A Life. London. Vintage.
Gellhorn, Martha. 1990 (1978). Reisen mit mir und ihm. Aus dem Engl. von Herwart Rosemann. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. Reihe „Neue Frau“.
Gellhorn, Martha. 1988 (1980). Das Wetter in Afrika: Ein Roman in Novellen. Aus dem Engl. von Wolfgang Eisermann und Ilse Henckel. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. Reihe „Neue Frau“
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