(Mart(h)a Maria Emilie Schmitz [Geburtsname])
geboren am 16. Januar 1881 in Köln
gestorben am 27. Oktober 1965 in München
deutsche Graphikerin, Malerin und Stickkünstlerin
140. Geburtstag am 16. Januar 2021
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Marta Worringer schuf virtuose Bildnisse, meistens von ausgemergelten, verstummten Frauen mit riesenhaften Augen. »Frauen, die am Leben leiden« – so apostrophierte 1925 ein Kritiker ihr Lieblingssujet – wurden rasch zu Marta Worringers Markenzeichen. Nebenher arbeitete sie sich durch unzählige Techniken und Motive, stickte, malte, zeichnete und lithographierte sie. In der Weimarer Republik zählte Worringer zu den sichtbarsten KünstlerInnen des Rheinlandes. Ihre Geschäfte liefen phasenweise so gut, dass sie ihrem Mann, dem Kunsthistoriker Wilhelm Worringer, und ihren drei Töchtern ein finanziell einigermaßen konsolidiertes Leben bieten konnte. Dennoch ist sie heute nahezu vergessen.
»Aufgewachsen in diesem düstern Haus«: Köln und München
Marta Worringers tiefgründige, von unverwechselbarer Handschrift geprägte Bilderwelt galt erstrangig den Schattenseiten des Lebens und stand damit thematisch ganz auf der Höhe ihrer Zeit. Auf konkrete private, soziale oder politische Ereignisse spielte Worringer selten an. Gleichwohl machte sie nie einen Hehl daraus, dass sie es als »schwerste, grausamste Forderung« betrachtete, einfach nur »›leicht‹ und ›fröhlich‹« (sofern nicht anders vermerkt, alle nachfolgenden Worringer-Zitate aus: Grebing, 2004) zu sein. Verantwortlich für ihre oft schwermütige Stimmung, so Worringer, war ihre Kindheit. »Aufgewachsen« sei sie in einem »düstern Haus, in dem jede Freude ein Unrecht war«. Ihren Vater Emil Schmitz, einen angesehenen Rechtsanwalt, habe sie »abgöttisch« geliebt. Für ihre Mutter Else Schmitz (geb. Esser) aber habe sie nicht mehr als Mitleid entwickeln können. Lebenslang verfolgten sie die bedrückenden Erinnerungen an ihre Kindheit, die sie schlicht »Driesch-Geister« nannte – in Anlehnung an den Standort des pompösen elterlichen Wohnhauses am Kölner Gereonsdriesch.
Nach einem Pensionat-Aufenthalt in Belgien entschloss sich Marta Worringer, kaum 18 Jahre alt, Künstlerin zu werden. Da Frauen an den Kunstakademien ihrerzeit als personae non gratae galten, nahm sie ab 1899 Privatunterricht bei dem konservativen Düsseldorfer Akademieprofessor Willy Spatz. 1905 tat Worringer es [url=https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/kaethe-kollwitz]Käthe Kollwitz[/url] und [url=https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/gabriele-muenter]Gabriele Münter[/url] gleich: Sie immatrikulierte sich an der Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins. Außerdem besuchte sie, wie [url=https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/sophie-taeuber-arp]Sophie Taeuber-Arp[/url], das progressive, 1902 von Hermann Obrist und Wilhelm von Debschitz gegründete sog. »Lehr- und Versuchsatelier für angewandte und freie Kunst« (»Debschitz-Schule«). Worringer hüllte sich damals liebend gern in Reformkleider, bildete sich vielseitig fort, reiste durch die Lande und lebte in einer WG mit zwei – im Nachhinein – für das Rheinland kaum weniger bedeutenden Künstlerinnen, mit Emmy Worringer, der Schwester ihres späteren Gatten Wilhelm Worringer, und Olga Oppenheimer. Außerdem pflegte sie multiple profitable Kontakte, u.a. zur Dachauer Künstlerkolonie.
»...darüber klar werden, dass sie Gattin und Mutter ist«: Haupt- und Nebentätigkeiten
Weihnachten 1910, elf Jahre nach dem Startschuss zu ihrer künstlerischen Laufbahn, feierte Marta Worringer ihr Ausstellungsdebüt – im Berner Kunstmuseum. Nur ein Jahr später beteiligte sie sich am berühmten Pariser Herbstsalon. Ihre ausgestellte Arbeit, eine »Composition grotesque«, begeisterte einen Kritiker der angesehenen Zeitschrift CICERONE merklich. Verschollen ist sie heute leider trotzdem – wie alle anderen Worringers jener Tage: Die ältesten erhaltenen entstammen den Jahren 1918/19. Schon damals fertigte Marta Worringer erste Stickbilder, die sie u.a. auf der XV. Sonderausstellung »Handtextilarbeiten« der Kestner Gesellschaft in Hannover zeigte.
Dass Marta Worringer 29 Jahre alt werden musste, bevor sie ihr erstes Bild in die Öffentlichkeit trug, hatte einen triftigen, zeittypischen Grund: 1907 hatte sie den Kunsthistoriker Wilhelm Worringer (1881-1965) geheiratet und – streng geschlechtsrollenkonform – den Part der Haushaltsführung und Töchtererziehung (Brigitte [1908-1934] Renate [1911-1996] und Lucinde [1918-1998]) übernommen. Ihr neues Hausfrauenleben betrübte Marta Worringer sichtlich: »Die Stunden, die ich mir zur (künstlerischen, A.B.) Arbeit stehle, sind meine glücklichsten« (zit. n. Buchholz, 2009, S. 179).
Als es ihren Mann im Winter 1913/14 beruflich nach Berlin verschlug, nutzte sie sofort die Gunst der Stunde und besuchte allmorgendlich eine Malschule. Hier fühlte sie sich befreit, sah sie sich endlich wieder in ihrem Element – und zwar so sehr, dass Ehemann Wilhelm spottete, nach jeder absolvierten Unterrichtseinheit blicke sie ihre Töchter derart verstört an, dass sie sich wohl regelmäßig »mit einem seelischen Rippenstoß darüber klar werden« müsse, nebenher auch noch »Gattin und Mutter« zu sein.
»...ich weiß, ich bringe Dich ins Irrenhaus«: Höhen und Tiefen einer Ehe
Marta und Wilhelm Worringer pflegten eine komplikationsfreudige Beziehung. Kennengelernt hatten sie sich 1905 in München. Als sie zwei Jahre später, am 11. Mai 1907 in Köln vor den Traualtar traten, heirateten »ein Holzschnitt und ein Aquarell«, witzelte Wilhelm Worringer. Er sei das Aquarell. So gerne sich Wilhelm Worringer als grundfröhlicher Lebemann inszenierte – mangelndes Selbstvertrauen und massive Arbeitsblockaden waren ihm keinesfalls fremd. Im Gegenteil. Bis ins hohe Alter beneidete er seine Frau um deren scheinbar untilgbaren glühenden Arbeitseifer. Mitunter wechselten seine bohrenden Selbstzweifel mit blankem Hochmut, es herrschte dann eine, wie Marta Worringer es charakterisierte, »beinahe unheimliche (...) Stimmung von Ich-Besessenheit« und »Selbstvergottung«.
Dieser »Mann ohne Mitte«, wie ihn seine Biographin Helga Grebing titulierte, könne nicht mit Geld, Zeit und Raum umgehen, konterte Marta Worringer in malignen Phasen. Er müsse »heute eine ganz andere Frau haben, als ich es bin. Eine, die ganz Frau wäre, ganz Selbstaufgabe, (...) ganz willenloser Aufnahmeapparat. All das bin ich nicht, nicht für ihn«. Ihr Mann sei ein wahrer »Lebensdilettant«, fuhr sie andernorts fort – ausgezehrt von nächtelangen Streitereien um seine zahllosen Liebschaften, an denen er bis ins hohe Alter festhielt. Wilhelm Worringer war sich seiner Schattenseiten durchaus bewusst – und redete sie befremdlich schön: »...ich weiß, ich bringe Dich ins Irrenhaus; aber es ist ja auch etwas, von mir ruiniert zu werden«.
Auch Wilhelm Worringer litt – unter mancher Schwäche seiner Frau, insbesondere unter ihrer Schwermut und ihrem, seit Mitte der 1930er Jahre aufkeimenden »Linkskatholizismus«, den er als überzeugter Atheist zum »geistigen Ehebruch« stilisierte.
Zwischendrin taten sich Marta und Wilhelm Worringer erstaunlich gut – insbesondere beruflich. Lebenslang waren sie sich gegenseitig wichtige BeraterInnen: Kritisch lauschte Marta Worringer nahezu jeder Vorlesung ihres Mannes und zerlegte seine Texte bisweilen akribisch. Ohne seine Frau, mutmaßt Biographin Helga Grebing, hätte Worringer seine berühmte Dissertation niemals in Angriff nehmen können, und umgekehrt hätte sich Marta Worringer ohne ihren Mann, der ihre Tätigkeit als Malerin ausgesprochen ernst genommen haben soll, niemals getraut, ihre Bilder öffentlich zu zeigen.
»...von allen Seiten strömt es mir zu«: Zurück im Rheinland
Seit 1914 lebten die Worringers in Bonn, zuvor, von 1909 bis 1914, in Bern. Über Marta Worringers künstlerische Aktivitäten während des Ersten Weltkrieges ist wenig bekannt. Schon länger aber engagierte sie sich in progressiven, rheinländischen KünstlerInnen-Verbänden: U.a. in der Coelner Secession, im Kölner Gereonsclub und in der Bonner »Künstlervereinigung 1914«, wo sie neben der Malerin Hela Peters-Ebbeke (1885-1973) als einzige Künstlerin firmierte.
Nach 1918 pflegte sie vermehrt Kontakte zum Umfeld Johanna Eys, der rheinischen Moderne-Förderin schlechthin – und zum vielbeschworenen Düsseldorfer »Jungen Rheinland«, das sich die Ablehnung verstaubten Akademismus' auf die Fahnen schrieb und sich als geballter Gegenpol zum künstlerisch scheinbar übermächtigen Berlin formierte. Gezielt rebellierte das »Junge Rheinland« gegen die Wiedergeburt altbacken-rheinischer Cliquenwirtschaft nach 1918/19: Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatten – nach jahrzehntelangem Schmoren im eigenen traditionalistischen Saft – verheißungsvolle, progressive Ausstellungen, z.B. die »Sonderbundausstellung« (1912) und die »Deutsche Werkbundausstellung Cöln« (1914), frischen Wind in die Rheinmetropolen getragen. Nun aber drohte eine konservative Übermacht erneut jeden fortschrittlichen künstlerischen Ansatz im Keim zu ersticken.
Für Frauen waren die Ausstellungsbedingungen im Nachkriegs-Rheinland ungleich zermürbender als in der Hauptstadt: Bei den dargebotenen Werken der »Großen Kunstausstellungen« in Berlin war mitunter fast ein Drittel weiblicher Provenienz (vgl. Künstlerinnen international. 1877-1977. S. 123), bei den »Großen Kunstausstellungen« in Düsseldorf nicht einmal ein Zehntel (vgl. Rheinische Expressionistinnen. 1993, S. 30).
Dennoch schaffte es Marta Worringer, ihre eigenen Werke vielerorts unterzubringen, vor allem im Düsseldorfer Raum: Noch vor der vielbeachteten »1. Internationalen Kunstausstellung« im Düsseldorfer Kaufhaus Tietz (1922), war sie u.a. 1919 an der Ausstellung »Frauen« in der Düsseldorfer Galerie Albert Flechtheims zu sehen. Im Anschluss verkaufte Worringer zusehends mehr Gemälde. »Ich habe so lächerlich viel Geld in letzter Zeit verdient; von allen Seiten strömt es mir zu«, schwärmte sie schon 1922 ihrer damals besten Freundin vor, der Schauspielerin und Intendantin Louise Dumont (1862-1932).
Überhaupt trug Marta Worringer in jener Zeit maßgeblich zum Lebensunterhalt ihrer Familie bei. Die Dissertation ihres Mannes »Abstraktion und Einfühlung« (1907) wurde zwar mancherorts in eine Art Kultstatus hineingelobt und galt zahllosen expressionistischen KünstlerInnen als kunsttheoretische Legitimation ihres Wirkens. Auch hatte sich Wilhelm Worringer bereits 1909 mit seiner kaum minder gepriesenen Schrift »Formprobleme der Gotik« (1911) in Bern habilitiert. Auf einen Lehrstuhl als ordentlicher Professor aber sollte er noch bis zu seinem 47. Lebensjahr warten. Bis dahin schlug er sich als Referent, Autor, Dozent und außerordentlicher Professor durch – als »Wanderprediger«, wie Marta Worringer zu scherzen pflegte.
»...diese Augen, diese Hände«: Worringers Œuvre in der zeitgenössischen Kritik
Als die Worringers 1928 nach Königsberg (heute: Kaliningrad/Russland) zogen – Wilhelm Worringer hatte einen Ruf an die dortige Universität erhalten – verließ Marta Worringer das Rheinland nicht als »Frau an seiner Seite«, sondern als arrivierte Künstlerin: Nicht von ungefähr widmete ihr die Deutsche Reichszeitung anlässlich ihres Umzuges nach Ostpreußen eigens einen Artikel. Marta Worringers »übersteigert charakteristisch(e)« Zeichnungen, hieß es dort, zögen »den echten Kunstfreund (...) in ihren Bann« (zit. n. Rheinische Expressionistinnen. 1993, S. 141). »Kölner Graphik-Expressionismus von erschütternder Wirkung« hatte sich 1926 bereits die Kunstzeitschrift CICERONE vor ihr verneigt.
Es waren vor allem Worringers formelhafte Frauenportraits, anonymisierte, maskenhaft überdehnte, sprachlose Frauengesichter mit übergroßen, von schweren Lidern gerahmten Augen, die das zeitgenössische Publikum verzauberten: »Diese Augen, diese Hände, dieser sensitiv-nervöse Strich« (1925, zit. n. Worringer, 2001, S. 112). Worringers eigensinnige, scheinbar überzeitliche Hauptdarstellerinnen waren meistens mit nur wenigen Strichen zu Papier gebracht worden und rangen immerzu mit Trauer, Angst, Verlust und Verzweiflung. Mal als Einzelfigur, mal in Begleitung und dennoch isoliert.
Wenngleich sich Worringer durch eine große Zahl von Techniken und Motiven arbeitete, eine ganze Reihe wahrlich großartiger Selbstbildnisse schuf, viel Geld mit ihren, vom Ehegatten Wilhelm zur »Nadelmalerei« geadelten Stickbildern und mancher Buchillustration (u.a. Heinrich Kleists »Marquise von O.« 1920) verdiente, später, in den 1940/50er Jahren, Gefallen an Märchendarstellungen sowie mythologischen und alttestamentarischen Urszenen fand, bildeten seelisch malträtierte Frauen (seltener Männer) zweifelsfrei ihr konstantestes und prägnantestes Bildmotiv.
Angesichts ihrer unablässigen Auseinandersetzung mit Not, Trauer, Krieg und Armut sowie – gelegentlichen – Pietà-gleichen Mutter-Kind-Kompositionen wurde Worringer wiederholt mit der 14 Jahre älteren Käthe Kollwitz verglichen. Je ausgiebiger frau/man jedoch beider Œuvre fixiert, desto größer erscheinen die Unterschiede: Kollwitz' Figuren stehen stärker in der Tradition Francisco de Goyas, wirken ungleich bewegter, dramatischer, waren weder abstrahiert noch typisiert. Kurzum: Worringers skizzenhafte Werke sind erheblich stärker von der Graphik (Karikatur!) der 1920er Jahre beeinflusst.
»... dass Landschaft für mich ostpreußische Landschaft ist«: Königsberg
1929, mit 48 Jahren, bezog Marta Worringer endlich ihr erstes eigenes Atelier – an der Königsberger Kunstakademie. Erstmalig experimentierte sie hier mit »ganz große(n) Ölbilder(n)«, von denen leider kaum eines überliefert ist. Nach gewaltigen Akklimatisationsschwierigkeiten begeisterte sie sich zunehmend für die »östliche Luft«. Bis ins hohe Alter bekannte sie, dass »Landschaft für mich ostpreußische Landschaft ist«. Geradezu berauscht war sie von der Kurischen Nehrung, von Nidden (heute: Nida/Litauen). Wann immer möglich hielt sie sich dort auf, in unmittelbarer Nähe zu Thomas und [url=https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/katia-mann]Katia Manns[/url] berühmtem Ferienhaus.
Am 15. Mai 1934 endete Worringers frisch gewonnene Idylle abrupt: Tochter Brigitte starb, mit nicht einmal 26 Jahren. Als angehende Ärztin hatte sie sich bei einer kleinen Patientin mit Scharlach infiziert. Für Marta Worringer brach eine Welt zusammen. Lange Monate quälte sie sich durch eine Depression. Erst als sie erkannte, wie sehr ihre jüngste Tochter Lucinde unter der Situation litt, zwang sie sich ins Leben zurück, in ein Leben, das längst durch den Nationalsozialismus determiniert wurde.
Schon 1930 hatte sich Worringer vehement von der Entwicklung Königsbergs zu einer NSDAP-Hochburg distanziert: »Wir sind todtraurig über diese vergiftete Luft«. Dennoch harrt ihr Verhältnis zum NS-Regime abschließender Erforschung. So wirft u.a. eine Notiz vom 8. Mai 1933 Fragen auf: Sie befände sich in »krasseste(r) Opposition« zum Nationalsozialismus, betonte sie damals, und doch spricht sie von einigen »wenigen Punkten« der NS-Ideologie, die sich mit »meinem Wollen« decken würden, was sie extrem irritiere. Um welche Kongruenzen es sich handelte, wurde bislang eher spekulativ erörtert. Ob und in welcher Form sie zudem künstlerisch auf den Nationalsozialismus reagierte, scheint schwer recherchierbar: Ihr Werk aus jenen Tagen, schrieb sie 1948, sei in toto vernichtet, »kein Bild, keine Zeichnung, kein Skizzenbuch, kein Material«.
Dass ihr Mann Wilhelm, der seinen Königsberger Lehrstuhl während der NS-Zeit beibehielt, nach 1945 nicht bloß (unzutreffenderweise) als Kommunist bezeichnet, sondern gelegentlich auch als der »NS-Ideologie nahestehend« eingestuft wurde, überrascht in Anbetracht mancher sog. völker- und rassenpsychologischer Exkurse innerhalb seiner Dissertations- und Habilitationsschrift nicht. Allerdings sympathisierte er niemals offiziell mit dem NS-Regime und stellte seine publizistischen Aktivitäten zwischen 1933 und 1945 – offenbar gezielt – weitgehend ein.
»Tout à fait Stehaufmännchen«: Berlin, Halle/Saale, München
»Die Möglichkeiten des Untergangs« seien vielfältig, »welche ist uns vorbestimmt?« fragte Marta Worringer Anfang 1945. Wenige Monate zuvor, im August 1944, waren sie und ihr Mann nach Berlin geflohen. Es folgten viel Hunger und noch mehr Seelenverdruss. Am 1. Juli 1946, endlich, schienen alle materiellen Nöte beseitigt: Wilhelm Worringer, inzwischen 65 Jahre alt, wurde in Halle/Saale zum Direktor des Kunsthistorischen Institutes ernannt. »Tout à fait Stehaufmännchen« seien sie, bilanzierte er. Marta Worringer hatte schon Ende 1945 wieder begonnen, zu malen und Bilder auszustellen.
»In einer glücklichen Ehe kann immer nur einer glücklich sein«, lautete eine vielzitierte Devise im Hause Worringer. Während der letzten Lebensjahre schien das Glück eher auf Marta Worringers Seite: 1950 zogen sie nach München – Wilhelm Worringer sah sich in Halle parteipolitisch missbraucht. Das Arbeiten fiel ihm zunehmend schwer, er litt unter einer Trigeminus-Neuralgie, später dann unter einer Altersdepression.
Marta Worringer dagegen brachte noch manches Glanzstück zu Papier. Insbesondere ihre Selbstportraits zum 75. Geburtstag sind kleine brillante Meisterwerke. Parallel besann sie sich ihrer Lieblings-Sujets der 1920er Jahre und – immer und immer wieder – des Themas »Tod«, diesmal allerdings in Vorausahnung des eigenen Todes. Zwei Jahre bevor sie starb, schlug sie ihren ErbInnen vor, ihr künstlerisches Gesamtwerk zu vernichten. Schließlich hätten ihre Bilder längst ihren Zweck erfüllt, »durch die Freude, die ich während der Arbeiten empfand.« Erfreulicherweise schlugen ihr die Töchter diesen Wunsch aus: Allein das Bonner August Macke Haus besitzt heute rund 175 Worringers. Ein weiterer Teil befindet sich in öffentlichen Sammlungen und in Privatbesitz.
Verfasserin: Annette Bußmann
Zitate
»Aber ein Menschenleben reicht doch garnicht (sic!) aus, um bis ans Ende (der Malerei, A.B.) zu kommen.« (Marta, Worringer, um 1930, zit. n. Grebing, 2004, S. 119)
»Ich bin nie erstaunter, als wenn mich die Leute (in Gedanken an mein Alter) fragen: malen Sie auch jetzt noch? Erstaunt darum, weil ich mich trotz meiner 67 Jahre so ganz am Anfang des Eigentlichen fühle.« (Brief von Marta Worringer an Carola Giedion, 26.01.1948, zit. n. Grebing, 2004, S. 229)
»Was soll mit diesen meinen Zeichnungen nach meinem Tod geschehen? Ich schlage vor, sie alle zu vernichten. Ihren Zweck haben sie erfüllt durch die Freude, die ich während der Arbeiten empfand. Die war nämlich nicht gering.« (Schriftstück Marta Worringers vom 31.08.1963, zit. n. Worringer, 2001, S. 167)
Links
Orte der Utopie (2015). Online verfügbar unter http://ortederutopie.eu/website/#/, abgerufen am 13.08.2015.
artnet: Auktionsergebnisse von Marta Worringer. Online verfügbar unter http://www.artnet.de/k%C3%BCnstler/marta-worringer/auktionsresultate, abgerufen am 13.08.2015.
Bundesarchiv – Zentrale Datenbank Nachlässe: Worringer, Wilhelm; Worringer, Marta. Online verfügbar unter http://www.nachlassdatenbank.de/viewsingle.php?category=W&person_id=54214&asset_id=59731&sid=573a15be55cce98094b8c, abgerufen am 13.08.2015.
Deutsche Biographie: Worringer, Marta (verheiratete). Online verfügbar unter http://www.deutsche-biographie.de/sfz127009.html#indexcontent, abgerufen am 13.08.2015.
Deutsches Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum: Ergebnisliste Worringer, Marta. Online verfügbar unter http://dka.gnm.de/zeig_start.fau?prj=dka-ifaust&dm=dka&listex=gnd-nummern&zeig=123451647, abgerufen am 13.08.2015.
Deutsches Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum: Worringer, Marta. Online verfügbar unter http://gesichter-des-dka.gnm.de/content/mdc_person7eed, abgerufen am 13.08.2015.
Deutsches Literaturarchiv Marbach: Suchergebnis Worringer, Marta. Online verfügbar unter http://www.dla-marbach.de/index.php?id=51890&ADISDB=PE&WEB=JA&ADISOI=00137813, abgerufen am 13.08.2015.
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Laurien, Ingrid: Helga Grebing – Die Worringers. Rezension. In: Sehepunkte, Ausgabe 5 (2005), Nr. 12. Online verfügbar unter http://www.sehepunkte.de/2005/12/9706.html, abgerufen am 18.08.2015. WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6asYM4XAj.
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Weidle, Barbara (2001): Schmerz, Angst, Verlust. Rezension zur Marta Worringer-Ausstellung im Bonner August Macke Haus 2001. Online verfügbar unter http://www.ksta.de/kultur/schmerz—angst—verlust,15189520,14507218.html, abgerufen am 18.08.2015. WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6asXJglkG.
Wilbert, Jan (2008): August Macke und rheinische Expressionisten im August Macke Haus. Online verfügbar unter http://www.eifel-und-kunst.de/homepage/kulturtraeger/artikel/009_bonn_05.htm, abgerufen am 19.08.2015. WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6atw6x7gC.
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Literatur & Quellen
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