geboren am 23. Januar 1935 in Aachen
gestorben am 2. Mai 2019 in Konstanz
deutsche Schriftstellerin
90. Geburtstag am 23. Januar 2025
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Im nationalsozialistischen Deutschland geboren und während des Krieges aufgewachsen, wurde Marlene Stenten in den 1950er Jahren in Aachen erwachsen. Als zweite von drei Töchtern aus einer Familie, die ein Lebensmittelgeschäft führte, machte sie 1957 eine Ausbildung zur Buchhändlerin. Sie arbeitete in diesem Beruf und zog 1969 nach Berlin. Luchterhand publizierte 1971 ihren ersten Roman Grosser Gelbkopf, der vom homosexuellen Erwachen eines Volksschullehrers erzählt. Auch der folgende Erzählband Baby wurde von der Literaturkritik lobend aufgenommen. Noch standen Frauen nicht im Zentrum ihrer Werke. Marlene Stenten galt als Talent und erhielt literarische Stipendien.
Dies änderte sich abrupt, als sie ihren ersten Roman mit lesbischer Thematik vorlegte: Der Luchterhand-Verlag lehnte den Text ab. Eine solche Ablehnung erfuhr zur selben Zeit auch Johanna Moosdorf bei Suhrkamp, als sie nach zwei publizierten Romanen ein Manuskript zu lesbischer Liebe vorlegte.
Zu dieser Zeit waren die Zeitschriften und Romane der 1920er Jahre vergessen. Die Nationalsozialisten hatten die lesbische Subkultur zerschlagen und nach dem Krieg konnte daran nicht angeknüpft werden. Erst mit der neuen Frauenbewegung begannen sich lesbische Frauen zu organisieren. Ab Mitte der 1970er Jahre gründeten sie Verlage, Zeitschriften und Buchhandlungen, die politische und literarische Texte zugänglich machten und Raum für lesbische Perspektiven und Themen schufen.
Weil ihre Suche nach einem Verlag erfolglos blieb, publizierte Marlene Stenten ab 1977 in dem von Irmgard Dalinghaus gegründeten Sudelbuchverlag den Roman Puppe Else und die Erzählungsbände Die Brünne und Salomé 89. Ende der 1980er Jahre gab der eco-Verlag in Zürich den Roman Albina und die Erzählungen Hallo Mäuschen! heraus.
Zwischen 1977 und 1991 erschienen diese Texte, in denen Marlene Stenten “funkelnd ironisch bis liebevoll spöttisch” (Berliner Lesbenpresse) von lesbischen Lebensweisen erzählt. Sie selber befand sich in den Lebensjahren zwischen 42 und 56 Jahren, hatte Kontakte zu Frauen im Umfeld von Frauenbewegung und Universität. 1979 war Marlene Stenten zu ihrer Freundin an den Bodensee gezogen. Von da aus gab es Lesungen und Beziehungen in die Schweiz. Die Szenerie ist immer wieder an Orten angesiedelt, an denen sich Feministinnen begegnen und einige der Texte erscheinen zuerst in der Schweizer Lesbenzeitschrift Frau Ohne Herz.
Vom Beginn der Liebe bis zur Trennung berichtet die Ich-Erzählerin in Albina. Fasziniert von der kreativen Schaffenskraft ihrer erfolgreichen Freundin, der Intelligenz und der Bildung ihrer Geliebten fühlt sich die Ich-Erzählerin immer wieder auch bedroht. Sie hat Angst, keinen Raum, keine Zeit und keine Ruhe mehr für ihr eigenes Schreiben und ihre eigenen Gedanken zu finden. Sie befürchtet, ihre Kreativität zu verlieren und verschanzt sich zuweilen hinter der Maske eines Kindes, spielt Streiche, schreibt in Reimen und Wortspielen. Ihren Figuren wie sich selbst tritt die Ich-Erzählerin schonungslos gegenüber, beobachtet genau und schildert die Verletzlichkeiten, wobei der Humor manchmal auch zu beissender Kritik wird: „Ich blecke die Wolfszähne. Ich reisse den Wolfsrachen auf.”
In den letzten Jahren habe ich Marlene Stenten mehrmals in ihrer Wohnung in Konstanz besucht und auf dem Balkon mit Blick bis in die Alpen über Literatur und Leben geredet. Sie liest intensiv und schreibt, weil dies zu ihrem Leben gehört. Publiziert wurde nichts mehr, die Zeitschrift Frau Ohne Herz gibt es nicht mehr, in der edition8 (als Nachfolge des eco-Verlags) sind noch lieferbar: Albina, Hallo Mäuschen und Grosser Gelbkopf. Vielleicht kommt es demnächst zu Neuauflagen im Fischer-Taschenbuch.
An einem Fest hat sie 2007 den beigefügten Text vorgetragen, der mit diesem Satz endet: „Ich bleibe so, daß ich immer suche, die Gemeinschaft, die Gruppe - und ich gehe erst, wenn mir nichts anderes übrig bleibt.“
Fotos: Sabine Rock und Gabrielle Pfaff
Verfasserin: Madeleine Marti
Marlene Stenten: Vorgeburtliche Erfahrung
Luise F. Pusch: Marlene Stentens "Großer Gelbkopf" als Parabel der schwulen Existenz
Links
Literatur & Quellen
Werke
Großer Gelbkopf. Neuwied 1971
Baby. Darmstadt 1974
Puppe Else. Berlin 1978
Die Brünne. Berlin 1981
Salome 89. Berlin 1983
Albina. Zürich 1986
Hallo Mäuschen! Zürich 1991
Bildquellen
- Marlene Stenten und Madeleine Marti, Zürich 2007 (Foto von Sabine Rock)
- Marlene Stenten, auf der Fähre über den Bodensee 2013 (Foto von Gabrielle Pfaff)
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