Biographien Marion Gräfin Dönhoff
geboren am 2. Dezember 1909 in Friedrichstein / Ostpreußen
gestorben am 11. März 2002 auf Schloß Crottorf im Siegerland
deutsche Journalistin; Chefredakteurin und Herausgeberin der Zeit, »public intellectual«
115. Geburtstag am 2. Dezember 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Den Leoparden in Kenia erlegte die 21jährige eher zufällig. Nach 1945 aber ging sie nicht mehr zur Jagd: ” - ich könnte auf kein Tier mehr schießen.” So wie sie auch nach ihrer spektakulären Flucht auf ihrem Fuchs Alarich von Ostpreußen nach Westfalen (1945) nie wieder ein Pferd bestieg. Stattdessen später in ihrem zweiten Leben in Hamburg – als Redakteurin/Chefredakteurin/Herausgeberin der “Zeit” - ihr legendärer Porsche, mit dem sie noch in hohem Alter über die Elbchaussee raste. Ihren Führerschein gab sie zu ihrem 90. Geburtstag ab.
Marion Dönhoff, eine Überlebende. Mit vierzehn Jahren überlebte sie einen Sturz mit dem Auto in den zehn Meter tiefen Fluß Pregel. Zwei Freunde starben. “Ich war die letzte, die lebend herauskam - nach etwa fünf Minuten…”
Marion Dönhoff studierte Volkswirtschaft in Frankfurt am Main und - nach 1933 - in Basel. Sie promovierte (summa cum laude) mit einer Untersuchung über Erwerb und Bewirtschaftung des Grundbesitzes ihrer Familie in Ostpreußen. 1935 kehrte sie, trotz Hitlerdiktatur, aus der Schweiz nach Ostpreußen zurück, um die Familiengüter Friedrichstein und Quittainen zu verwalten. Sie wußte, was Hitler für Deutschland bedeutete. Im September 1941, der Krieg gegen Rußland hatte begonnen, unternahm sie mit ihrer Cousine Sissi Lehndorf einen “Ritt durch Masuren” – so der Titel ihres Reiseberichts, in dem sie der Heimat ein Denkmal setzt: : “... das Fallen der Blätter, die blaue Ferne, der Glanz der herbstlichen Sonne über den abgeernteten Feldern, das ist vielleicht das eigentliche Leben.”
Marion Dönhoff gehörte zum Kreis des Widerstandes vom 20. Juli 1944. Da ihr Name auf keiner Liste stand, überlebte sie. In dem Buch Um der Ehre willen (1994) gedachte sie der verlorenen Freunde.
Für die Bundesrepublik wurde Marion Dönhoff, (Spitzname “die Gräfin”) eine der wichtigsten “public intellectuals”, die in sich Tradition und Neuanfang vereinte. Preußische Tugenden wie Toleranz und Loyalität verbanden sich bei ihr mit Weltoffenheit und Liberalität.
Sie hatte Freunde in aller Welt: Michail Gorbatschow, George F. Kennan, Henry Kissinger, Lew Kopelew, Nelson Mandela und viele andere. Auf Fotos ist sie oft die einzige Frau unter Männern, die ihre Freunde sind: ihre “Buben” Theo Sommer und Haug von Kuenheim von der “Zeit”, Rudolf Augstein, Theodor Eschenburg, Helmut Schmidt, Fritz Stern, Richard von Weizsäcker…
Mit Willy Brandt verband sie tiefes gegenseitiges Verständnis. Schon früh forderte Marion Dönhoff den Verzicht auf die Ostgebiete; 1970 gehörte sie zur Delegation Willy Brandts zur Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages in Warschau. Er verstand es, als sie kurzfristig diese Reise absagte: “... ein Glas auf den Abschluß des Vertrages zu trinken, das erschien mir plötzlich mehr, als man ertragen kann.” 1988 gründete Marion Dönhoff eine Stiftung für Völkerverständigung, in die sämtliche Honorare ihrer Bücher fließen.
Aber Marion Dönhoff hatte nicht nur Freunde: Fritz J. Raddatz findet in seinen Erinnerungen Unruhestifter bittere Worte für sie, die in dem Vorwurf gipfeln: “Gräfin Dönhoff, höchstbezahlte ZEIT-Herausgeberin, spendete für die von mir initiierte 'Rettet Auschwitz'-Sammlung hundert Mark.” Marcel Reich-Ranicki erwähnt Marion Dönhoff in seiner Autobiographie Mein Leben mit keinem Wort.
1992 wurde in Kaliningrad (früher Königsberg) das von Marion Dönhoff gestiftete Kant-Denkmal enthüllt: “Das einzige, was ich in meinem Leben als wesentliche Tat ansehe, ist die Wiederbeschaffung des Kant-Denkmals für Königsberg.”
Marion Dönhoff starb mit 92 Jahren im Kreis ihrer Familie.
Verfasserin: Birgit E. Rühe-Freist
Zitate
Es war sehr kalt, minus 20 Grad. Die Straßen waren eisig glatt, die Wagen stellten sich immer quer. Wir haben bis zu dem Kreisstädchen, das Preussisch-Holland hieß, über sieben Stunden gebraucht, wo wir sonst nur eine oder maximal eineinhalb Stunden brauchten. Als wir da waren, bin ich dann in die Nazibude gegangen und wollte hören, was nun anliege, denn die haben immer gesagt, keiner brauche sich Sorgen zu machen. Aber da war natürlich kein Mensch mehr, die waren alle geflüchtet. Es wehte nur noch verbranntes Papier im Wind. ... Ich hatte mein Pferd und dann bin ich mit ihm losgeritten, sieben Wochen lang bis in die Gegend von Detmold. Abenteuer gab es keine zu bestehen. Aber unheimlich mühselig war es, traurig und wie aus einer riesigen Fleischmaschine waren die Straßen schwarz mit Menschen und Pferden und Treckern. An den Rändern lagen Tote. Die konnte man ja nicht begraben, es war eisig gefroren und man musste schnell machen.
(Marion Dönhoff über ihre Flucht aus Ostpreußen)
Links
- Dönhoffs Kommentar zur Jenninger-Rede 1988
- Reden zur Verleihung des Friedenspreises des Dt. Buchhandels an Dönhoff (1971)
- “Um der Ehre willen: Erinnerungen an die Freunde vom 20. Juli” - Rezension
- Dönhoffs Bildband “Reisebilder” - Rezension
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Literatur & Quellen
Dönhoff, Friedrich. 2002. “Die Welt ist so, wie man sie sieht”. Erinnerungen an Marion Dönhoff. Hamburg. Hoffmann und Campe.
Dönhoff, Marion. 1979. Namen, die keiner mehr nennt. München. Deutscher Taschenbuchverlag.
Dönhoff, Marion. 1988. Kindheit in Ostpreußen. Berlin. Wolf Jobst Siedler.
Kuenheim von, Haug. 2003. Marion Dönhoff. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt.
Schwarzer, Alice. 2002. Marion Dönhoff. Ein widerständiges Leben. München. Knaur.
Raddatz, Fritz J. 2003. Unruhestifter. München. Propyläen.
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