geb. am 16. Januar 1934 in Bradford, PA
US-amerikanische Opern- und Konzertsängerin
90. Geburtstag am 16. Januar 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
„Sometimes my life isn’t grand opera, it’s soap opera“, stellte Horne fest zu einer Zeit, als sie Karriere, Scheidung, Mutterschaft und eine neue Beziehung unter einen Hut bringen musste. Dabei halfen ihr neben ihrem Humor auch eine schier unerschöpfliche Vitalität, ausgeprägte Selbstachtung, hohe Konzentrationsfähigkeit und natürlich ihre grandiose Stimme. Ihr Vater förderte sie von Jugend auf; er war nebenberuflich ein talentierter Tenor. Besonderen Wert legte er auf ihre behutsame Stimmentwicklung. Sie besuchte die Polytechnic High School und bekam danach ein Stipendium der University of Southern California, wo sie Gesang studierte. Sie hielt sich für einen Sopran, bis sie bei einem Probesingen eine Szene aus Rossinis „La Cenerentola“ singen musste und dabei ihr Stimmfach Mezzosopran entdeckte.
In mehreren Meisterklassen bildete sie ihre Stimme weiter aus, u.a. bei Lotte Lehmann, deren strenge Kühle ihr zu schaffen machte. Nach ihrem Début als Agnes in „Die verkaufte Braut“ bot man ihr an, Dorothy Dandridge in dem Film „Carmen Jones“ ihre Stimme zu leihen. Dass sie danach die Aufnahmerechte für lumpige 250 $ verkaufte, hat sie lange gefuchst. Zu jener Zeit lernte sie auch ihren späteren Ehemann näher kennen, den farbigen Dirigenten Henry Lewis. Aufgrund seiner Militärdienst-Verpflichtungen und ihrer Karriere-Entwicklung gingen sie jedoch noch jahrelang unterschiedliche Wege. Horne hatte sich zu einem mehrjährigen Europa-Aufenthalt entschlossen, wenngleich ihr Vater ihr abgeraten und sie sich in seiner Fürsorge für ihren Werdegang stets geborgen gefühlt hatte. Es war eine psychische Abnabelung und – weil ihr Vater kurz vor ihrer Abreise an Leukämie starb – auch eine trauervolle physische Trennung. „Mom gab mir Stärke“, schreibt sie in ihrer Autobiographie, „ich glaube von ihr habe ich mein Rückgrat geerbt und von Dad meinen Mut.“
Ihr Leben war aber auch reich an Förderung durch einflussreiche Freunde; zum Beispiel verband sie mit Igor Stravinsky, der ihr sein letztes Werk widmete, eine langjährige Freundschaft. Seit dem Tod ihres Vaters hatte sie sich mit Essen zu trösten versucht und stark zugenommen. Daran wäre ein Engagement an der Gelsenkirchener Oper fast gescheitert, weil der Agent sie zu dick fand. „Abwarten und hören“, war ihre mutige Erwiderung auf seine Taktlosigkeit; sie sang vor und wurde engagiert. Die Zeit in Gelsenkirchen bezeichnet Horne als ihre Galeeren-Jahre. Die russhaltige Luft des Ruhrgebiets setzte ihrer Stimme hart zu. Doch diese Jahre waren das Sprungbrett für ihre große Karriere. Sie sang u.a. die Mimi in „La Bohème“, Tatjana in „Eugen Onegin“ und die extrem schwierige Rolle der Marie in „Wozzek“, mit der sie nach ihrer Rückkehr in die USA in San Francisco debütierte. Kurz zuvor hatte sie Henry Lewis geheiratet, ein Schritt, von dem Familie und Freunde dringend abgeraten hatten. „Wenn du Henry heiratest, bist du erledigt in Amerika… “
Allen Unkenrufen zum Trotz entwickelte sich beider Karriere positiv, und die Geburt ihrer Tochter Angela bezeíchnet Horne als wichtigsten Augenblick in ihrem Leben. Mutter zu sein war allerdings schwierig in ihrem Beruf, für sie wie für das Kind. Schuldgefühle blieben nicht aus, aber Hornes Selbstachtung ermöglichte ihr die Feststellung: „Eins ist sicher: Ich habe mein Bestes getan.“ Sie sammelte Erfahrungen auf allen wichtigen Bühnen Amerikas, ebenso in Covent Garden und an der Mailänder Scala. Doch ihr Ziel war natürlich die „Met“. Dennoch lehnte sie mehrfach Angebote des Intendanten Bing ab. Die „Met“ könne nicht anfragen und erwarten, dass sie sofort springe. Sie wartete geduldig auf die „richtige“ Oper, Produktion und Besetzung für ihr dortiges Debüt, und erst, als ihr für „Norma“ die Rolle der Adalgisa neben Joan Sutherland angeboten wurde, sagte sie zu. Seit 1961 hatten beide schon mehrfach zusammen Triumphe gefeiert und bildeten „das bedeutendste Frauenstimmen-Duo des 20. Jahrhunderts“. Der Dirigent Richard Bonynge, Sutherlands Ehemann, hatte Hornes grandiose Begabung für die Belcanto-Oper erkannt und ihre konsequente Entwicklung zu dem seltenen Stimmcharakter des Koloratur-Mezzosoprans sehr gefördert. Mit ihm und seiner Frau verband Horne eine intensive Freundschaft. Wer je die große kräftige Sutherland und die kleine füllige Horne nebeneinander auf der Bühne gesehen und gehört hat, wird dieses beglückende und faszinierende Erlebnis nicht vergessen können und bedauern, daß Horne im Jahre 2000 mit 66 Jahren in der Carnegie Hall ihren letzten Auftritt hatte.
Verfasserin: Mechthild Winkler-Jordan
Literatur & Quellen
Ames, Joan Evelyn. 1997. Mastery: Interviews with 30 Remarkable People. Portland, OR. Rudra.
Horne, Marilyn (mit Jane Scovell). 1983. Marilyn Horne: My Life. New York. Athenaeum.
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