Biographien Maria von Gneisenau
(Maria Anna Auguste Elisabeth von Bonin [Geburtsname] (auch Mary oder Marie genannt) ; Maria Gräfin Neidhardt von Gneisenau [1. Ehe] ; Maria Baronin von Manteuffel-Szoege [2. Ehe])
geboren am 11. Oktober 1873 in Mettmann/Elberfeld
gestorben am 10. August 1926 in Berlin
deutsche Schriftstellerin und Mäzenin
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Maria Anna Auguste Elisabeth von Bonin, auch Mary oder Marie genannt, wurde am 11. Oktober 1873 in Mettmann/Elberfeld geboren. Sie wuchs in Berlin und Brettin auf.
Äußerst standesbewusst und voller Erwartungen schickte sie sich in die ihr vorgesehene Rolle als (schöne und repräsentative) Ehefrau und Mutter: Die Hochzeit 1892 mit Hugo Gustav Georg Friedrich-August Neidhardt von Gneisenau, einem Urenkel des berühmten Generalfeldmarschalls, war nicht nur ein gesellschaftliches Ereignis am Berliner Hof. Sie machte aus der jungen Dame auch »Frau Gräfin«. Als sie dann noch zwei Söhne geboren hatte, schien das Familienbild perfekt. Doch nach dem Umzug 1901 von Potsdam auf das abgelegene Gneisenausche Anwesen Sommerschenburg wurde schnell klar, dass die Eheleute (zu) verschieden waren. 1905 wurde die Ehe geschieden, und 1906 bezog die Gräfin eine Stadtwohnung in Berlin-Charlottenburg.
Noch in Sommerschenburg hatte sie begonnen zu schreiben. Sie suchte zudem den Kontakt zu der Schriftstellerin Sophie Hoechstetter (1873-1943), mit der sie bis ca. 1908/10 eine enge Beziehung unterhielt. Allerdings sah Maria von Gneisenau in Hoechstetter und ihren Werken vermutlich weniger ein konkretes Vorbild für ihre eigenen literarischen Versuche. Stattdessen interessierte sie sich wohl – und vielleicht einmal mehr vor dem Hintergrund ihrer gescheiterten Ehe – für Hoechstetters pseudoanalytische, durchaus psychologisierende »Beziehungs-Tableaux« im Hinblick auf darin verhandelte (neue) Geschlechteridentitäten und -verhältnisse. Zudem erinnert die Beziehung der Gräfin mit Hoechstetter an jene von Vita Sackville-West und Virginia Woolf.
Über diese und weitere Verbindungen zu Künstlern, der Boheme und Demimonde schien sich Gneisenau ausprobieren und inszenieren zu wollen. Diesen Eindruck hatte auch Harry Graf Kessler gewonnen und in seinem Tagebuch festgehalten, nachdem er der Gräfin schon 1900 im Berliner Haus ihres Halbbruders Karl von der Heydt begegnet war. Im Sommer 1906 lernte Maria von Gneisenau über von der Heydt auch Rainer Maria Rilke kennen. Dessen Werk beeindruckte und beeinflusste sie hinsichtlich ihrer eigenen Lyrik sehr. Ihr Briefwechsel mit dem Dichter gibt zudem Auskunft über das damalige Verhältnis von Mann und Frau. Er beleuchtet auch das Rollenbild des Künstlers wie das der Frau von Stand und somit die unterschiedlichen (bürgerlichen und aristokratischen) Auffassungen von Kunst und Leben. Sowohl Gneisenau als auch Rilke nutzten verschiedene Kunstformen zur Selbstinszenierung und -stilisierung.
1908 publizierte Maria von Gneisenau ihren ersten (Vers-) Roman Aus dem Tal der Sehnsucht, mit welchem sie vor allem ihr Gefühl des »Unerfülltseins« thematisierte, das durchaus auch ein sexuelles meinte. In den folgenden Jahren, die sie u.a. in Dornburg/Saale in der »Frauenkolonie« um Sophie und Frieda von Bülow verbrachte, entstand die Erzählung Die Wiederkunft, in der sie uneheliche Mutterschaft verhandelte. 1911 erschienen in einem Band die Erzählungen Die letzte Aventiure des Herzogs Kindheart Gant und Requiem. Mit dem erstgenannten Text, welcher die posthum publizierte Novelle Der Tod des Adrian Güldenkrone vorwegzunehmen scheint, thematisiert sie sehr wahrscheinlich und lyrisch verbrämt ihre gescheiterte Ehe mit Neidhardt von Gneisenau.
1909 ist Maria von Gneisenau als Mitglied des Berliner Lyceum-Clubs verzeichnet, der sich als sozial engagierter Verband von und für Frauen besonders der Unterstützung von Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen widmete. Im selben Jahr erwarb sie Schloss Molsdorf. Sie betrieb den Umbau des Anwesens als künstlerisches Projekt, das ihr neben der Literatur half, ihre Sinn- und Lebenskrise zu überwinden. Davon künden vor allem zwei einmalige Wohnräume, mit deren Entwurf und Ausführung die Gräfin 1909 Paul Schultze-Naumburg und die Saalecker Werkstätten beauftragte: ein kostbar ausgestattetes Marmorbad und ein fantastisch dekorierter Ruheraum, der mit einem Aquarium vor dem hohen Fenster weniger an eine Grotte als an den Meeresgrund erinnert. 1914 ließ Gneisenau ferner den Pavillon im Schlossgarten zur Automobilgarage umbauen und übertrug das an sich schon bemerkenswerte Vorhaben noch dazu einer Frau: Emilie Winkelmann gilt als erste freie deutsche Architektin überhaupt.
In Molsdorf verfasste Gneisenau auch ihre wohl eigenständigste und originellste Erzählung Halbdunkle Reflexionen: Der nicht ganz stringente Text erscheint leicht kafkaesk und ist dem Unbewussten gewidmet.
1918 heiratete die Gräfin Georg Baron von Manteuffel-Szoege. Sie verkaufte Molsdorf 1923 und verbrachte von nun an die Sommersaison auf den Gütern ihres Ehemannes in Polen. Am 10. August 1926 starb Maria von Gneisenau nach schwerer Krankheit in Berlin. Sie ist im Familiengrab derer von Manteuffel-Szoege in Pappenheim beigesetzt.
Die Biografie der Gräfin hat gewiss »dramatische Qualitäten«, erscheint aber im Grunde wie das Leben vieler adliger Damen der Zeit. Maria von Gneisenau kokettierte und haderte ihr Leben lang mit dem Gefühl des »Unerfülltseins«, was sich auch in ihren schriftstellerischen Werken zeigt. Sie gehörte jener Generation und jenem Typus von Frauen an, die das tradierte aristokratische Rollenbild noch lebten und durchaus für sich beanspruchten. Andererseits spürte und erhoffte sie Veränderungen, wenn auch eher vage und unentschieden. Größere »Erfüllung« hätte jedoch auch größere, d.h. aktivere, (Eigen-) Verantwortlichkeit bedeutet, wobei weniger die finanzielle Situation als vermutlich eine mangelnde Selbstbestimmtheit und -gerichtetheit in Kombination mit einem ausgeprägten Elitebewusstsein das eigentliche Problem der Gräfin war. Maria von Gneisenau wollte und konnte sich wohl nicht aus den herkömmlichen gesellschaftlichen Mustern und Verstrickungen lösen. Außer dem Standesethos blieb sie auch in der Kunst einem konservativ-traditionellen Ideal verbunden.
Dennoch stellt der Lebensentwurf der Gräfin – insbesondere als der einer Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts – den Modernitätsbegriff seiner allgemein üblichen Bedeutung nach in Frage. Gneisenau gefiel und probierte sich nicht nur als Femme fatale mit einem Faible für die Demimonde. Sie lebte auch und insbesondere in jenen Jahren als »gestaltende Schlossherrin« nach ihren eigenen Vorstellungen und noch dazu vorübergehend ganz frei von einem »Herren«.
Verfasserin: Silke Opitz
Links
Zwei Räume für sich allein - Schloss-Molsdorf.
Online verfügbar unter http://www.zweiraeumeschlossmolsdorf.de/#wissenswertes, abgerufen am 16.08.2017.
Erfurt.de (2016): Zwei Räume für sich allein – Maria von Gneisenau und Schloss Molsdorf. Artikel zur Ausstellungsreihe.
Online verfügbar unter http://www.erfurt.de/ef/de/erleben/veranstaltungen/ast/2016/124090.html, abgerufen am 16.08.2017.
WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6slObFHQh.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Gneisenau, Maria von. Deutsche Nationalbibliothek.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/126421072, abgerufen am 16.08.2017.
Peter, Bernhard (2016): Heraldik: Photos von Wappen in architektonischem Zusammenhang, Dokumentation und Datenbank. Schloß Molsdorf.
Online verfügbar unter http://www.dr-bernhard-peter.de/Heraldik/aktuell/galerien3/galerie2378.htm, abgerufen am 16.08.2017.
WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6slP5WrSj.
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Literatur & Quellen
Gneisenau, Maria Gräfin von (1907): Aus dem Tal der Sehnsucht. Berlin, Berlin. J. Bard.
(WorldCat-Suche)
Gneisenau, Maria von (1928): Der Tod des Adrian Güldenkrone. Gedichte ; Requiem. Mit einem Vorwort von Sophie Hoechstetter. Weimar. Lichtenstein.
(Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Neidhardt von Gneisenau, Maria von Bonin gräfin (1911): Requiem. Die letzte aventiure des herzogs Kindheart Gant. Berlin. Bard.
(WorldCat-Suche)
Opitz, Silke und Landeshauptstadt Erfurt (Hg.) (2016): Zwei Räume für sich allein. Maria von Gneisenau und Schloss Molsdorf. Übersetzungen: Jennifer Taylor (Deutsch - Englisch), Ton Haak (Niederländisch - Englisch). Berlin. Revolver Publishing. ISBN 978-3-95763-354-5.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wiehle, Martin und Tullner, Mathias (Hg.) (1999): Altmark-Persönlichkeiten. Biografisches Lexikon der Altmark, des Elbe-Havel-Landes und des Jerichower Landes. Oschersleben. Ziethen. (Beiträge zur Kulturgeschichte der Altmark und ihrer Randgebiete, 5) ISBN 3-932090-61-6.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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