geboren in Oberkirch, Mittelbaden (Geburtsdatum unbekannt)
gestorben am 2. Oktober 1501/02 in Kirchheim unter Teck
deutsche Dominikanerin und Chronistin
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Geboren wurde Magdalena Kremer als Tochter des Stadtschreibers von Oberkirch. Ihr Geburtsdatum ist nicht bekannt. Im Jahr 1468 lebte sie bereits im Dominikanerinnenkloster Silo in Schlettstadt (heute: Seléstat), in das sie wahrscheinlich schon, wie damals üblich, mit 13 oder 14 Jahren eingetreten war. 1478 wurde sie mit einigen weiteren Schwestern ausgewählt, um das Dominikanerinnenkloster in Kirchheim unter Teck im Sinne der Observanz zu reformieren.
Im ausgehenden Mittelalter hatten sich viele Klöster von den Idealen ihrer Gründer entfernt. Die am Ende des 14. Jahrhunderts von Italien ausgegangene Reformbewegung zog weite Kreise und erreichte um die Mitte des 15. Jahrhunderts das heutige Südwestdeutschland. Den Ordensreformern - die Vordenker der Erneuerungsbewegung waren Kirchenmänner - ging es um die Wiederherstellung und Beachtung (d.h. Observanz) der alten Ordensregeln: Keuschheit und Gehorsam, den vollständigen Verzicht auf persönlichen Besitz, die Einhaltung der Gebets-, Fasten- und Schweigezeiten. Und strenge Klausur. Das Frömmigkeitsideal der observanten Schwestern hieß: für die Welt zu sterben und allein für Gott zu leben. Nicht alle Konvente waren für diesen heiligen Ernst zu haben, denn er bedeutete nicht nur die Abschottung von der Außenwelt, sondern auch die Loslösung von verwandtschaftlichen und Familienbeziehungen. Die Reform eines Konvents ging daher mitunter sehr konfliktgeladen vor sich oder scheiterte ganz.
1476 bat der württembergische Graf Ulrich V. die Ordensleitung der Dominikaner, Schwestern aus dem observanten Kloster Silo nach Kirchheim zu schicken, um dort den Geist der neuen Frömmigkeit einzupflanzen. Eine Klosterreform ging üblicherweise so vonstatten: Ein bereits reformierter Konvent ordnete einige bewährte Nonnen ab, um in dem zu reformierenden Kloster die alte Führung abzulösen und die Schlüsselpositionen zu übernehmen. Zur neuen Küsterin, Novizenmeisterin, Obersängerin und Texturschreiberin wurde Magdalena Kremer bestimmt. Aus ihrer Feder stammt höchstwahrscheinlich die 1490 entstandene, in elsässischem Dialekt abgefasste Kirchheimer Chronik, die von einem dramatischen Wendepunkt in der Geschichte des Klosters und des Landes Württemberg erzählt. Die Chronik weist ihre Autorin als hochgebildet aus: lateinkundig, theologisch versiert, bibelfest, glaubensstark und wohlinformiert über die Vorgänge innerhalb ihres Ordens.
Die Reform des Kirchheimer Klosters schien zu gelingen. In den folgenden Jahren traten 22 Frauen, vor allem aus dem Bürgertum in das bis dahin von Adligen dominierte Kloster ein. Nach zehn Jahren jedoch sahen die Reformgegnerinnen, die sich lange bedeckt gehalten hatten, ihre Chance, wobei ihnen die politischen Verhältnisse der Grafschaft Württemberg in die Hände spielten. Die Grafschaft war damals geteilt: Über Württemberg-Urach herrschte Eberhard V., bekannt als „Eberhard im Bart“, ein fähiger, macht- und verantwortungsbewusster Herrscher, der seinem jüngeren Vetter Eberhard VI. von Württemberg-Stuttgart den größten Teil seiner Ländereien bereits gegen eine Abfindung abgehandelt hatte. Denn der jüngere Eberhard lebte auf großem Fuß, hatte Schulden und litt unter ständiger Geldnot. Zu seinem verbliebenen Herrschaftsbereich gehörte die Stadt Kirchheim und mit ihr das Kloster. Als dessen Schirmherr standen ihm Dienstbarkeiten von Seiten des Klosters zu (so etwa das Recht auf Unterbringung seines Gefolges bei Jagdausflügen, das Recht auf Hundehaltung und Transportdienste), die er so exzessiv nutzte, dass den Nonnen die Belastung zu groß wurde und sie energisch dagegen protestierten. Was den jüngeren Eberhard heftig gegen das neue, fromme Regiment des Klosters aufbrachte.
Jetzt sahen die Reformgegnerinnen ihre Stunde gekommen: Sie behaupteten, die Reformschwestern hätten dem Kloster Geldwerte und Silbergeschirr entzogen, worauf Eberhard eine Rechnungslegung forderte und verlangte, dass die Reformerinnen das Kloster zu verlassen hätten. Die weigerten sich. Mit drei Hungerblockaden in den Jahren 1487 und 88 versuchte Eberhard das Kloster in die Knie zu zwingen. Der Bischof von Konstanz drohte dem Grafen und der Stadt Kirchheim den Kirchenbann an, d.h. den Ausschluss von allen zum Seelenheil nötigen Sakramenten. Unter dem Eindruck dieser Drohung kam es zu einem Kompromiss, der aber nicht lange hielt. Wieder ließ Eberhard das Kloster abriegeln, wieder fehlte es den Schwestern an Nahrung und Holz zum Heizen.
Der Konflikt eskalierte, als der Bischof von Konstanz seine Drohung wahr machte. Außerdem wurden zwei junge Novizinnen beim Versuch, Schweine vom Klosterhof ins Kloster zu treiben, gefangengenommen. Nun setzten die Schwestern eine Bittschrift an die christlichen Fürsten, Ritter und Adligen auf, in der sie um Beistand baten und alle Schikanen und Übergriffe Eberhards gegen das Kloster festhielten. Damit gaben sie dessen Vetter, Graf Eberhard im Bart, die Handhabe, wegen Landfriedensbruchs militärisch gegen ihn vorzugehen. Die Stadt ergab sich kampflos. Die Schwestern waren erlöst. Der gemeinsam ausgestandene „Krieg“, wie die Chronistin das Zerwürfnis nannte, hatte den Konvent zusammengeschweißt. Die Observanz war gerettet, dank des Grafen Eberhard im Bart. Dieser hatte sich als guter, weil frommer und gottesfürchtiger Landesherr profiliert. Vor allem aber hatte er seinen Vetter vollständig entmachtet und war jetzt alleiniger Herr von Württemberg. Diesen politischen Aspekt überging Magdalena Kremer, als sie 1490 die Kirchheimer Chronik verfasste, wie sie auch für die Belange der Reformgegnerinnen kein Verständnis zeigte. Von 1495 bis zu ihrem Tod war Magdalena Kremer wahrscheinlich Priorin ihres Klosters.
(Gekürzter und bearbeiteter Text aus: Dorothea Keuler. Beherzte Schwestern: Südwestdeutsche Klosterfrauen aus sechs Jahrhunderten. Tübingen, Silberburg Verlag 2016.
Verfasserin: Dorothea Keuler
Literatur & Quellen
Edition:
Sattler, Christian Friedrich (Hrsg.): Wie diß loblich closter zu Sant Johannes bapten zu Kirchen under deck predigerordens reformiert ist worden und durch wölich person. In: Ders.: Geschichte des Herzogthums Würtenberg unter der Regierung der Graven. Bd. 5. Ulm 1768. Beilage 42, S. 173 - 280.
Sekundärliteratur:
Ecker, Ulrich P.: Die Geschichte des Klosters S. Johannes-Baptista der Dominikanerinnen zu Kirchheim u. Teck . Diss Freiburg 1985.
Hirbodian, Sigrid / Kurz, Petra (Hrsg.): Die Chronik der Magdalena Kremerin im interdisziplinären Dialog. Ostfildern: Thorbecke, 2016.
Neidhardt, Stefanie Monika: „Kremerin, Magdalena“. Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon. Bd. XXXV, Herzberg 2014, Sp. 828-830.
Neidhardt, Stefanie Monika: „Die Kirchheimer Chronik der Magdalena Kremerin“. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte. 32.2013. S. [293] - 309.
Neidhardt, Stefanie Monika: „Die Reise der Dominikanerinnen von Silo nach Kirchheim unter Teck 1478 im Kontext der spätmittelalterlichen Klosterreform“. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte. 72.2013. S. 105 - 125.
Steinke, Barbara: Paradiesgarten oder Gefängnis. Das Nürnberger Katharinenkloster zwischen Klosterreform und Reformation. Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe. Tübingen: Mohr Siebeck 2006.
Uffmann, Heike: Wie in einem Rosengarten. Monastische Reformen des späten Mittelalters in den Vorstellungen von Klosterfrauen. Bielefeld: Verl. für Regionalgeschichte, 2008.
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