Biographien Madeleine Bourdouxhe
geboren am 25. September 1906 in Liège (Lüttich)
gestorben am 17. April 1996 in Brüssel
belgische Schriftstellerin
115. Geburtstag am 25. September 2021
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Die „erschütternde Würde der Frauen“ (M.B.), die „im Namen der Liebe“ alles geben, bis hin zur Auslöschung ihrer eigenen Person, hat die belgische Schriftstellerin Madeleine Bourdouxhe in schmerzlicher Eindringlichkeit in ihrem Meisterinnenwerk Gilles Frau beschrieben. Wie Elisa, Frau eines Arbeiters in einer tristen, schmutzigen Industriestadt irgendwo im europäischen Norden, Mutter von Zwillingen und mit dem dritten Kind schwanger, um ihren untreuen Ehemann kämpft, nicht nur seine Liebe zu ihr, sondern – was noch schlimmer ist – auch ihre eigene Liebe zu ihm verliert und sich schließlich aus dem Fenster ihres Hauses in den Tod stürzt, hat die Unausweichlichkeit einer klassischen Tragödie, erzählt im sanften Ton eines Kammerstückes voller Momente der Stille und der Trauer.
Die Veröffentlichung von La femme de Gilles im Pariser Verlag Gallimard machte Madeleine Bourdouxhe 1937 zur literarischen Entdeckung des Jahres. Doch wenig später beendeten Krieg und deutsche Besatzung ihre kurze Karriere. Gallimard geriet unter das Diktat der Nazis, Bourdouxhe entschied sich aus politischen Gründen, ihren zweiten Roman Auf der Suche nach Marie 1943 bei einem kleinen belgischen Verlag herauszubringen. Obwohl sie ihr Leben lang schrieb, v.a. zahlreiche Kurzgeschichten, blieben ihre weiteren Veröffentlichungen weitgehend unbeachtet und erst mit der Frauenbewegung der 80er Jahre wurde sie aufs Neue entdeckt, so dass ihre wichtigsten Werke inzwischen in zahlreiche Sprachen übersetzt und in größeren Auflagen erschienen sind.
Geboren 1906 in Lüttich in einer bürgerlichen Familie, aufgewachsen zwischen Frankreich und Belgien, studierte Madeleine Bourdouxhe in Brüssel Sprachen und Philosophie, schloss sich dort einem Kreis junger Studierender an, die „keiner Autorität folgten“ (M.B.), sich für Gide, Apollinaire, Nietzsche begeisterten und, wie in ihrem Roman Vacance beschrieben, „verzweifelt auf der Suche nach Glück und Selbstverwirklichung waren“ (Faith Evans). Mit 21 heiratete sie den Mathematiklehrer Jacques Muller, 1940, kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, brachte sie in Brüssel ihr einziges Kind, Marie, zur Welt, flüchtete mit der Neugeborenen zunächst nach Südfrankreich, kehrte aber noch im selben Jahr nach Belgien zurück, wo sie und ihr Mann sich im Widerstand engagierten. Nach dem Krieg reiste sie regelmäßig nach Paris, verkehrte in den berühmten Cafés der Literaturszene, freundete sich mit Sartre, Beauvoir, Queneau an. Zuletzt lebte sie in einem modernen Wohnblock im Brüsseler Süden, ein Stockwerk über ihrer Tochter und Enkelin. Sie starb 5 Monate vor ihrem 90. Geburtstag.
Wie ihre englische Biografin und Übersetzerin Faith Evans berichtete, war sie über die späte Anerkennung („Madeleine Bourdouxhes Stimme gehört zu den eindrucksvollsten und persönlichsten des vergangenen Jahrhunderts“, schrieb z.B. die FAZ 2003) ebenso angenehm überrascht wie über die Würdigung einiger ihrer Gedankengänge in Beauvoirs Le deuxième sexe. Es geht darin um die tiefe Kluft, die sich unmittelbar nach der körperlichen Liebe zwischen Mann und Frau auftut, sowie um die – in Jahrhunderten der Hausarbeit entwickelte – besondere Beziehung von Frauen zu den Gegenständen der materiellen Welt.
Verfasserin: Andrea Schweers
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Rezension in Literaturkritik.de
Literatur & Quellen
Bourdouxhe, Madeleine. 2004 (1937). Gilles’ Frau. (= La Femme de Gilles). Roman. Aus dem Frz. von Monika Schlitzer. Nachwort von Faith Evans. München, Zürich. Piper.
Hörbuch, 3 CDs: Bourdouxhe, Madeleine. 2002 (1937). Gilles’ Frau. Ungekürzte Lesung. Gelesen von Ursula Illert. Schwäbisch Hall. Steinbach sprechende Bücher.
Bourdouxhe, Madeleine. 2004 (1943). Auf der Suche nach Marie (= A la recherche de Marie). Roman. Aus dem Frz. von Monika Schlitzer. Nachwort von Faith Evans. München, Zürich. Piper.
Bourdouxhe, Madeleine. 2003. Vacances: Die letzten großen Ferien (=Vacance). Roman. Aus dem Frz. von Monika Schlitzer. Nachwort von Faith Evans. München, Zürich. Piper.
Bourdouxhe, Madeleine. 1998. Wenn der Morgen dämmert: Erzählungen. Aus dem Frz. von Monika Schlitzer und Sabine Schwenk. Nachwort von Faith Evans. München, Zürich. Piper.
Bourdouxhe, Madeleine. 1999. Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine: Zwei Erzählungen. Aus dem Frz. von Sabine Schwenk. Nachwort von Faith Evans. München, Zürich. Piper.
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