(Lucia Goldberg [Geburtsname]; Lucy Geldern [Künstlername]; Lucia von Jacobi [Ehename]; Elisabeth Alzey [Pseudonym]; L. Humm [Pseudonym]; Lino Rossi [Pseudonym])
geboren am 8. September 1887 in Wien/Österreich
gestorben am 24. April 1956 in Locarno-Minusio/Schweiz
österreichisch-deutsche Schauspielerin, Journalistin, Dramaturgin, Übersetzerin und Buchautorin
135. Geburtstag am 8. September 2022
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Der berufliche Durchbruch gelang Lucy von Jacobi als Bühnenschauspielerin. Maßstäbe setzte sie als Literaturübersetzerin, v.a. von Emile Zolas »Nana«. Als Journalistin glückte ihr, was den meisten Kolleginnen ihrer Tage versagt blieb: In der streng androzentrisch sortierten Medienwelt der Weimarer Republik zählte sie zu den kaum mehr als 50 Redakteurinnen in Festanstellung. Nebenher beeinflusste sie »wie hundert Jahre früher Rahel Varnhagen« (Wilhelm Malten) eine ganze Riege liberaler SchriftstellerInnen. Dass Lucy von Jacobi jenseits der Fachwelt heute dennoch vergessen ist, geht primär auf das Konto des NS-Vernichtungsantisemitismus – und sekundär auf dessen desaströse Aufarbeitung nach 1945.
»Ich gehöre nicht in die eine noch in die andre (Welt)«: Frühe Jahre in Wien
Das kräftezehrende Driften zwischen scheinbar unversöhnlichen Polen, zwischen cholerisch-gewalttätigem, beruflich erfolglosem Vater und ikonenhaft idealisierter, ehrgeiziger Mutter, zwischen permanenter materieller Entbehrung und kostenträchtigen (Berufs-)Wünschen, zwischen theatralisch-exaltiertem FreundInnenkreis und erstickender elterlicher Maßregelung, zwischen aufgesetzter Heiterkeit und tief empfundener Traurigkeit, prägten bereits Lucy von Jacobis erste Lebensjahre. Nie fühlte sie sich zugehörig. Ein »Ausländer des Daseins« sei sie, bilanzierte sie mit 18 Jahren sofern nicht anders vermerkt, alle nachfolgenden Zitate aus: Aurich 2009.
Kurz zuvor hatte sie eine zweijährige Ausbildung als Schauspielerin abgeschlossen und sich, als Lucia Goldberg geboren, den Künstlerinnen-Namen Lucy Geldern zugelegt. Höchstwahrscheinlich ist letztgenannter Schritt, mit dem sie scheinbar beiläufig ihren jüdisch klingenden Namen kaschierte, als Reaktion auf den damals in Wien zusehends eskalierenden Antisemitismus zu lesen – spätestens seit Karl Luegers Bürgermeisterschaft (1897-1910) war antisemitische Demagogie bekanntlich vielerorts an der Tagesordnung.
»Ich habe nun endlich eine Rol(l)e bekom(m)en«: Aufblühen am Deutschen Theater in Berlin
Im September 1905 trat Lucy von Jacobi ihr erstes Engagement als Schauspielerin an: am Deutschen Theater in Berlin, dessen Leitung kurz zuvor Max Reinhardt übernommen hatte. Das erste Mal in ihrem Leben fühlte sie sich akzeptiert. »Ich habe nun endlich eine Rol(l)e bekom(m)en«, notierte sie doppeldeutig auslegbar in ihrem Tagebuch. Während die Düsseldorfer General-Theaterintendantin Louise Dumont noch 1931 die Diskriminierung von Frauen »hinter der schönen, scheinbar so heiteren Welt der Bühne« (dies.: Die Schauspielerin. In: Schmidt-Beil, 1931) rügte, blühte Lucy von Jacobi in Ausübung der »schwersten Kunst« (Louise Dumont) auf. Endlich glaubte sie sich unter ihresgleichen. »Und al(l)e sind so viel leichtblütiger, so viel gutherziger und liebevol(l)er als es in der anderen Welt der Fall ist«, befand sie 1905. Ende der 1920er Jahre sollte sie diese Euphorie merklich drosseln.
»Ich leide zu Zeiten so sehr, dass ich zu ersticken glaube«: Autorin und Hausfrau in München
Im Februar 1907 heiratete Lucy von Jacobi den promovierten Germanisten und Schauspieler Bernhard von Jacobi (*1880). Genderrollenkonform gab sie ihr Theater-Engagement auf und zog mit ihrem frisch Angetrauten nach München. Bald schienen alle finanziellen Nöte getilgt: 1913 leisteten sich die beiden eine, jedem bürgerlichen Repräsentationsbegehren schmeichelnde, mondäne Jugendstilwohnung in der Ismaningerstraße 102. Personalbestückt, selbstredend. Während Bernhard von Jacobi seinen explodierenden Ruhm als Schauspieler und Rezitator außer Haus genoss, umhegte Lucy von Jacobi beider Vorzeige-Räumlichkeiten und Sohn Hans-Jürgen (*1907). »Ich … glaube von ganzem Herzen … an mich und meine Küche, an meine Kinderstube und meinen Waschkeller, an meinen Trockenboden und meine Nähmaschine«, spottete Frauenrechtlerin Hedwig Dohm über Zeitgenossinnen, die sich scheinbar kritiklos am Hausfrauendasein erlabten (dies.: Jesuitismus im Hausstande. 1873). Lucy von Jacobi aber verzweifelte an ihrer neuen Rolle. »Ich leide zu Zeiten so sehr, dass ich zu ersticken glaube«. »Kein Dank, keine Anerkennung, keine Aufmunterung«.
Um sich »ein(zu)bilden, einen Lebenszweck zu haben«, begann sie 1913 feuilletonistische Texte zu Papier zu bringen. Ihr mutmaßlich erster Artikel galt einer Picasso-Ausstellung. Synchron zur nachfolgend rasch steigenden Zahl publizierter Texte gedieh ihr Selbstbewusstsein. Sie definierte sich jetzt als »Literat« und erfreute sich ergiebiger Glücksmomente – bis sie, kaum ein Jahr später, erneut vor einem Scherbenhaufen stand: Im Februar 1914 erlag ihr sechsjähriger Sohn einer Lungenerkrankung. Im Oktober 1914 starb ihr Mann Bernhard als Offizier im Ersten Weltkrieg. Panikattacken, Entwurzelungsgefühle und Suizidgedanken diktierten seither den Alltag. »…ich lebe so auf Abbruch«, lautete ihre Lebensbilanz mit kaum 28 Jahren.
»… nach soviel Kämpfen und Krämpfen«: Neubeginn in Berlin und München
»Ich kann das gelähmte Herz u. Blut nur bewegen durch die Sensation ›Angst‹«, konstatierte Lucy von Jacobi noch vier Jahre nach dem Verlust ihrer kleinen Familie, »ich (kenne) keine Freude mehr«. Tapfer war sie nichtsdestotrotz 1915 auf die Bühne zurückgekehrt. Zuerst mit wechselnden Engagements, dann, 1918, mit einem Fünfjahresvertrag an der Berliner Volksbühne. Kurzzeitig lebte sie auf, schöpfte Hoffnung – bis sie erneut einen mächtigen Dämpfer erhielt: Die plötzliche Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter Irene (geb. Frankl) fesselte Lucy von Jacobi erneut ans Haus. Für den drei Jahre jüngeren Bruder Jonel Victor (später: Jonel Flamm-Geldern), ebenfalls Schauspieler, kam eine pflegerische Tätigkeit offensichtlich nicht in Betracht.
1919, nach dem überraschenden Tod der Mutter, erhielt Lucy von Jacobi eine zweite Chance – einen Fünfjahresvertrag am Münchner Nationaltheater. Nicht selten erhielt sie überschwängliche Kritiken, »nicht von dieser Welt« meinte der Kritiker Walter Ullmann 1922. Parallel weitete Lucy von Jacobi ihre Autorinnen-Tätigkeit aus. Geschickt machte sie ihre fehlende Hochschulausbildung im – teils – antiakademisch aufgeladenen Nachkriegsklima zum Markenzeichen: Beispielsweise publizierte sie ihre Kommentare zum zeitgenössischen Kulturleben wiederholt unter dem Titel »Notizen einer Dilettantin«, um ihre vermeintlich erfrischend unverbrauchte Perspektive hervorzuheben.
Bereichert durch mehrere Liebschaften, begann Lucy von Jacobi »nach soviel Kämpfen und Krämpfen« endlich wieder den Moment zu genießen. Längst war sie fester Bestandteil der Münchner Kulturszene, befreundet mit Rainer Maria Rilke, Olga und Arthur Schnitzler, Liesl Steinrück, Gustaf Gründgens. Sie publizierte in Anita Augspurgs und Lida Gustava Heymanns Zeitschrift »Die Frau im Staat«, dazu in der »Weltbühne«, der »Vossischen Zeitung«, dem Hamburger »Freihafen«. Sie übersetzte französische Literatur ins Deutsche – u.a. Romain Rollands »Danton«, Théophile Gautiers »Die 1002. Nacht« und – wofür sie manch erbauliche Kritik erhielt – Emile Zolas »Nana«.
»Ich habe meine Wünsche im Leben erreicht«: Rundfunkjournalistin, Schauspielerin, Autorin, Dramaturgin
Als gelernte Sprecherin und versierte Autorin schien Lucy von Jacobi wie geschaffen für eine Tätigkeit in einer der neu installierten Rundfunkanstalten. 1924 stieg sie kurzzeitig bei der Hamburger »Nordischen Rundfunk AG« (NORAG) als »literarische Mitarbeiterin und Vortragende« ein, um Autorenportraits zu verfassen und zu verlesen – beispielsweise zu Matthias Claudius oder Gerhart Hauptmann. Daneben absolvierte von Jacobi Bühnenauftritte in den Hamburger Kammerspielen und verkaufte eine Vielzahl von Artikeln an die Printmedien. Im Grunde war sie zufrieden mit ihren Jobs und ihrem Lebensgefährten, dem 14 Jahre jüngeren, in Dresden ansässigen Schauspieler Wilhelm/William Malten. »Ich habe meine Wünsche im Leben erreicht (…) ich spiele Theater, ich werde gedruckt, ich werde geliebt«. Dennoch sah sie sich als Bären, der »auf d. glühenden Eisenplatten ›tanzen‹ lernt: Wenn er das Sengen an dem rechten Fuß nicht mehr erträgt, fällt er auf den linken«.
1926 wurde sie am privaten Dresdner Albert-Theater zur »erste(n) deutsche(n) Dramaturgin«, so die Tageszeitung »Der Volksstaat«, ernannt. Die Zusammenarbeit endete jäh, nach wenigen Monaten. Aus unbekannten Gründen. »Der Kassenrapport ist der Feind der Dramaturgin«, deutete sie im Nachhinein potentielle wirtschaftlich-künstlerische Dispute an. Auffallend sensibilisiert schien sie zudem für die berufliche Ausbremsung von Frauen: »Immer heruntergeschraubt. (…) Ich bin ja nur eine Frau«. In der Theater-Zeitschrift »Der neue Weg« prangerte sie den Ausschluss von Frauen aus künstlerischen Leitungspositionen an deutschen Bühnen an. Emil Lind, der Herausgeber des Blattes, druckte umgehend einen Gegenkommentar: »Regieführen«, konterte er, sei eine »männliche Beschäftigung« und alle Regisseurinnen, die dennoch Erfolge feierten, schlicht von »maskuline(m) Einschlag«. Punktum. Da von Jacobi mit Frauenrechtlerinnen wie Anita Augspurg, Martha Tausk oder Minna Flake bestens vernetzt war, schien sie Chauvinismus jener Kategorie blessurenlos zu überstehen. Sie gab sich unverändert kämpferisch, appellierte z.B. 1930 auf der Gandersheimer »Rundfunktagung schaffender Frauen« an die Zuhörerinnen: »Und das wollen wir uns hinter die Ohren schreiben (…). So manches, was sie (die Herren der Schöpfung) für ihr ausschließliches Reservat halten, können wir auch, nichtwahr?«.
»…andere Menschen wären wahrscheinlich begeistert«: Redakteurin beim Ullstein Verlag
»›Spritzig‹, ›spritzig‹, ›spritzig‹« müsse sie in Zukunft schreiben, klagte Lucy von Jacobi 1928, nachdem sie eine Festanstellung als Feuilletonredakteurin der Vossischen Zeitung angetreten hatte. Meinungsentleert, glatt habe sie jetzt zu texten, kurzweilige Unterhaltung zur obersten Dominante zu erklären. »… andere Menschen wären wahrscheinlich begeistert«, räumte sie ein. Schließlich blieb dem Gros damaliger Journalistinnen eine Festanstellung versagt. Die männlich dominierte Tagespresse, so Mitstreiterin Margarete Edelheim, nehme zwar gern gute Texte freier Mitarbeiterinnen entgegen, sie leiste jedoch »gegenüber der Anstellung von Redakteurinnen noch immer passiven Widerstand« (dies.: Der Journalismus als Frauenberuf. 1931). Edelheim ging von reichsweit kaum mehr als 50 Redakteurinnen aus.
Trotz des Privilegs einer Festanstellung arrangierte sich Lucy von Jacobi anfangs eher schleppend mit dem zwangsverordnet amüsanten Stil. Dass sie die Stelle überhaupt annahm, fußte primär auf einer monatelang mauen Auftragslage; phasenweise musste sie sich als Sekretärin durchschlagen. Nach kurzer Einarbeitung bei der Vossischen Zeitung aber beherrschte sie den abverlangten Tonfall mit Bravour. Unter wechselnden Pseudonymen wie Miraflor, Lot. oder Billie schrieb sie jetzt zugleich für die Tageszeitung »Tempo«, ebenfalls ein Produkt des Ullstein Verlages. Das nach US-Vorbild mehrmals täglich erscheinende Blatt vermarktete sich als deutschlandweit modernstes Druckerzeugnis und gab bei von Jacobi insgesamt rund 2000 Artikel in Auftrag – vorrangig für die Männerdomänen Film und Theater, zudem für die klassischerweise Journalistinnen aufgedrängten Mode- und Körperpflegeressorts. Lucy von Jacobi würzte ihre Texte damals mit einer ordentlichen Prise Humor. Schauspielerin Gilda Gray sei ein »geborene(s) Seifenplakat«, scherzte sie, Schauspieler Uwe Behrens »ein Moritzchen von einem Nordlandsohn«. Selten trat von Jacobi den LeserInnen belehrend entgegen, nicht einmal bei ihrem Leib- und Magen-Thema, dem Theater.
»Es rollt der Mississipi … zwischen mir u. d. Menschen«: Exil
»Lucy von Jacobi ging nach Italien und machte eine Pension auf« erinnerte sich Kollegin Gabriele Tergit und verkürzte damit von Jacobis Lebensweg nach 1933 drastisch: In Wahrheit irrte von Jacobi nach der Installation des NS-Regimes drei Jahre entwurzelt durch Europa, durch die Tschechoslowakei, durch Italien, durch Österreich. 1936 erfüllte sie sich einen lang gehegten Traum: Gemeinsam mit Susanne Müller-Bruck eröffnete sie in der Toskana, nahe Fiesole, eine kleine Pension. Zuvor hatte sie ihr zeitlebens einziges veröffentlichtes Buch vollendet, das Heilkräuterbuch »Die Apotheke auf der Wiese«, das ihre Sehnsucht nach einem friedlichen Landleben eindringlich spiegelte.
Rundweg verspürte Lucy von Jacobi seit 1933 eine wachsende Kluft zu ihren Mitmenschen. »Es rollt der Mississipi … zwischen mir u. d. Menschen; u. ich muss mich immer schrecklich anstrengen u. zum anderen Ufer hinüberschreien«. 1938 trat sie eine dreimonatige Palästina-Reise an. Bald nach ihrer Rückkehr zwangen die sog. “Provvedimenti per la difesa della razza Italiana” (= Verordnungen zur Verteidigung der italienischen Rasse), die u.a. eine Ausweisung aller nicht-italienischen JüdInnen vorsahen, sie erneut zur Flucht. Sie entkam in die Schweiz, ins Tessin, wo sie zuerst in Ascona, dann in Cureglia nahe Lugano lebte und sich erzwungenermaßen, erst recht nach Aberkennung der deutschen Staatsbürgerinnenschaft 1941, mit illegalen Arbeiten als Übersetzerin und Publizistin über Wasser halten musste.
»…der vollkommene Mangel an Solidarität des Leidens«: Zerschlagene Nachkriegshoffnungen
»…auf welchem Misthaufen wird man mich verrecken lassen, wenn ich einmal nicht mehr verdienen kann?« fragte sich Lucy von Jacobi 1945, kaum 58-jährig. Den Zweiten Weltkrieg und den NS-Vernichtungsantisemitismus hatte sie überstanden. Ihre Angst vor lebensbedrohlicher Not aber sollte sie nie mehr verlieren: Die Nazis hatten ihre gesamte, in Paris lebende Familie ausgerottet. Deren beträchtliches Vermögen stand ihr und ihrem Bruder rechtmäßig zu. Rational nicht nachvollziehbare, jahrelange juristische Querelen verhinderten dennoch jeglichen Zugriff. Sie war auf Almosen Dritter angewiesen, lebte buchstäblich von der Hand in den Mund.
Alle beruflichen Pläne, ihr Wunsch als Reporterin nach China oder in die Sowjetunion zu gehen, zerschlugen sich. Parallel verzweifelte sie an der unzureichenden Aufarbeitung der NS-Verbrechen, am Wegsehen, Schweigen, Leugnen und Herunterspielen ihrer ZeitgenossInnen. Sie diagnostizierte einen »vollkommene(n) Mangel an Solidarität des Leidens«. Verständnislos registrierte sie die Heiterkeit der NS-Täter bei den Nürnberger Prozessen, während sie selbst »Tag und Nacht« unter den »Bilder(n) von Bergen-Belsen und Maidanek« leide.
Mit dem Kommunismus sympathisierend, veröffentlichte sie u.a. in der New Yorker ExilantInnen-Zeitung »Der Aufbau« deutlich politisierte Texte, die bisweilen heftigen Widerspruch evozierten. Ihr einstmals ironisch-heiterer Duktus schien gänzlich begraben. Lucy von Jacobi fühlte sich unverstanden, an den Rand gedrängt, kämpfte gegen Depressionen.
Auf dem Trottoir gehend, wurde sie im Frühjahr 1954 von einem Motorradfahrer gegen eine Mauer gequetscht. Sie erlitt mehrere Knochenbrüche und, als mögliche Spätfolge, mehrere Schlaganfälle. Zwei Jahre später starb sie mit 68 Jahren. Bis mann ihren Erben, ihrem Bruder und dem Verband Schweizerischer Jüdischer Fürsorgen (VSJF), endlich zugestand, was Lucy von Jacobi zeitlebens so dringend benötigt hätte – die finanziellen Hinterlassenschaften ihrer ermordeten Familie – sollten noch drei weitere, lange Jahre vergehen.
(Text von 2016)
Verfasserin: Annette Bußmann
Zitate
Ich gehöre nicht in die eine noch in die andre (Welt). Ich bin, was ich im(m)er war: ein Ausländer des Daseins.
(Lucy von Jacobi, Tagebucheintragung, Ende November 1905, zit. n. Aurich, 2009, S. 22/23)
Ich habe meine Wünsche im Leben erreicht, nach denen ich so sonderbar gierig war: ich spiele Theater, ich werde gedruckt, ich werde geliebt. – Mehr wollte ich nie. Aber das Feuer brennt unter meinen Füßen, u. ich muss tanzen.
(Lucy von Jacobi, Tagebucheintragung vom 17.04. 1926, zit. n. Aurich, 2009, S. 54)
Komisch sind die Erwachsenen. Die Kinder schicken sie ins Theater, um sich den Kopf über des weisen Nathans Ethik (…) zu zerbrechen – selbst aber gehen sie mit Vorliebe zum ›Schwarzwaldmädel‹ (…). Offenbar haben sie als Gymnasiasten schon alle Probleme Hebbels und Kleists zufriedenstellend gelöst und müssen jetzt ihre überanstrengten Köpfe bei diesen Pièces de résistance des Lebens ausruhen.
(Lucy von Jacobi: Moderne Piraten. In: Tempo, Nr. 40, 26.10.1926, zit. n. Aurich, 2009, S. 138)
… der vollkommene Mangel an Solidarität des Leidens, an Verpflichtungsgefühl, diese Leiden auszutragen u. auszuarbeiten, Mangel an Verantwortung, für das, was getan u. für das, was gelitten wurde, kurz: brutaler Egoismus u. d. uralte Trägheit d. Herzen u. jeglicher Mangel an Gefühlsfantasie – das nenne ich d. Nazi-Bazillus.
(Brief Lucy von Jacobis an Manfred George, 13.02.1946, zit. n. Aurich, 2009, S. 84/85)
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit? Für so tiefe Armut gibt es keine Freiheit. Jede Frau ist eine Sklavin ihrer häuslichen und mütterlichen Pflichten. (…) ›Egalité‹ – nein es gibt keine Gleichheit, wo die ganz wenigen in herrlichen Autos durch die unbarmherzige Steinwüste fliegen (…) und die anderen mit 6-7000 Fr(anc)s im Monat haushalten sollen.
(Lucy von Jacobi: Brief aus Paris. In: Der Aufbau, 25.07.1947, zit. n. Aurich, 2009, S. 86)
Links
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Lucy von Jacobi.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/105080152, zuletzt geprüft am 16.04.2021.
Löchel, Rolf von: »Ich lebe mit Vorbehalt«. Buchbesprechung. literaturkritik.de.
Online verfügbar unter http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=13686, zuletzt geprüft am 16.04.2021.
WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6YftUkEjD.
Literatur & Quellen
Werke (Auswahl dt. Ausgaben)
Balzac, Honoré de (1923): Las Marañas. Eine Novelle. (=Las Marañas) Übertragen von Lucy von Jacoby. Mit Bildern von Werner Schmidt. München. Verl. d. Münchner Drucke. (Münchner Druck, 3) (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Barbusse, Henri (1920): Auf zur Wahrheit! Ins Deutsche übersetzt von Lucy von Jacobi. Berlin. Reiß. (Tribüne d. Kunst u. Zeit, 21) (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bedel, Maurice (1928): Jérôme liebt auf 60° nördlicher Breite. Roman. (=Jérôme 60° latitude nord) Aus dem Französischen von Lucy von Jacobi. Hamburg. Enoch. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bedel, Maurice (1929): Graf Molinoff erobert die Touraine. Roman. Aus dem Französischen von Lucy von Jacobi. Hamburg. Enoch. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Beerli, André (1949): 42 Reisevorschläge in der Zentralschweiz. Aus dem Französischen von Frieda Beerli, Emil Maurer und Lino Rossi (Lucy von Jacobi). [Genf]. Touring-Club der Schweiz. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Beerli, André (1956): Tessin. 32 Reisevorschläge. Aus dem Französischen von Lino Rossi (Lucy von Jacobi), Frieda Beerli und Emil Maurer. Genf. Touring-Club der Schweiz. ca 1961 (Unbekannte Schweiz, 1) (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Caldwell, Erskine (1948): Gottes kleiner Acker. Roman. (=God's little acre) Ins Deutsche übersetzt von Lino Rossi (Lucy von Jacobi). Reinbek b. Hamburg. Rowohlt. 1987 (Rowohlts Jahrhundert, 20) ISBN 3-499-40020-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Christie, Agatha (1946): Das Haus der Mrs. Perenna. Kriminalroman. (=N or M) Aus dem Englischen von Lino Rossi (Lucy von Jacobi). 2. Aufl. Bern. Scherz. (WorldCat-Suche)
Davenport, Marcia (1948): Die große Karriere. Roman. Aus dem am. Englisch von Lino Rossi (Lucy von Jacobi). 1. Aufl. d. überarb. Neuausg. Bern, München u.a. Scherz. 1990. ISBN 3-502-10918-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Gautier, Théophile (1920): Die 1002. Nacht. (=La mille et deuxième nuit) Ins Deutsche übersetzt von Lucy von Jacobi. Mit 11 Zeichnungen von Suzanne Carvallo-Schülein. München. Hyperion. (Romantische Taschenbücherei) (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Jacobi, Lucy von (1936): Die Apotheke auf der Wiese. Heilkräuterbuch für alle. Mit 51 farb. Pflanzenbildern von Hugo Renyi und Geleitwort von A. Fröhlich. Leipzig, Wien, Berlin. Steyrermühl-Verl. (Tagblatt-Bibliothek, 1157/1159) (WorldCat-Suche)
Jameson, Storm (1945): Ein Herrenhaus im Elsass. Roman. (=Cousin Honoré) Aus dem am. Englisch von Lino Rossi. Zürich. Verl. Oprecht. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Lin, Taiyi (1945): Das Leben ist stärker. (=War tide) Ins Deutsche übersetzt von Lino Rossi (Lucy von Jacobi). Zürich. Büchergilde Gutenberg. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Lin, Yutang (1943): Peking. Augenblick und Ewigkeit. (=Moment in Peking) Ins Deutsche übersetzt von Lino Rossi (Lucy von Jacobi). 2 Bände. Zürich. Büchergilde Gutenberg. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Lin, Yutang (1944): Blatt im Sturm. Roman. (=A leaf in the storm) Übersetzt von L. Rossi (Lucy von Jacobi). Ungekürzte Sonderausg., 1. Aufl. Frankfurt a.M. G. B. Fischer. 1953 (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Millar, George (1946): Maquis. Widerstandskämpfer im besetzten Frankreich. (=Maquis) Aus dem Englischen von Lino Rossi (Lucy von Jacobi). Zürich. Büchergilde Gutenberg. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Millar, George (1947): Der gehörnte Tauber. (=Horned Pigeon) Aus dem Englischen von Lino Rossi (Lucy von Jacobi). Zürich. Büchergilde Gutenberg. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Renard, Maurice (1923): Die Fahrt ohne Fahrt und andere seltsame Geschichten. Aus dem Französischen von Lucy von Jacobi. Mit 14 Federzeichnungen von S. Carvallo-Schülein. München. Drei Masken Verlag. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Rolland, Romain (1919): Danton. Deutsch von Lucy Jacobi, Wilhelm Herzog. München. Müller. (Revolutionsdramen / Romain Rolland) (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Silone, Ignazio (1947): Fontamara. Roman. Nach der früheren dt. Übersetzung von Nettie Sutro revidierte Übertragung von Lucy von Jacobi. 3., neu bearb. Aufl. Hamburg, Stuttgart. Rowohlt. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Tennant, Kylie (1944): Zieh weiter Fremdling. Ein Roman aus dem Australien unserer Tage. (=Ride on stranger) Ins Deutsche übersetzt von Lino Rossi. Zürich. Büchergilde Gutenberg. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Zola, Émile (1922): Nana. (=Nana) Übersetzt von Lucy von Jacobi. 33 Zeichnungen von Erhard Göttlicher. 1. Aufl. Frankfurt am Main. Büchergilde Gutenberg. 1989. ISBN 3-7632-2020-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Zola, Émile (1924): Der Traum. (=La rêve) Ins Deutsche übersetzt von Lucy von Jacobi. 1. - 4. Tsd. München. Wolff. (Die Rougon-Macquart / Emile Zola, 16) (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Weiterführende Literatur
Aurich, Rolf und Jacobsen, Wolfgang (Hg.) (2009): Lucy von Jacobi. Journalistin. Mit Aufsätzen und Kritiken. Essays von Irene Below und Ruth Oelze. Deutsche Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen München. Ed. Text + Kritik. (Film & Schrift, 9) ISBN 978-3-86916-003-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Below, Irene (2006): Lucy von Jacobi (1887 - 1956). Von einem Fund in einem Florentiner Antiquariat und verschwiegenen Familiengeschichten. In: Hansen-Schaberg, Inge (Hg.): Familiengeschichte(n). Erfahrungen und Verarbeitung von Exil und Verfolgung im Leben der Töchter. Tagungsband. Wuppertal. Arco-Verl. (Arco Wissenschaft). ISBN 978-3-938375-16-7 S. 177–212 (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Botz, Gerhard (2002): Eine zerstörte Kultur. Jüdisches Leben und Antisemitismus in Wien seit dem 19. Jahrhundert. 2., neu bearb. und erw. Aufl. Wien. Czernin-Verl. ISBN 978-3-7076-0140-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Edelheim, Margarete (1931): Der Journalismus als Frauenberuf. In: Schmidt-Beil, Ada (Hg.): Die Kultur der Frau. Eine Lebenssymphonie der Frau des 20. Jahrhunderts. Berlin-Frohnau. Verlag für Kultur und Wissenschaft S. 232–237 (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Goetzinger, Germaine und Hansen-Schaberg, Inge (Hg.) (2008): »Bretterwelten«. Frauen auf vor und hinter der Bühne. Tagungsband. München. Ed. Text + Kritik. (Frauen und Exil, 1) ISBN 3-88377-956-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schraut, Sylvia (2013): Bürgerinnen im Kaiserreich. Biografie eines Lebensstils. Stuttgart. Kohlhammer Verlag. (Mensch – Zeit – Geschichte) ISBN 978-3-17-022436-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Stern, Frank; Eichinger, Barbara (2009): Wien und die jüdische Erfahrung 1900 - 1938. Akkulturation – Antisemitismus – Zionismus. Wien. Böhlau. ISBN 978-3-205-78317-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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