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(Lucie Varga geb. Rosa Stern )
geboren am 21. Juni 1904 in Baden bei Wien
gestorben am 26. April 1941 in Toulouse
österreichische Historikerin
120. Geburtstag am 21. Juni 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Mit Lucie Varga steht wieder eine hochbegabte junge Frau vor uns, deren Leben und Werk durch die Nazi-Barbarei ein jähes Ende fand. Als sie mit 36 Jahren starb, stand sie gerade am Anfang einer Karriere als bedeutende Historikerin. Außer ihrer Dissertation hinterließ sie einige hochinteressante Aufsätze und Rezensionen, die sich mit so verschiedenen Themen wie dem Nationalsozialismus, dem Hexenglauben in Ladinien (Südtirol) oder den KatharerInnen befassen.
In ihrer berühmten Studie über den Nationalsozialismus (1937) zeigt sie, wie die Angst vor Statusverlust eine Gruppe von Männern verband, deren gemeinsamer Antrieb die Verteidigung der „sozialen Ehre“ gewesen sei. Varga nahm den nazistischen Ehrbegriff ernst und erschloss als erste die symbolische und emotionale Dimension der NS-Bewegung und ihre quasi religiösen Organisationsformen, die schließlich zu einer Massenbewegung führten.
Varga entstammte einer großbürgerlichen jüdischen Familie aus Ungarn. Nach dem Abitur an der fortschrittlichen Schule der Eugenie Schwarzwald heiratete sie und begann, schon schwer zuckerkrank, in Wien Geschichte zu studieren. Sie ließ sich scheiden, emigrierte nach Paris und wurde Mitarbeiterin von Lucien Febvre (der mit Marc Block die „Mentalitätsgeschichte“ begründete). Vargas Fähigkeit, sich mit neuartigen Fragestellungen einem historischen Gegenstand zu nähern, hat seine eigene Forschung vorangetrieben. Aus der Zusammenarbeit erwuchs eine Liebesbeziehung, die für Lucie Varga katastrophale Folgen hatte. Febvre, einen Familienskandal befürchtend, floh auf eine Reise nach Südamerika und überließ Varga ihrem Schicksal. Die Bestimmungen für EmigrantInnen wurden immer restriktiver. Varga arbeitete als Vertreterin für Küchengeräte, als Fabrikarbeiterin, dann als Übersetzerin und als Landarbeiterin. Von schlechter Ernährung und unregelmäßiger Insulinversorgung völlig entkräftet, starb sie im diabetischen Koma.
(Text von 1993)
Verfasserin: Sibylle Duda
Literatur & Quellen
Schöttler, Peter. 1991. “Lucie Varga - eine österreichische Historikerin im Umkreis der 'Annales' (1904-1941)”, inVarga 1991: 13-110.
Varga, Lucie. 1991. Zeitenwende: Mentalitätshistorische Studien 1936-1939. Hg., übersetzt und eingeleitet von Peter Schöttler. Frankfurt/M. Suhrkamp TB Wissenschaft 892.
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