(Louise Aston, geb. Louise Franziska Hoche, gesch. Aston, verh. Meier)
geb. 26. November 1814 in Gröningen bei Halberstadt
gest. 21. Dezember 1871 in Wangen/Allgäu
deutsche Schriftstellerin, Revolutionärin, Frauenrechtlerin
210. Geburtstag am 26. November 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Mit Recht ist Louise Aston der Liebling der feministischen Literaturwissenschaft und wird daher in den letzten Jahrzehnten aus dem Dunkel der preußisch-paternalistisch geprägten Kultur-Versenkung hervorgeholt, in die sie nicht nur die Wissenschaft, sondern die Gesellschaft ihrer Zeit, inklusive der ihr verständnislos bis feindlich gesinnten Frauenrechtlerinnen im eigenen Umkreis, gestoßen hatte. Zum Vorschein kommt eine der mutigsten und selbstbewusstesten deutschen Frauen des 19. Jahrhunderts.
Das überschaubare, gegen viele Widerstände herausgebrachte Werk von zwei Lyrikbändchen, einer drei Ausgaben erlebenden Zeitschrift, einer essayistischen, polemisch-politischen „Rechtfertigungsschrift“ und dreier gesellschaftskritischer Romane, einer davon mit autobiografischem Inhalt ihres Ehemartyriums mit dem englischen Fabrikanten Samuel Aston, sind in wenigen Jahren in der Lebensmitte von 1846 bis 1850 rund um die deutsche März-Revolution und Paulskirche entstanden.
Als jüngste Tochter des prominenten evangelischen Geistlichen Johann Gottfried Hoche wird Louise, wie ihre fünf Schwestern vom hochgebildeten Vater und einem Hauslehrer profund unterrichtet – die beiden Brüder besuchen die Domschule in Halberstadt –; den kulturellen Part der Bildung, ausführlich in Literatur und Musik, übernimmt die kluge Mutter Louise Charlotte. Ihre ältere Schwester Eulalia Merx macht eine völlig konträre Entwicklung zur pietistisch angehauchten Schriftstellerin von unterhaltenden Romanen, Erzählungen und Gedichten sowie religiösen Liedern.
Drei Phasen lassen sich im Erwachsenenleben herausarbeiten: die Konvenienz-Ehe(n) mit dem reichen englischen Dampfmaschinenfabrikanten Samuel Aston; die Jahre der emanzipierten, in frühsozialistischen Kreisen verkehrenden „Femme fatale“ und selbstbewussten Schriftstellerin; und die Jahre der Verfolgung, Emigration und Lazarett-Arbeit an der Seite des geliebten zweiten Mannes, des Arztes Daniel Eduard Meier.
Als 20jährige heiratet Louise den 23 Jahre älteren Magdeburger Fabrikanten Samuel Aston, der vier uneheliche Kinder von drei verschiedenen Frauen in die Ehe mitbringt. 1839 erfolgt die erste Scheidung, 1841 die Wiederverheiratung und zwei Jahre später die endgültige Trennung von dem brutalen, herrschsüchtigen Mann, der ihr das Sorgerecht für Jenny Louise entziehen lässt, die einzige ihrer drei Töchter, die das Babyalter überlebte. Sie wird das Ehemartyrium – typisch für manche „Versorgungsehe“ – in ihrem ersten Roman „Aus dem Leben einer Frau“ von 1847 intensiv verarbeiten.
Die schon zuvor radikaldemokratischen Ideen aufgeschlossene Louise Aston tummelt sich in Berlin im junghegelianischen Umfeld der Brüder Bruno und Edgar Bauer sowie Max Stirner, lebt in „freier Liebe“ mit dem Schriftsteller Rodolf Gottschall und zeitweilig dem Herausgeber des „Volksblatts“ Friedrich Wilhelm Held, trägt Kurzhaarschnitt, Männerhosen, raucht Zigarren in der Öffentlichkeit und tritt mit ihrem als sehr freizügig empfundenen Lyrikband „Wilde Rosen“ 1846 ins literarische Leben. Als unsittliche Person, die öffentliches Ärgernis erregt und gegen die sittliche und politische Ordnung verstößt, wird sie aus Berlin ausgewiesen und polizeilich bespitzelt. Rund um ihre Teilnahme als freiwillige Pflegerin von Verletzten im Schleswig-Holsteinischen Krieg gegen Dänemark 1848 entsteht ihr oben erwähntes schmales poetisches Werk.
Bei der Pflege der Verletzten in Schleswig-Holstein lernt sie den Bremer Arzt Daniel Eduard Meier kennen; die Seelenverwandten heiraten im Herbst 1850 vor einem freireligiösen Geistlichen in Braunschweig. Die gemeinsame Zeit in Bremen, in der Meier es bis zum Direktor einer von ihm mitkonzipierten Klinik bringt, endet abrupt mit seiner Entlassung. Die Ehe mit der freizügig-unsittlichen Louise sowie die Kontakte zum Demokratischen Verein und zum Central-Comité für europäische Demokratie in London sind der Obrigkeit ein Dorn im Auge. Sie beginnen im Sommer 1855 als Militärarzt und Krankenpflegerin im Krimkrieg auf russischer Seite in Odessa. Nach Jahren in Charkow, Sephisentgyorgy, Kronstadt, Unterwaltersdorf bei Wien, Klagenfurth und Bischoflack bei Laibach kommen sie 1871 über Bad Liebenzell nach Wangen im Allgäu, wo Louise Aston am 21. Dezember stirbt. Ihr Grabspruch auf dem dortigen Friedhof lautet: „Nach Kampf Frieden“; Daniel Meier folgt ihr 1873, er liegt an ihrer Seite.
Louise Otto – die Mutter der deutschen Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts – bespricht in ihrer Frauen-Zeitung 1849 die „Freischärler Reminiszenzen“ Louise Astons vernichtend: „Wir sind es unsern Leserinnen schuldig, einige Worte über das vorliegende Lieder-Heft zu sagen – aber wir tun es ungern. Es tut uns leid, ein vielleicht begabtes weibliches Wesen im unreinen Element zu sehen – und doppelt leid, weil die Verfasserin sich mit zur demokratischen Partei zählt und wir von dieser Partei alle unreinen Elemente, mögen sie nun Männer oder Frauen mit sich bringen, fern gehalten sehen möchten. [und nach einem damenhaften „igitt!“, über das Lyrik-Bändchen insgesamt und das programmatische Gedicht „Den Frauen“ insbesondere schließt sie:] Ich fürchte, L. Aston, obwohl sie sich eine Freie nennt, gehört gerade zu den Unfreien.“ Die prominenteste der deutschen Frauenbewegung, zwar für die Ideale der Paulskirche eintretend, aber immer religiös, kaisertreu und den Regeln bürgerlicher Sittsamkeit gehorchend, gibt die Meinung der demokratisch gesinnten „Fortschrittlichen“ wider; dass Louise Aston von der deutlich konservativeren Mehrheit und den staatlichen Stellen Preußens und der Staaten im Deutschen Bund abgelehnt, totgeschwiegen und verfolgt wurde, ist nicht verwunderlich, ohne Fürsprache im eigenen Lager. Louise Aston war unter den Frauenrechtlerinnen wohl die einzige wirklich Freie; sie hatte sich befreit vom Joch aller Konventionen, den religiösen, sozialen, bürgerlichen und teilweise sogar rechtlichen, die den Frauen wirkliche Freiheit, Gleichheit und Teilhabe verwehrten.
(Text von 2024 aus dem Buch “...immer Luise”; mit freundlicher Genehmigung des Verfassers).
Anmerkung der Redaktion: Aston war unter den Frauenrechtlerinnen ihrer Zeit nicht ganz ohne Beistand. Verteidigt wurde sie z.B. von ihrer radikalen Zeitgenossin Mathilde Franziska Anneke (1817-1884).
Verfasserin: Siegfried Carl
Louise Aston, von Margaret E. Ward (1995)
Zitate
Ich nehme das Recht in Anspruch, auf ›meine Façon‹ selig zu werden, mich auf meine Art mit dem Weltall zu vermitteln, ein Recht, das den Frauen so gut zusteht wie den Männern.
Ja, kühlen in frischen Lebensfluthen
Will ich der lodernden Seele Gluten!
Ich will vor Sünde und Kreuz bewahrt,
Stark durch des eigenen Geistes Ringen,
Mich aus Fesseln und Banden schwingen
Auf zu begeisterter Himmelfahrt!
(Louise Aston, Nachtphantasien)
Links
Aston, Louise: Gedichte. Die Deutsche Gedichte-Bibliothek.
Online verfügbar unter http://gedichte.xbib.de/gedicht_Aston.htm, zuletzt geprüft am 11.04.2022.
Encyclopedia of 1848 Revolutions: Aston, Louise. Biografie und Bibliografie (engl.).
Online verfügbar unter http://www.ohio.edu/chastain/ac/aston.htm, zuletzt geprüft am 11.04.2022.
Fränkel, Ludwig Julis: Meier, Luise, meistens bekannt als Luise Aston. In: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 294–296, Digitale Volltext-Ausgabe. Hg. v. Wikisource.
Online verfügbar unter http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Aston,_Louise, zuletzt geprüft am 11.04.2022.
Wikisource: Louise Aston. Linksammlung zu Online-Werken.
Online verfügbar unter http://de.wikisource.org/wiki/Louise_Aston, zuletzt geprüft am 11.04.2022.
Zeno: Aston, Louise. Biographie und Werke online (Gedichte – Wilde Rosen/Freischärler-Reminiscenzen; Romane – Aus dem Leben einer Frau/Lydia/Revolution und Contrerevolution; Autobiogrphisches – Meine Emancipation, Verweisung und Rechtfertigung).
Online verfügbar unter http://www.zeno.org/Literatur/M/Aston,+Louise, zuletzt geprüft am 11.04.2022.
zgedichte.de: Louise Franziska Aston - Die Gedichte.
Online verfügbar unter http://www.zgedichte.de/dichter_233.html, zuletzt geprüft am 11.04.2022.
Literatur & Quellen
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Aston, Louise (1846): Wilde Rosen. Zwölf Gedichte. Berlin. Moeser und Kühn. (WorldCat-Suche)
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Aston, Louise (1850): Freischärler-Reminiscenzen. 12 Gedichte. Leipzig. Weller. (WorldCat-Suche)
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