geboren am 26. Dezember 1885 in Berlin-Neukölln
gestorben am 15. Juli 1970 in Bergholz-Rehbrücke
deutsche Schauspielerin, Operetten- und Kabarettsängerin
135. Geburtstag am 26. Dezember 2020
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Die Zeitungen nannten sie zärtlich-vertraut „Lotteken“, wenn sie über Lotte Werkmeister berichteten. Mit „Berliner Schnauze“ nahm die Kabarettistin in ihren Liedern die Eigentümlichkeiten der Menschen und deren Alltag aufs Korn.
Geboren wird sie 1885 als Frieda Anna Werkmeister in Berlin-Neukölln, damals noch Rixdorf. Als die Mutter stirbt, holt die Großmutter Anna das Kind nach Magdeburg. Später sagt die Künstlerin über diese Zeit: „Ich habe der Ärmsten viel Sorgen gemacht, denn ich war ein unbändiges Ding und immer zu tollen Streichen aufgelegt.“ Die Großmutter möchte, dass sie nach dem Abschluss der Bürgerschule eine hauswirtschaftliche Ausbildung beginnt. Dies wird vielen Mädchen zu dieser Zeit nahe gelegt, denn damit steigen die Chancen, in einem Haushalt angestellt und so wirtschaftlich unabhängig zu werden. Zugleich erwartet man von ihnen auch entsprechende Fähigkeiten, um einen eigenen Haushalt führen zu können. So besucht Frieda Werkmeister zunächst ein Haushaltungspensionat in Suderode im Harz. Doch durch gemeinsame Theaterbesuche mit der Großmutter wächst ihr Wunsch, Schauspielerin zu werden. Davon ist Anna Werkmeister allerdings nicht begeistert. Aber sie kann die Enkelin nicht von ihrem Plan abhalten. 1902 singt die 16-Jährige im Magdeburger Stadttheater vor. Trotz oder wegen des ungewöhnlichen Repertoires – „Stille Nacht, heilige Nacht“ und „Deutschland, Deutschland über alles“ – darf sie von nun an als unbezahlte Volontärin am Theater arbeiten. Bald darauf wird sie vom Direktor des Brandenburger Theaters engagiert. Nach einem Jahr wechselt Frieda Werkmeister zum Kölner Operettentheater. Hier beginnt sie mit einer Gesangsausbildung und arbeitet sich so zu den Hauptrollen hoch. Sie ist die Soubrette, die Sängerin der heiteren Sopranpartien.
Auf einer Gastspielreise lernt Frieda Werkmeister den Kapellmeister Heinz Jaksch kennen. Sie verlieben sich und heiraten. In den nächsten Jahren tritt sie unter dem Künstlerinnennamen Lutti Werkmeister auf. Später nennt sie sich Lotte Werkmeister. Sie verlässt Köln und zählt bald zu den erfolgreichen Soubretten in Berlin. Ab 1917 steht sie dann auch regelmäßig als Schauspielerin vor der Kamera. Anfang der 1920er Jahre tritt sie nebenbei in Kabaretts und Filmbühnenschauen auf, die als Vor- oder Zwischenprogramme in den Kinos laufen. Sie singt dort Schlager und Chansons. Viele ihrer Kolleginnen und Kollegen verdienen sich auf diese Weise ebenfalls Geld dazu. So auch Claire Waldoff, die sie mitunter in ihrem Stammlokal in der Nähe des Bahnhofs Zoo trifft.
Gegen Mitte der 1920er Jahre geht die glanzvolle Zeit der Operette langsam zu Ende. Kabaretts, Revuen und Tonfilme sind im Kommen. Auch Lotte Werkmeister ist dort immer häufiger zu sehen. Nach 1928 wendet sie sich dann gänzlich dem Kabarett und Varieté zu. Die Suche nach einem passenden musikalischen Begleiter ist für die temperamentvolle Künstlerin nicht einfach. Schließlich gibt ihr Ehemann seine Anstellung als Kapellmeister auf und wird von nun an ihr Komponist und Pianist. In einer Zeit der wirtschaftlichen Unsicherheit ist dies für beide ein gewagter Schritt. Doch trotz der großen Konkurrenz schafft es Lotte Werkmeister, nicht nur die Berliner Bühnen zu erobern. Dem komischen Fach bleibt sie treu. Gesellschaftskritik ist nicht ihre Sache. Sie nimmt den Alltag und die Eigenheiten der Menschen in den Blick. Zu ihrem Repertoire gehören auch Heinrich Zilles Lieder. Lotte Werkmeister hat, wie Claire Waldoff und Otto Reutter, Erfolg durch ihren Vortragsstil. Sie zieht das Publikum durch ihre Stimme, Mimik und Gestik in den Bann. Präzise skizziert sie jede ihrer volkstümlichen Figuren, die wie ihre Filmrollen sind: Hauswartsfrauen, Zimmermädchen, Köchinnen. In den großen Berliner Varietés ist sie ein ebenso gern gesehener Bühnengast wie im „Kabarett der Komiker“. Dass sie oft Lampenfieber, hat, bleibt dem Publikum verborgen.
Ihre erste Schallplattenaufnahme erscheint 1926. Darüber hinaus ist sie immer häufiger mit ihren Sketchen im Rundfunk zu hören. Als die Nationalsozialisten die Macht übernehmen, darf Lotte Werkmeister weiterhin auftreten. Ihr Repertoire wird vom Propagandaministerium als unbedenklich eingestuft. Beim Publikum hat sie ungebrochenen Erfolg. Sie singt auf der Berliner Funkausstellung und geht auf Tourneen durch Deutschland. Rundfunk und Filmstudios engagieren sie regelmäßig. Gemeinsam mit anderen Künstlern und Künstlerinnen tritt Lotte Werkmeister im besetzten Frankreich und in Deutschland für die Soldaten auf. Auch auf den Veranstaltungen der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ ist sie immer wieder zu sehen. Als die Bühnen im Herbst 1944 geschlossen werden, macht sie vermutlich zwangsläufig eine Pause. Doch bereits im Mai 1945 tritt die nun fast 60-jährige Lotte Werkmeister wieder in Potsdam auf. Wenig später gründet sie hier den Brandenburger Kulturbund mit. Bis ins hohe Alter bleibt Lotte Werkmeister den Bühnen in beiden deutschen Ländern treu. Mit 84 Jahren stirbt sie in Bergholz-Rehbrücke, wo sie mit ihrem Ehemann seit 1937 gelebt hat. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof der Gemeinde. Seit den 1980er Jahren erinnert ein in der Nähe ihres ehemaligen Wohnhauses befindlicher Platz an die beliebte Künstlerin.
Verfasserin: Jeanette Toussaint
Zitate
„Lotte Werkmeister – das ist ein Begriff für sich, ganz besonders bei uns in Berlin, und kein Mensch denkt, daß diese Lotte Werkmeister etwa eine verheiratete Frau mit einem ‚ganz anderen Namen’ sein könnte. (...) Also ist Lotte Werkmeister eigentlich Frau Jaksch, aber darauf geht das Publikum, geschweige der Berliner, mit Recht gar nicht ein, und für die Nachbarschaft um Rehbrücke herum, wo das Künstlerehepaar wohnt, wird daraus das Gegenteil gemacht: Herr Jaksch ist bei den Leuten einfach ‚Herr Werkmeister!’“ („Berliner illustrierte Nachtausgabe“ vom 9.8.1941)
„Ich erlebe sie oft gehemmt und beklommen, ja vom Lampenfieber gepackt, so unwahrscheinlich das auch für diese routinierte Künstlerin klingen mag (...) Aber von mir kann sie dann keine Hilfe erwarten, denn, wenn sie gehemmt und beklommen und vom Lampenfieber gepackt ist, dann bin ich’s noch mehr! So steckt das an. – So ist jede Premiere für Lotte immer eine schwere Stunde und dann naturgemäß auch für mich.“ (Heinz Jaksch in: „Berliner illustrierte Nachtausgabe“ vom 9.8.1941)
„Diese wirklich komische Komödiantin mit Herz versteht es immer wieder, die Menschen anzusprechen. Im Herzlichen hat sie ihre Stärke, und damit hat sie ihre Erfolge. Wenn sie sagt: ‚Sind se doch mal ehrlich’ in ihrer etwas schnodderigen berlinerischen Art, ja, dann kann man gar nicht anders, dann muß man ja ehrlich sein.“ („Neußer Zeitung“, Datum unbekannt, nach 1945)
Links
Filmliste von Lotte Werkmeister
Literatur & Quellen
Carlé, Wolfgang: Lotte Werkmeister. Eenmal in der Woche muß ick weenen. Berlin 1965.
Hoßfeld, Dagmar/Renate Wullstein: Das weibliche Potsdam. Kurzbiographien aus drei Jahrhunderten. Potsdam 1998, S. 81/82.
Toussaint, Jeanette: Zwischen Tradition und Eigensinn. Lebenswege Potsdamer Frauen vom 18. bis 20. Jahrhundert. Hg. vom Autonomen Frauenzentrum Potsdam e.V. Potsdam 2009, S. 70-82.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.