Biographien Lotte Gleichmann-Giese
(Lotte Gleichmann (eigentlich Charlotte Menna), geb. Giese)
geboren am 20. März 1890 in Aurich
gestorben am 6. April 1975 in Hannover
deutsche Malerin, Zeichenlehrerin
50. Todestag am 6. April 2025
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Lotte Giese war 17 Jahre alt, als ihre Familie wegen der Versetzung des Vaters von Aurich nach Breslau umzog. Unterwegs in die „Königlich preußische Kunst- und Kunstgewerbeschule“ um die Aufnahmeprüfung abzulegen stand sie auf der Treppe plötzlich dem drei Jahre älteren Kunststudenten Otto Gleichmann gegenüber. Es war Liebe auf den ersten Blick, sie wurden ein Paar. Die Verbindung hielt bis zu Ottos Tod am 2. November 1963. Beide fanden ihren jeweils eigenen Kunststil.
Schon als Kind in Ostfriesland hatte sie nach der Natur gezeichnet und Aquarelle gemalt. Nach vier Jahren Studium in Breslau legte sie ihr Examen ab und studierte in Berlin Philosophie, Literatur und Kunstgeschichte. Ihre großformatigen, farbigen Bilder auf Leinwand gemalt, wurden in Deutschland und im Ausland ausgestellt. Lotte signierte selbstbewusst mit einem Doppelnamen „L.G.G.“, obwohl er offiziell nicht galt.
Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges meldete sich Otto nicht freiwillig wie viele andere Künstler, er wurde einberufen. Sicherheitshalber gaben sie sich am 29. Mai 1915 das Jawort.
Um nicht allein leben zu müssen siedelte Lotte nach Hannover über, dem damaligen Wohnort ihrer Eltern. Wie vorher in Potsdam begann sie als Zeichenlehrerin zu arbeiten. Es war ein glücklicher Zufall, dass Otto nach einer Verwundung als frontuntauglich in die Leinestadt abkommandiert wurde. Der „Montmartre von Hannover“ die Atelierwohnung im obersten Stockwerk des Hauses Osterstraße/ Ecke Windmühlenstraße wurde für beide das neue Domizil. Mit der Geburt von Tochter Gunda-Anna am 19. September 1920 war die Familie vollständig.
Als Mitbegründerin und langjährige Leiterin der GEDOK (Gesellschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnenvereinigungen aller Kunstgattungen) in Hannover machte sie sich 1927 einen Namen. Direkt nach Kriegsende war das Ehepaar Mitglied der „Hannoverschen Sezession“ geworden; im Gegensatz zum als gestrig empfundenen Kunstbetrieb wollte man ausschließlich moderne Kunst fördern, in erster Linie den Expressionismus. Vor diesem Hintergrund war schon 1916 die Kestner-Gesellschaft gegründet worden.
Vom Balkon der Atelierwohnung aus sah man am Abend des 30. April 1933 einen ähnlichen Fackelzug wie in Berlin, nachdem Adolf Hitler zum Reichskanzler gewählt worden war. Grölende Horden in Braunhemden mit Hakenkreuzfahnen skandierten Parolen gegen die verschiedenen Personengruppen, die in Deutschland nicht mehr geduldet wurden. Otto bekam Malverbot, Werke von ihm wurden 1937 in München auf der Ausstellung „entartete Kunst“ gezeigt und vernichtet. Lotte verfiel in eine Schockstarre und hörte auf zu malen. Sie hatte Albträume und wachte nachts schreiend auf, nachdem Otto auf dem Nachhauseweg von SA-Männern überfallen und geschlagen worden war und der Blockwart öfter vorbeikam um nach versteckten Gemälden zu suchen. Wo sich früher ein buntes, internationales Völkchen getroffen hatte, von Lotte liebevoll umsorgt und bekocht, herrschte Angst. Einigen gelang die Emigration, andere wurden verfolgt, verschleppt und umgebracht. Freundschaften wurden zerstört. Stellvertretend für alle sei Kurt Schwitters genannt, ihm gelang eine abenteuerliche Flucht über Norwegen nach England; seine kongeniale Kunstpartnerin Kate Steinitz konnte mit Ehemann und drei Töchtern in die USA emigrieren. Ada und Theodor Lessing, Gründerehepaar der VHS Hannover, flohen in die Tschechoslowakei. Nach dem Mord an Theodor erreichte Ada Lessing allein England.
Schon im Spätsommer 1943 hatte das Ehepaar Gleichmann in einem kleinen Dorf im Deister eine Wohnung gemietet und Möbel untergestellt. Dort suchte die Familie immer wieder Schutz vor den Luftangriffen. Einige von Ottos Werken waren in der Krypta der Dorfkirche in Idensen versteckt. Lottes Werke verbrannten beim schweren Bombenangriff in der Nacht vom 8. auf 9. Oktober 1943, als Wohnhaus und Atelierwohnung zerstört wurden.
Nach Ende des Krieges war Otto schwer herzkrank und wurde von Lotte gepflegt. An seinem Todestag sah Otto seine Bilder durch; es ging ihm kurzzeitig besser. Gunda-Anna und Lotte standen an seinem Bett und hörten seine letzten Worte, eine Liebeserklärung an seine Frau: „Du warst die richtige Frau für mich, keine andere hätte ich haben mögen“.
Nur wenige Bilder stellte Lotte noch fertig, dann beendete sie ihre künstlerische Arbeit vollständig. Sie hielt Erinnerungen schriftlich fest und besuchte, wie ihre Enkelin Charlotte Kingeling wusste, Ostfriesland. Am 6. April 1975, Lotte hatte gerade ihren 85. Geburtstag gefeiert, starb sie in einem Altenheim und wurde im Familiengrab auf dem Stadtfriedhof Engesohde beigesetzt. Dort fand auch Tochter Gunda-Anna nach ihrem Tod am 10. April 2010 ihre letzte Ruhe. Die Grabstätte wird weiterhin von der Familie unterhalten.
Das Sprengelmuseum Hannover hat ein Bild von ihr (derzeit im Depot ), und in Hamburg im Altonaer Museum gibt es „Stillleben mit Brot und Tasse“ von 1918.
(Text von 2024)
Verfasserin: Barbara Fleischer
Literatur & Quellen
Baumfalk, Walter: “Eine Malerin aus Aurich, Lotte Gleichmann-Giese (1890 – 1975) war eine bedeutende Malerin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zeitlebens stand sie jedoch künstlerisch im Schatten ihres Ehemannen, des Malers Otto Gleichmann.” In: Ostfriesland Magazin Bd, 40,4, 2024, S. 90-95
Gleichmann-Kingeling, Gunda-Anna: Gleichmann-Giese, Lotte. In: Sophie & Co. Bedeutende Frauen Hannovers. Biograph. Porträts hrsg. von Hiltrud Schröder. 2. Aufl. Hannover 1996. S. 236.
Gleichmann-Kingeling, Gunda-Anna: Otto Gleichmann und seine Zeit. Hannover, Sprengel-Museum 2001. ISBN 3-89169-162-9.
Böttcher, Dirk; Mlynek, Klaus; Röhrbein, Waldemar; Thielen, Hugo: Hannoversches Biographisches Lexikon - Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hannover, Schlütersche 2002. S. 131-132.
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