Foto: Ruth Harriet Louise
geboren am 14. Oktober 1893 in Springfield, Ohio
gestorben am 27. Februar 1993 in New York
US-amerikanische Schauspielerin
130. Geburtstag am 14. Oktober 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Wale im August, ein Film unter vielen des Jahres 1982. Es gibt keine langen Schlangen vor den Kinokassen, und es gibt sicher auch nur ganz wenige, für die beim Anblick der zierlichen alten Dame von über neunzig Jahren, die eine der Hauptrollen spielt, die Zeit sich zurückdreht bis hin zu den Tagen, als der Film noch jung war.
Jung, kaum den Kinderschuhen entwachsen waren sie alle, die der Regisseur David W. Griffith engagierte, auch Lillian Gish ist gerade erst sechzehn Jahre, als sie ihren ersten Film mit ihm dreht. Perfekt verkörpert sie sein Ideal, eine fragile Kindfrau mit blondem Lockenhaar, das zarte Gesicht mit dem herzförmigen Mund beherrscht von den großen Augen. Lächeln, gar lachen durften diese Augen in all seinen Filmen kaum einmal, immer ist sie das unschuldige gequälte Opfer, das Opfer männlicher Grausamkeit und Gier.
Voll unterdrückter Gier wandern die Augen des Chinesen über ihr Gesicht und ihren Körper, seine Hände streicheln den Ärmel ihres Kimonos, während sie schläft. Zum Schutz vor dem prügelnden Vater hat er sie bei sich aufgenommen, aus Beschützen wird Begehren – in Broken Blossoms (1919) ist ein kleines Mädchen das Objekt der Begierde.
In The Greatest Question (1919) steckt der Regisseur sie wieder in Kinderkleider, lässt wieder ein Püppchen mit der Puppe im Arm das Opfer sein, auch in Orphans of the Storm (1922) ist es wieder ihre “jungfräuliche Schönheit”, so ein im Stummfilm üblicher Zwischentitel, die sie begehrenswert und verletzbar macht.
Zehn Jahre lang hat Lillian Gish die jungfräulichen Schönheiten Griffithscher Prägung ausdrucksstark und anrührend verkörpert, dann trennten sich ihre Wege. Aber ein Ausbruch aus dieser Rolle gelingt ihr auch mit Filmen wie The Scarlet Letter (1926) und The Wind (1928) unter der Regie des Schweden Viktor Sjöström nicht mehr. Die 20er Jahre lassen die Kindfrau von der Leinwand verschwinden, das selbstbewusste Jazz-Baby betritt die Szene.
1920 hatte Lillian Gish für den Film Remodeling Her Husband hinter der Kamera gestanden: Sie führte Regie, die Hauptrolle spielte ihre zwei Jahre jüngere Schwester Dorothy. Mit ihr zusammen war sie schon als kleines Kind im Theater aufgetreten, zum Theater kehrten sie beide nach Beendigung ihrer Filmkarrieren auch zurück.
(Text von 1995)
Verfasserin: Brigitte Warkus
Literatur & Quellen
Affron, Charles. 2001. Lillian Gish Her Legend, Her Life. New York. Scribner.
Bogdanovich, Peter. 1995. A Moment with Miss Gish. Santa Barbara. Santa Teresa Press.
Butler, Ivan. 1987. Silent Magic: Rediscovering the Silent Film Era. London. Columbus Books.
Gish, Lillian mit Ann Pinchot. 1969. The Movies, Mr Griffith and me. Englewood Cliffs, NJ. Prentice-Hall.
Gish, Lillian. 1973. Dorothy and Lillian Gish. Hg. James E. Frasher. New York. Scribner.
Gish, Lillian mit Selma G. Lanes. 1987. An Actor's Life For Me. Viking Penguin.
Golden, Eve. 2001. Golden Images: 41 Essays on Silent Film Stars. Jefferson, NC. McFarland.
Oderman, Stuart. 2000. Lillian Gish A Life on Stage and Screen. Jefferson, North Carolina. McFarland & Company.
Rosen, Marjorie. 1974. Popcorn Venus. 3. Aufl. New York. Avon Books.
Sinclair, Marianne. 1989. Hollywood Lolita: Der Nymphchen-Mythos. Deutsch von Cornelia Zumkeller. München. Heyne Filmbibliothek.
Vermilye, Jerry. 1985. The Films of the Twenties. Secaucus, NJ. The Citadel Press.
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