(Elisabeth Wellano [eigentlicher Name])
geboren am 12. Dezember 1892 in München
gestorben am 27. Juli 1960 in Garmisch-Partenkirchen
deutsche Schauspielerin, Komikerin und Kabarettistin
130. Geburtstag am 12. Dezember 2022
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Zeitlebens steht sie im Schatten Karl Valentins. Liesl Karlstadt wird kaum je als eigenständige Schauspielerin wahrgenommen, sondern ist stets nur »kongeniale Partnerin« und zweifellos hervorragende Stichwortgeberin ihres Bühnenpartners. Dabei muß sie nicht nur in viele Rollen schlüpfen – im Gegensatz zu Valentin, der immer nur sich selbst spielt –, sondern auch geistesgegenwärtig auf seine plötzlichen Einfälle und Improvisationen reagieren. Selbst das Münchner »Valentin-Musäum« wird erst 2001 in »Valentin-Karlstadt-Musäum« umbenannt, um Karlstadts Bedeutung angemessen zu würdigen.
Elisabeth Wellano wird als fünftes von neun Kindern einer Bäckerfamilie italienischer Herkunft in Schwabing geboren. Trotz harter Arbeit lebt die Familie in großer Armut. Zudem leidet Elisabeth unter dem Spott der Nachbarskinder, die ihr immer wieder »Wellano, Wellano – Italiano, lebst aa no?« hinterherrufen. Nach siebenjährigem Besuch der Volksschule macht sie eine Lehre als Textilverkäuferin und arbeitet anschließend in der Kurzwarenabteilung des Warenhauses Hermann Tietz.
Ihr Berufswunsch Lehrerin ist für ein Mädchen aus der Unterschicht völlig unerreichbar. Daher sucht sie nach anderen Möglichkeiten, ihren Ehrgeiz und ihre Hoffnung auf ein anderes Leben zu verwirklichen. Mehrere Monate tritt sie neben ihrer Arbeit als Jodlerin, Chorsängerin, Soubrette oder Komödiantin im »Bamberger Hof« auf. Dann kündigt sie bei Tietz und überwirft sich mit ihrem Vater, um ihr neues Leben auf der Bühne zu beginnen. Schon gleich zu Beginn wird von ihr große Flexibilität verlangt: Sie singt im Chor, tritt als Solistin, in Einaktern, Bauernkomödien und Dramen auf, u.a. als Marguerite Gauthier in der »Kameliendame«.
Einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg lernt sie Karl Valentin kennen, der zu jener Zeit als Solist auftritt. Bald darauf nimmt sie auf Ratschlag Valentins ihren Künstlerinnennamen Liesl Karlstadt an (»Wellano hört sich so nach Trapeznummer an«) und beginnt die Bühnenpartnerschaft und auch ein Verhältnis mit Valentin. Sie parodiert die unterschiedlichsten »Typen« – von der Schallplattenverkäuferin über den Firmling und Schusterbuben bis zu ihrem berühmten Kapellmeister. Sie ist in ihren Männerrollen so überzeugend, daß sie von vielen ZuschauerInnen tatsächlich für einen Mann gehalten wird und sogar Heiratsanträge von Frauen bekommt. Dennoch steht sie bei den Theaterkritikern immer im Schatten von Karl Valentin. Von ihnen wird sie oft nicht einmal wahrgenommen – obgleich sie bereits seit 1915 gleichberechtigte Direktorin des kleinen Ensembles ist und etliche Sketche aus ihrer Feder stammen.
1930 versucht Liesl Karlstadt einen künstlerischen Alleingang und bekommt gute Kritiken als Vertretung von Therese Giehse an den Kammerspielen. Sie kann sich allerdings nicht zu einem endgültigen künstlerischen Wechsel entschließen und verfolgt zunächst beide Auftrittsmöglichkeiten parallel. Anfangs werden Karlstadt und Valentin noch zu Aufführungen von NS-Vereinigungen eingeladen; dann aber immer seltener, weil sie sich nicht für die »nationale Sache« einspannen lassen. Liesl Karlstadt schreibt eine Parodie auf die »Führer«-Reden mit dem Titel: »Die deutsche Laugenbretzel«.
Liesl Karlstadt leidet immer mehr unter der Rücksichtslosigkeit, den Ängsten, dem kleinlichen Geiz und den hypochondrischen Anwandlungen Valentins. Im April 1935 versucht sie sich in der Isar zu ertränken, wird aber noch rechtzeitig aus dem Wasser gezogen. Bis 1937 befindet sie sich wegen ihrer Depressionen immer wieder in psychiatrischer Behandlung. Wäre sie nach einer Gebärmutteroperation nicht ohnehin fortpflanzungsunfähig gewesen, hätte man sie laut Gutachten ihres behandelnden Arztes wegen manisch-depressiver Psychosen zur »Verhütung erbkranken Nachwuchses« zwangssterilisiert.
Nach ihrer Entlassung aus der psychiatrischen Klinik steht sie zunächst wieder mit Valentin auf der Bühne, dreht Filme mit ihm und nimmt Hörspiele auf. Daneben spielt sie im Gärtnerplatztheater, Volkstheater und Deutschen Theater. 1940 tritt sie zum letzten Mal mit Valentin auf, der sich eine neue Partnerin gesucht hat. Bis 1943 lebt Liesl Karlstadt illegal auf der Ehrwalder Alm bei den Gebirgsjägern, wo sie als »Gefreiter Gustav« und Mulipflegerin dient, wenn sie nicht in München auf der Bühne steht.
Ab den 1950-er Jahren arbeitet Liesl Karlstadt zunehmend bei Film und Rundfunk, später auch im Fernsehen, allerdings nicht mehr in Hosenrollen, sondern in der Hausfrauen- und Mutterrolle, v.a. als »Meisterhausfrau Wally Brandl«. Ihre Vielseitigkeit und Verwandlungsfähigkeit werden hier nicht mehr gefordert. Während eines Urlaubs in Garmisch-Partenkirchen im Sommer 1960 stirbt sie an einem Schlaganfall. Sie wird auf dem Friedhof München-Bogenhausen beerdigt; ihr Grabkreuz ist ein rotgestrichenes Herz mit doppeltem Boden.
Auf dem Viktualienmarkt erinnert seit 1961 eine meist mit Blumen geschmückte Brunnenfigur an sie. Im 2001 in »Valentin-Karlstadt-Musäum« umbenannten Museum im Isartor wird zugleich das Liesl-Karlstadt-Kabinett eröffnet, in dem u.a. auch ein Persil-Werbefilm mit Liesl Karlstadt zu sehen ist – der erste Werbespot für das deutsche Fernsehen überhaupt.
(Text von 2009)
Verfasserin: Christine Schmidt
Zitate
Sie, Fräulein – Fräulein, Sie san eben als Subrettn aufgetreten, heut hab i Sie zum ersten Mal gsehn. Des is nix. Wissen S‘ … Wissen S‘, Sie san so schüchtern, und so brav schaun S‘ aus. Sie ham mich direkt derbarmt. A Subrettn muß ganz keß sein, die muß an Busen ham.
Aber Sie san sehr komisch. Ja, Sie müssn sich darauf verlegn. Ich schreib Ihnen mal in nächster Zeit a komisches Subrettncouplet, also eine Parodie auf a richtige Subrettn. Und des bringen S‘.
(Karl Valentin zu Liesl Karlstadt, 1911)
Wir verfassen unsere Stücke selbst, indem wir in die Probe gehen, bewaffnet mit Bleistift und einem Stück Papier. Da sprechen wir von verschiedenen vorhandenen Ideen, das heißt: ich stelle Fragen, und er beantwortet sie mir.
(Liesl Karlstadt über die Zusammenarbeit mit Karl Valentin)
Bene: Ja, i hab jetzt grad an Traum ghabt, an ganz exotischen Traum. Mir hat nämlich träumt, i bin a Antn gwesn und bin in an Weiher umanand gschwommen. Und wia i so umanand schwimm, seh i am Rand draußen an ganz langen, gelben Wurm, der war mindestens so gelb. I bin glei auf ihn hingschwommen, und grad wia i an Schnabel aufreißn wui und wui den Wurm fressn, im selben Moment hast du mich aufgweckt.
Michl: Das is aber schad. Wenn ich da eine Ahnung ghabt hätt, dann hätt ich dir den Wurm zuerst fressen lassen, aber das kann ich doch nicht schmecken, daß du um sechs Uhr noch träumst.
Bene: Ja, und i kann doch ned zu dir sagn: Weck mi ned auf, weil i träum!
Michl: Nun ja, es ist ja gleich. Ein schöner Traum war’s doch ned.
Bene: Ja, für a Antn scho…
Michl: Ja, für a Antn, aber du bist ja koa Antn!
Bene: Ja, aber im Traum war i a Antn. Überhaupt, für solchane Träume bist no z’jung.
(Karl Valentin als Schildwache Bene und Liesl Karlstadt als Trommlerbub Michl in »Die Raubritter vor München«, 1924ff)
Wie sehr Du mir nicht ans, sondern ins Herz gewachsen bist, wirst Du wohl nie erfassen. Ohne Dir ist die Welt völlig inhaltslos. Du hast für mich schon so viel Geduld aufgebracht warum sollst Du es nicht für Dich selbst können… Halte aus! Halte aus! Halte aus im Sturmgebraus!
(Brief von Valentin an Karlstadt nach ihrem Selbstmordversuch, 1935)
Wissen S‘, auf der Bühne, da hab ich halt die Schneid, aber nachher ist alles wieder vorbei, und i muaß mi ehrlich plagn! Gschenkt krieg i aa nix! Glei nach der Währungsreform hams mir mei Gage runtergsetzt auf fünfzig Prozent, weil die Eintrittspreise heruntergegangen sind. Wie’s dann aber wieder in die Höh sind, hat die Stadt das Versprechen, das sie mir gebn hat, wieder vergessen. Ich kann nur hoffen, daß mich die Stadt München ned im Stich laßt, sonst muß ich hungern oder wieder zum Tietz als Verkäuferin gehn. Wie ich als siebzehnjähriges Mädel von der Kurzwarenabteilung weggegangen bin, hat der Personalchef zu mir gsagt, i soll wiederkommen, wenn’s mir einmal schlecht geht im Leben.
(Liesl Karlstadt zu einem Journalisten der »Süddeutschen Sonntagspost«, 1949)
Links
Valentin-Karlstadt-Musäum – Zur Erinnerung an Karl Valentin und Liesl Karlstadt.
Online verfügbar unter http://www.valentin-musaeum.de/, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
filmportal.de: Liesl Karlstadt. Biografie, Filmografie, Fotos, Literatur.
Online verfügbar unter http://www.filmportal.de/person/liesl-karlstadt_a01650a6b1064b66af70df7f6fabbd1d, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Karlstadt, Liesl, 1892-1960.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/118560247, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
München-Wiki: Liesl-Karlstadt-Brunnen.
Online verfügbar unter http://www.muenchenwiki.de/wiki/Liesl-Karlstadt-Brunnen, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Virtual History – Film: Liesl Karlstadt. Filmografie (mit Links), Movie-Cards, Literatur.
Online verfügbar unter http://film.virtual-history.com/person.php?personid=3072, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Wikipedia: Liesl Karlstadt.
Online verfügbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Liesl_Karlstadt, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Literatur & Quellen
Bronnen, Barbara (1998): Karl Valentin und Liesl Karlstadt. Blödsinnskönig – Blödsinnskönigin. Berlin. Rowohlt (Paare). ISBN 3-87134-304-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Dimpfl, Monika (1996): Immer veränderlich. Liesl Karlstadt (1892 bis 1960). Herausgegeben von Kulturreferat Landeshauptstadt München und Literaturarchiv und Bibliothek Monacensia. München. A-1-Verlag (MonAkzente, 3). ISBN 3-927743-23-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Festner, Katharina; Raabe, Christiane (2008): Spaziergänge durch das München berühmter Frauen. S. 28–31. Zürich, Hamburg. Arche-Literatur-Verlag. ISBN 978-3-7160-3604-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Karl, Michaela (2004): Liesl Karlstadt. Die traurige Komödiantin. In: Karl, Michaela: Bayerische Amazonen. 12 Porträts. Regensburg. Pustet. ISBN 3-7917-1868-1. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Karlstadt, Liesl (2002): Nebenbeschäftigung Komikerin. Texte und Briefe. München. Allitera. ISBN 3-935877-50-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klein, Thomas (1999): Komödiantinnen im frühen 20. Jahrhundert. Liesl Karlstadt und Adele Sandrock. Alfeld/Leine. Coppi (Aufsätze zu Film und Fernsehen, 66). ISBN 3-930258-65-X. (WorldCat-Suche)
Wendt, Gunna (2000): Liesl Karlstadt. Ein Leben. München, Zürich. Piper (Serie Piper, 2981). ISBN 3-492-22981-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wendt, Gunna (2007): Liesl Karlstadt. Münchner Kindl und Travestie-Star. Berlin. Edition Ebersbach (Blue notes, 37). ISBN 978-3-938740-38-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Audio-CDs (Auswahl)
Karlstadt, Liesl (2001): Verrückte Märchen und Komische Lieder 1919 – 1955. Audio-CD. Hamburg. Trikont. (Amazon-Suche)
Valentin, Karl; Karlstadt, Liesl (2006): Geschichten aus der Nachkriegszeit. Inszenierte Lesung. Audio-CD. Bayerischer Rundfunk. München. Der Hörverl. ISBN 978-3-89940-915-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Valentin, Karl; Karlstadt, Liesl (2007): Karl Valentin und die Frauen. Monologe, Dialoge und Couplets von und mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt. Audio-CD, ca. 65 min. Herausgegeben von Gunter Fette. München. Der Hörverl. (Karl Valentin, Nr. 3). ISBN 978-3-86717-048-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Valentin, Karl; Karlstadt, Liesl (2007): Karl Valentin und die Musik. Monologe, Dialoge und Couplets von und mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt. Audio-CD, ca. 75 min. Herausgegeben von Gunter Fette. München. Der Hörverl. (Karl Valentin, Nr. 4). ISBN 978-3-86717-050-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Valentin, Karl; Karlstadt, Liesl (2007): Karl Valentins wahrhaftige Weltbetrachtung [Tonträger]. Monologe, Dialoge und Szenen von und mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt. Audio-CD, ca. 75 min. Herausgegeben von Gunter Fette. München. Der Hörverl. (Karl Valentin, Nr. 1). ISBN 978-3-86717-046-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Valentin, Karl; Karlstadt, Liesl et al. (2007): Karl Valentin und die Gesundheit. Monologe, Dialoge und Couplets von und mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt. Audio-CD, ca. 50 min. Herausgegeben von Gunter Fette. München. Der Hörverl. (Karl Valentin, Nr. 2). ISBN 978-3-86717-047-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
DVDs (Auswahl)
Baier, Jo (2008): Liesl Karlstadt und Karl Valentin. Fernsehfilm, 94 min. Mit Johannes Herrschmann, Hannah Herzsprung, Bettina Redlich und Gisela Schneeberger. Deutschland. UFA. (Amazon-Suche)
Karl Valentin & Liesl Karlstadt. Die Kurzfilme (2002). 3 DVD-Edition. 480 min. VZ-Handelsgesellschaft. (Amazon-Suche)
Karl Valentin & Liesl Karlstadt. Die Spielfilme (2004). 3 DVD-Edition. 278 min. VZ-Handelsgesellschaft. (Amazon-Suche)
Karl Valentin & Liesl Karlstadt. Die beliebtesten Kurzfilme (2006). 5 DVDs, 106 min. Ascot Elite Home Entertainment. (Amazon-Suche)
Karl Valentin & Liesl Karlstadt. Die Kurzfilme. Neuedition (2008). 3 DVD-Edition mit vielen Extras. KNM Home Entertainment. (Amazon-Suche)
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