(Leontine Schlesinger [Geburtsname], Medi Schlesinger)
geboren am 13. Februar 1889 in Budapest (Österreich-Ungarn)
gestorben am 19. Mai 1974 in Pretoria (Südafrika)
österreichisch-ungarische Schauspielerin, Bühnen- und Filmregisseurin
50. Todestag am 19. Mai 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Bekannt ist Leontine Sagan heute vor allem für eine Arbeit, die eine Ausnahme für sie war: nämlich als Regisseurin der ersten Fassung des Films Mädchen in Uniform. Hatte sie das Stück von Christa Winsloe erst 1931 in Berlin unter dem Titel Gestern und heute auf die Bühne gebracht, so wurde es noch im gleichen Jahr von ihr verfilmt; es war ihre erste Filmregie, die sie allerdings gleich weltberühmt machte.
Leontine Sagan wurde 1889 in Budapest als Leontine Schlesinger geboren. Ihre Mutter gehörte zum jüdischen Bürgertum in Wien, ihr Vater arbeitete in den Diamantenfeldern in Südafrika. Zwischen diesen beiden Polen sollte sich dann auch ihr Leben abspielen. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie abwechselnd in Südafrika und Österreich-Ungarn. Bei einer ihrer Europareisen wurde der Besuch des Theaterstücks Das Nachtasyl von Maxim Gorki unter der Regie von Max Reinhardt in Berlin zum Wendepunkt in ihrem Leben. Es zog sie gleich in ihren Bann; zum ersten Mal erlebte sie, was sie als den ureigenen Zweck des Theaters sah: die Unmittelbarkeit des Erlebens. Und für sie war klar, dass sie Schauspielerin werden wollte.
Erst einmal musste sie aber zurück nach Südafrika, wo sie Unterricht in Stenographie und Maschineschreiben nahm. Anschließend arbeitete sie mehrere Jahre als Sekretärin im österreichisch-ungarischen Konsulat, ging aber gleichzeitig ihrer Neigung zu Kunst und Literatur weiterhin nach.
Nach Erreichen der Volljährigkeit mit 21 Jahren reiste sie zurück nach Europa und ging nach Berlin an die Schauspielschule von Max Reinhardt. Es folgten Engagements in Böhmen, Dresden und Wien. Ab 1916 war sie für zwölf Jahre in Frankfurt am Main, erst am Neuen Theater, später am Schauspielhaus. In dieser Zeit erweiterte sie ihren Rollenkreis zu einem reichhaltigen Repertoire und spielte auch die großen klassischen Rollen. An der dem Schauspielhaus angeschlossenen Theaterschule gab sie später auch Unterricht, was dazu führte, dass sie - für eine Frau zu dieser Zeit noch völlig unüblich – auch anfing, Regie zu führen. 1918 heiratete sie den Wiener Victor Fleischer, den sie zwei Jahre vorher bei einem Aufenthalt in Wien kennengelernt hatte. Er baute dort die Frankfurter Verlagsanstalt auf, einen kunstwissenschaftlichen Verlag, der schnell Erfolg hatte.
Unruhe, bohrender Ehrgeiz und die Angst davor, dass ihre Entwicklung bereits vorbei sein könne, brachten Sagan mit 37 Jahren dazu, nach Berlin zu gehen. Erst nach einem Kampf und dem Umweg über das Englische Theater - hier kamen ihr ihre guten Englischkenntnisse aus ihrer Zeit in Südafrika zugute - gelang ihr der Einstieg in die dortige Theaterwelt. 1931 führte sie Regie bei dem Theaterstück Gestern und heute von Christa Winsloe und wurde daraufhin auch für die Regie von dessen Verfilmung unter dem Titel Mädchen in Uniform angefragt, eine Herausforderung, die sie voll Freude annahm. Der Film wurde ein Welterfolg.
1932 reiste Sagan auf Einladung von Alexander Korda von den London Film Productions nach England. Dieser wollte gerne einen Film mit ihr produzieren, sein Bruder Zoltan sollte ihr dabei als Produzent zur Seite stehen. Diese Zusammenarbeit verlief jedoch schlecht, das Drehbuch war zu „papiern“, und was ihr als Satire vorgeschwebt hatte, wurde zur flachen Komödie. So ist es wenig erstaunlich, dass der Film Men of Tomorrow (1932) recht erfolglos blieb. Den Rest ihres Lebens sollte sie sich nur noch mit dem Theater beschäftigen, das ihr ohnehin mehr lag.
Erst einmal wurde sie gebeten, das Stück Children in Uniform, die englische Fassung von Gestern und heute am Royal Duchess Theatre in London zu inszenieren, was ein großer Erfolg wurde.
Mit einem Ensemble, das nur aus Frauen bestand, ging Sagan mit den beiden Stücken Children in Uniform und Nine till Six von Aimee Stuart auf Tournee in Südafrika. Anschließend kehrte sie nach England zurück, wo sie erst einige Stücke für die Oxford University Dramatic Society produzierte und danach ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem Musicalstar Ivor Novello begann. Sagan war die erste Frau, die am legendären Theatre Royal Drury Lane in London Regie führte.
1939 erhielt sie zwar von David O. Selznick, dem Filmproduzenten von Metro Goldwyn Mayer, einen Vertrag für Hollywood, aber Sagan hatte keine große Erwartungen an den Aufenthalt dort. Sie sah den Vertrag als Möglichkeit, sich auf Kosten der Filmgesellschaft das Land anzusehen. Es war ihr völlig egal, ob sie dort einen Film drehen würde. Und so liefen ihre Bemühungen dort auch auf nichts hinaus – aber sie erlebte drei sorglose Monate in Amerika.
Den Großteil der nächsten Jahre verbrachte Sagan, bis auf einige Theateraufführungen in den Vereinigten Staaten und Australien, wieder in England. Die Sehnsucht nach Südafrika sollte sie jedoch ihr Leben lang begleiten, die dortige Landschaft blieb ihr immer Heimat, und so ging sie 1947 mit ihrem Mann dorthin zurück. In den folgenden Jahren baute sie das südafrikanische Nationaltheater auf. Bis 1963 führte noch Regie und trat als Schauspielerin auf.
Leontine Sagan starb 1974 in Pretoria.
Verfasserin: Doris Hermanns
Zitate
Männer-Regisseure dürfen sich Mißerfolge leisten, einer Film-Regisseurin, die an sich ein Kuriosum ist, würde es als Makel anhaften.
When I think of what I have lived through and experienced, it is like a tidal wave washing over me. There has been so much.
Literatur & Quellen
Film von Leontine Sagan (Regie):
- Mädchen in Uniform (1931)
- Men of Tomorrow (1932)
Film über Leontine Sagan:
Leontine Sagan (2011) von Julia Frick: http://juliafrick.com/web/?page_id=13 http://vimeo.com/37961210
Literatur über Leontine Sagan:
Hermanns, Doris. 2011. Rezension von Leontine Sagans Autobiographie “Licht und Schatten: Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinenten”.
Sagan, Leontine: Licht und Schatten. Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinenten. Hg von Michael Eckhardt. Jüdische Memoiren Band 16. Berlin, Hentrich & Hentrich, 2010
Sagan, Leontine: Lights & Shadow: The Autobiography of Leontine Sagan. Ed. by Loren Kruger. Wits University Press, 1996
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