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geboren am 26. August 1552 in Bologna
gestorben am 11. August 1614 in Rom
italienische Malerin
410. Todestag am 11. August 2024
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
1552 kommt in Bologna Lavinia Fontana zur Welt.
Sie hat doppeltes Glück, denn erstens ist ihr Vater Prospero Fontana Maler und zweitens kennt man Bologna als besonders weltoffene Stadt, die schon die Bildhauerin Properzia de Rossi hervorgebracht hatte.
Lavinia wurde von ihrem Vater unterstützt und sogar ausgebildet. Sie war das einzige überlebende Kind der Familie und es lag durchaus im Bereich des Möglichen, dass sie es einmal sein wird, die die Werkstatt des Vaters weiterführt. Für sie stellte es kein Problem dar, dass sie die Akademie nicht besuchen konnte, denn in der väterlichen Werkstatt fand sie ausreichend Anregungen. Auch von Properzia de Rossi und Sofonisba Anguissola hörte sie hier, lernt deren Werke kennen und eifert ihnen nach. Lavinia war eine sehr begabte, interessierte Schülerin. Und sie konnte mit ihrer freimütigen Art leicht Kontakt zu den Menschen herstellen, die von ihr gemalt werden wollten.
Da man in der Universitätsstadt Bologna lebte, waren viele Freunde der Familie Fontana Wissenschaftler. Einige von ihnen hat Lavinia porträtiert und einer wird ihr Leben besonders beeinflussen – der Naturforscher und Botaniker Ulisse Aldrovandi.
Von ihm lernt sie Objekte genau zu betrachten. Sie kennt seine Pflanzensammlung, seine Enzyklopädie und übersetzt diese floralen Miniaturen in ihren Porträts der Damen von Bologna in verblüffend exakt gemalte Spitze, funkelnde Knöpfe und raffiniert eingesetzte Schmuckstücke.
Lavinias Kundschaft ist anfangs zum großen Teil weiblich, denn in der fortschrittlichen Renaissancestadt Bologna war es in der Damenwelt gerade sehr chic, sich von Lavinia malen zu lassen. Ihr großer Vorteil: Sie ist selbst eine Frau, kennt sich aus mit weiblichen Befindlichkeiten, trägt selbst aufwendig genähte und geschmückte Kleider. So stellen sich schnell gute Bekanntschaften, ja Freundschaften ein, die Stimmung beim Porträt-Sitzen bleibt entspannt und die Kleider, der Schmuck und die Frisuren der Damen werden zu deren vollster Zufriedenheit dargestellt. Lavinia legt großen Wert auf persönliche Gegenstände, die sie mit abbildet, als würde man sich im privaten oder beruflichen Umfeld der jeweiligen Person befinden – eine neue Strömung in der Porträtkunst nimmt ihren Lauf. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Punkt ist die Tatsache, dass Frauen untereinander im damaligen sozialen Kontext leicht miteinander verkehren konnten, denn es waren keine Anstandsdamen notwendig, die unerlässlich gewesen wären, wäre der Maler ein Mann.
Fortschrittlich geht es zu in der pulsierenden Stadt, aber doch nicht so fortschrittlich, dass eine junge Malerin alleine ihre Werke verkaufen oder eine Werkstatt führen könnte. Also muss ein Ehemann gefunden werden, damit Lavinia als achtbare Frau in der sozialen Struktur der damaligen Zeit bestehen kann.
Eines der ersten Bilder, das wir von ihr kennen, könnte ihr Verlobungsbild gewesen sein. Als Remineszenz an Sofonisba Anguissola stellt sie sich am Spinett dar und beschreibt sich in der oberen Ecke sinngemäß als »Jungfrau, gemalt beim Blick in den Spiegel«. Dieses Bild zeigt eine typische Motivgestaltung der Renaissance, denn Lavinia demonstriert einerseits durch das Spiel des Instrumentes ihre gute Erziehung, andererseits weist sie mit der Abbildung des Ateliers im Hintergrund auf ihr Leben als Künstlerin hin.
Sie hatte es wesentlich einfacher als Sofonisba Anguissola, denn als Mitgift konnte sie eine gutgehende Malerwerkstatt in die Waagschale werfen. So fand Lavinias Vater im Maler Paolo Zappi den idealen Partner für seine begabte Tochter. Der junge Mann unterschreibt einen erstaunlich detaillierten Ehevertrag und wird im Laufe der nächsten Jahre in einer glücklichen, harmonischen und finanziell erfolgreichen Ehe die üblicherweise »weibliche« Rolle besetzen. Von nun an fungiert er sehr erfolgreich als Lavinias Manager, als Experte in Haushaltsdingen und als durchaus fürsorglicher, auf »Work-Life-Balance« achtender Partner. Sogar die Tatsache, dass das Ehepaar elf Kinder bekommt, hindert Lavinia nicht daran, immer weiter zu malen.
Auf ihren Bildern finden wir standesbewusste Großfamilien, aufgeputzte Kinder mit geradem Blick aus dem Porträt heraus, prunkvoll gekleidete Damen in ihren noch prunkvolleren Palazzi. Aber man irrt sich, würde man annehmen, sie lege lediglich Wert auf diese prächtigen, glanzvollen Darstellungen. Vielmehr faszinierte sie die Herausforderung, die in der Abbildung der detailreichen Kleidung und der phantasievollen Spielzeuge der Kinder lag. Ein Porträt zeigt mehr als alle anderen, dass Lavinia genau betrachtete, tiefer hineinsah, in keiner Weise urteilte, sondern einfach nur genau abbildete. Ihr Porträt der Antonietta Conzales, einem kleinen »Wolfsmädchen«, das am Hofe der Gräfin Palavicini lebte, ist mit so viel Liebe und Zuneigung angefertigt, dass man sofort wieder an ihre ersten Einflüsse durch den Botaniker Aldrovandi erinnert wird, der ihr das genaue Hinsehen vermittelt hat.
1604 zieht die 52-jährige Lavinia auf Einladung Papst Clemens‘ VII. mit ihrer Familie nach Rom. Dieser ist schon der zweite Papst, der sie unterstützt. Bereits über 20 Jahre zuvor nämlich hatte der aus Bologna stammende Papst Gregor XIII. sein Porträt bei ihr bestellt und somit den Weg für weitere kirchliche Aufträge geebnet. Das führte dazu, dass Lavinias Werk erstaunlich vielfältig ist; sie porträtierte nach wie vor viel, fügte ihrem Gesamtwerk aber auch Bilder mit mythologischen und sakralen Themen hinzu. In Rom wurde sie bald »die päpstliche Malerin« genannt und erhielt Aufträge aus der näheren und weiteren Umgebung des Vatikans – auch hier in Rom waren die adeligen Damen begeistert von ihrer Kunst.
Ebenso wie Sofonisba Anguissola und Artemisia Gentileschi hat Lavinia Fontana mindestens ein »erstes Mal« zu bieten. Denn ihr Bild »Minerva kleidet sich an« gilt in der Welt der Kunstgeschichte als der erste von einer Frau gemalte Akt. Ihre nackten Figuren haben eine völlig andere Ausstrahlung, als die ihrer männlichen Kollegen. Sie malt Mars, Minerva, Venus mit dermaßen großer Frische und einem nicht zu übersehenden Augenzwinkern, dass man ganze Geschichten in den Bildern liest und nicht nur den dargestellten Augenblick wahrnimmt. Das Wissen um tiefste weibliche Geheimnisse kann nur von einer Frau gemalt werden – möglicherweise möchte sie uns das zuflüstern.
Und Lavinia wird Mitglied der 1577 gegründeten Accademia di San Luca. Vermutlich ist auch das ein »erstes Mal« in der Kunstgeschichte.
Am Ende ihres Lebens wird sie auch mit Altarbildern beauftragt, was in der damaligen Zeit für einen Künstler das höchste Ziel darstellte. Also hatte sie erreicht, was erreicht werden konnte. Und doch nimmt ihr Leben noch einmal eine verblüffende Wendung. Denn innerhalb kürzester Zeit wird ihre Art zu malen unmodern. Das, was wir Nachgeborene einmal »Barock« nennen werden, beendet Lavinias Karriere abrupt. Sie zieht sich zurück, stirbt 1614 und wird anschließend in Santa Maria sopra Minerva bestattet. Von ihrem Grab ist außer einer kaum mehr sichtbaren Inschrift, die ihre Kinder anfertigen ließen, nichts übriggeblieben.
Verfasserin: Anja Weinberger
Links
Artnet (2022): Lavinia Fontana.
Online verfügbar unter http://www.artnet.de/k%C3%BCnstler/lavinia-fontana/, zuletzt geprüft am 12.07.2022.
Neri, Daniela (2021): Lavinia Fontana: Die „päpstliche Malerin“, die ihrer Zeit voraus war. In: Barnebys, 12.10.2021.
Online verfügbar unter https://www.barnebys.de/blog/lavinia-fontana-die-papstliche-malerin-die-ihrer, zuletzt geprüft am 12.07.2022.
Schmidt, Sandra: “Un'artefice cristiano”. Studien zu Lavinia Fontana als Historienmalerin.
Online verfügbar unter https://elib.uni-stuttgart.de/bitstream/11682/5416/1/Dissertation_Sandra_Schmidt.pdf, zuletzt geprüft am 12.07.2022.
The Morgan Library & Museum (2022): Fontana, Lavinia. Drawings.
Online verfügbar unter https://www.themorgan.org/drawings/artist/fontana-lavinia, zuletzt geprüft am 12.07.2022. Valeriia
Baklan (2019): Zu den Selbstporträts von Lavinia Fontana. Hausarbeit. Frankfurt am Main.
Online verfügbar unter https://www.researchgate.net/publication/351366720_Zu_den_Selbstportrats_von_Lavinia_Fontana.
Web Gallery of Art (2015): FONTANA, Lavinia.
Online verfügbar unter https://www.wga.hu/frames-e.html?/html/f/fontana/lavinia/index.html, zuletzt geprüft am 12.07.2022.
Wikimedia Commons (2022): Paintings by Lavinia Fontana.
Online verfügbar unter https://commons.wikimedia.org/wiki/Paintings_by_Lavinia_Fontana?uselang=de, zuletzt geprüft am 07.07.2022.
Weitere Frauenbiografien der Autorin finden Sie in diesem Buch:
Weinberger, Anja (2023): Frauengeschichten: Kulturgeschichten aus Kunst und Musik. 1. Auflage. Grieskirchen. Der Leiermann. ISBN 978-3-903388-41-3.
(Zum Buch)
Literatur & Quellen
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(Suche in Almuts Buchhandlung | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Shenkar, Nadine (2008): Lavinia Fontana. Text italia-angles-frances. 1. ed. Milano. Spirali. (L'arca, 30) ISBN 9788877708359.
(Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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