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geboren am 19. Februar 1902 in St. Paul, Minnesota
gestorben am 27. Dezember 1992 in Mill Valley, Kalifornien
US-amerikanische Schriftstellerin und Aktivistin
30. Todestag am 27. Dezember 2022
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Über vierzig Bände füllen die Romane, Kurzgeschichten, Gedichte, Essays und Rezensionen von Kay Boyle. Ihre Vielseitigkeit und sieben Jahrzehnte umspannende Karriere machen eine einfache Einordnung unmöglich. Vielen ist gar nicht bewusst, dass ihr unter den US-amerikanischen AutorInnen des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Platz gebührt. Gewiss ist aber, dass ihre zahlreichen, von 1946-53 verfassten Beiträge den Stil der New Yorker-Story prägten, die noch heute das unverwechselbare Markenzeichen dieses erfolgreichen Magazins ist.
Weit mehr als zwanzig Jahre verbrachte Kay Boyle in Europa, vor allem in Frankreich. Den gescheiterten Versuch, mit ihrem ersten Mann bei seiner konservativen Familie in der Bretagne zu leben, verarbeitete sie literarisch in Plagued by the Nightingale (1930). Die Betonung sozialer und emotionaler Konflikte, von Sehnsüchten und Schuld zieht sich durch ihr gesamtes, stark autobiographisches Werk und wird später um eine politische Dimension erweitert.
In Paris gesellt sich die junge Schriftstellerin zur Avantgarde, die Literatur und Kunst von den Traditionen des 19. Jahrhunderts befreien will: William Carlos Williams, Joyce, Hemingway, Stein, Brancusi, Duchamp, Picabia und viele andere gehören zur Szene. Das 1929 im Literaturmagazin transition abgedruckte Manifest zur “Revolution des Wortes” trägt auch Boyles Unterschrift. Die Suche nach einer neuen Ästhetik klingt in ihren experimentellen Gedichten an.
Es ist nicht nur permanente Geldknappheit – Boyle hat sechs Kinder zu versorgen – sondern auch ihre Sicht der Funktion von Literatur, die sie dazu veranlasst, Texte für ein breiteres Publikum zu schreiben. Trotzdem bleibt sie kritisch, zum Beispiel in ihren Äußerungen über Ezra Pound, Evelyn Waugh und T.S. Eliot wegen deren unbeteiligter Haltung zum spanischen Bürgerkrieg.
Ihre Beobachtungen als Auslandskorrespondentin im Nachkriegsdeutschland hält sie in bedrückenden Kurzgeschichten unter dem Titel The Smoking Mountain: Stories of Postwar Germany (1951) fest. Kurz darauf schlägt die Hexenjagd der McCarthy-Ära zu: Boyle und Ehemann Nr. 3, Mitglied der US-amerikanischen Besatzung in Deutschland, müssen sich hier vor einer Art Außenposten des Ausschusses für un-amerikanische Aktivitäten verteidigen. Trotz Freispruchs verlieren beide ihre Jobs und müssen zurück in die USA. Kay Boyles Texte werden jahrelang nicht publiziert, weil sie auf der schwarzen Liste gelandet ist.
Diese Erniedrigung zahlt sie dem Establishment heim, indem sie sich zu einer sehr unbequemen Bürgerin entwickelt. In den sechziger Jahren vermietet sie einen Teil ihres Hauses in der Haight-Ashbury-Gegend von San Fransisco an PazifistInnen und Studierende verschiedener Hautfarbe; das Erdgeschoss dient als alternativer Vorlesungsort, Schlafplatz, Treffpunkt für Amnesty International und Koordinationsstelle für Demonstrationen. Soziale Ungerechtigkeit, politische Verfolgung, Vietnamkrieg, Rassismus – mit stilistischer Schärfe und Engagement gibt sie ihrer Empörung Ausdruck. Nur für den Feminismus konnte sie sich nicht erwärmen und wollte auf keinen Fall als “woman writer” charakterisiert werden. Ihre Ambivalenz gegenüber Frauen spielte dabei sicher eine Rolle.
(Text von 2001)
Verfasserin: Marion Kremer
Zitate
“Ich fühle mich prächtig. Ich könnte zehn Romane mit einer Hand schreiben und fünf epische Gedichte mit der anderen… Ich schreibe meine Kurzgeschichten zu schnell, weil ich immer dem Stress ausgesetzt bin, Geld zu verdienen, eine beklagenswerte Vorstellung”.
(Brief, 1932)
“Heute fühle ich mich wie eine große Schriftstellerin. Das ist ein wunderbares Gefühl. Schade nur, dass es so schnell vorübergeht.”
(Brief, 1932)
Ein Kritiker beschrieb sie als “hinreißend und ärgerlich, scharf wie eine Peitsche und gemein wie der Teufel, mit der Vitalität eines Schlags ins Gesicht”.
Literatur & Quellen
Boyle, Kay. 1963 [1951]. The Smoking Mountain. Stories of Germany During the Occupation. New York. Knopf.
Boyle, Kay. 1985. Word that Must Somehow Be Said: Selected Essays of Kay Boyle 1927-1984. Edited and with an Introduction by Elizabeth S. Bell. San Francisco. North Point Press.
Boyle, Kay. 1991. Collected Poems of Kay Boyle. Port Townsend. Copper Canyon Press.
McAlmon, Robert & Kay Boyle. 1984 [1938]. Being Geniuses Together, 1920-1930. Revised and with supplementary chapters and an afterword by Kay Boyle. London. The Hogarth Press.
Mellen, Joan. 1994. Kay Boyle: Author of Herself. New York. Farrar, Straus & Giroux.
Spanier, Sandra Whipple. 1988. Kay Boyle: Artist and Activist. Carbondale und Edwardsville. Southern Illinois UP.
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