Welf Schröder bloch-blog.de
geboren am 22. Januar 1905 in Lodz
gestorben am 31. Juli 1994 in Tübingen
polnische Architektin und Publizistin
30. Todestag am 31. Juli 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
„Du machst zu meiner Philosophie die Praxis“, sagte Ernst Bloch, wenn sie wieder einmal von Wien, und später von Paris aus, zu einer ihrer riskanten Reisen nach Polen aufbrach, um wichtige Informanten zu treffen. Zwischen 1934 und 1937 versorgte sie die Kommunistische Partei der Sowjetunion regelmäßig mit Informationen über militärische Truppenbewegungen in Polen. Das Ergebnis der Russischen Revolution hat Karola Bloch fürs ganze Leben geprägt.
Die ponisch-jüdische Fabrikantenfamilie Piotrkowska lebte während des ersten Weltkriegs in Moskau, wo sich Karola mit ihrem drei Jahre älteren Bruder Izio immer wieder von zu Hause fortstahl und zu den Kundgebungen der Bolschewisten auf dem Roten Platz rannte.
„Wenn geschossen wurde“, erinnert sie sich, „legten wir uns flach“. „Ein Gefühl der Hoffnung“ habe sich damals bei ihr eingestellt – und das hat sie sich ein Leben lang bewahrt. 1921 übersiedelt sie mit ihren Eltern und drei Geschwistern nach Berlin, wo sie nach dem Abitur ein Architekturstudium beginnt, das sie 1934 in Zürich abschließt. Über ihrem Schreibtisch dort hing ein Porträt von Lenin. Ihrem irritierten Vater erklärte sie: „Entweder ich bin auf der Seite Hitlers oder auf der Seite der Sowjetunion“. (Ihre Eltern und zwei ihrer Geschwister sterben 1943 in Treblinka in den Gaskammern).
1932 war sie der Kommunistischen Partei beigetreten - Ernst Bloch, den sie 1929 kennengelernt und 1934 geheiratet hatte, war, obwohl lange Zeit auf Stalins Kurs, nie Parteimitglied. Aber auch er ist Jude, und es beginnen lange Jahre der Emigration. Über Wien, Paris – wo am 10. September 1937 Sohn Jan Robert zur Welt kommt – und Prag gelangen die Blochs schließlich in die USA, wo Karola die Familie ernährt. Sie verkauft Lebensversicherungen, arbeitet als Bedienung und – im Idealfall – als Architektin, auch ihre politische Arbeit setzt sie fort und tritt öffentlich auf. Der in den USA damals noch gänzlich unbekannte Ernst Bloch arbeitet zu Hause an seinem Werk. 1956 folgte er einem Ruf an die Universität Leipzig, Karola Bloch wird Architektin bei der Deutschen Bauakademie und entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Erziehung für den Arbeiterstaat Kindergärten und –krippen. „Ich war weniger stalinistisch als er“, kommentiert die Dissidentin ihren Ausschluss aus der Partei 1957. Nach dem Mauerbau 1961 übersiedelt das Paar nach Tübingen. Jetzt ist Karola Bloch die Frau von Ernst Bloch, viele Jahre war Ernst Bloch der Mann von Karola Bloch.
“Erst in der BRD hat sich das geändert“, sagte Hans Mayer in seiner Geburtstagsrede auf den 80-jährigen Bloch. Auch wenn sie jetzt nicht mehr berufstätig war und ihre Aufgabe darin sah, sich um den fast erblindeten großen Philosophen zu kümmern, die große Dame der Linken blieb weiter politisch aktiv.
Sie gründete den Verein „Hilfe zur Selbsthilfe“ zur Betreuung von Strafgefangenen, und, mit anderen, den „Republikanischen Club“, war u.a. aktiv in der §-218-Bewegung und polemisierte gegen die Berufsverbote. Noch im Alter von 76 Jahren reiste sie nach Nicaragua und unterstützte die Solidaritätsarbeit für die Sandinisten. Schließlich strengte die Bonner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen sie an: Sie hatte einen Aufruf zur gewaltfreien Blockade des Atomwaffenstützpunktes Hasselbach unterschrieben. Der Vorladung aufs Polizeipräsidium entzog sich die 82-Jährige: „Das kann ich nicht, dafür bin ich zu alt.“
(Text von 1999)
Verfasserin: Susanne Gretter
Zitate
Ich bin sozusagen Feministin am Rande oder Feministin durch die Art, wie ich als emanzipierte Frau lebte. Einer feministischen Bewegung habe ich mich niemals angeschlossen.
Karola Bloch
Literatur & Quellen
Bloch, Karola. 1981. Aus meinem Leben. Pfullingen. Neske.
Bloch, Karola.1989. Die Sehnsucht des Menschen, ein wirklicher Mensch zu werden: Reden und Schriften aus ihrer Tübinger Zeit. Hg. Anne Frommann & Welf Schröter. Mössingen-Talheim. Talheimer.
Frommann, Anne & Welf Schröter. Hg. 1991. Ich gehe zu jenen, die mich brauchen: Zum 85. Geburtstag von Karola Bloch. Mössingen-Talheim. Talheimer.
Hirschbach, Denny & Sonia Nowoselsky. 1993. Zwischen Aufbruch und Verfolgung: Künstlerinnen der zwanziger und dreißiger Jahre. Bremen. Zeichen + Spuren.
Kreis, Gabriele. 1988. Frauen im Exil. Darmstadt; Neuwied. Sammlg. Luchterhand 813.
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