geboren am 20. März 1872 in Randers, Jütland
gestorben am 11. Januar 1950 in Kopenhagen
dänische Schriftstellerin
150. Geburtstag am 20. März 2022
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Eine 38jährige Dänin veröffentlicht 1910 einen Roman. Nicht verwunderlich, der Name ist bekannt; sie ist seit Jahren journalistisch für in- und ausländische Zeitungen tätig. Studiert hatte sie Musik und Literatur in Kopenhagen. Eine lebhafte kleine Person mit unorthodoxen Ansichten. Die bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Romane und Erzählungen waren viel – überwiegend von Frauen – gelesen und in mehrere Sprachen übersetzt worden. Doch was sich so leicht und eingängig las, war überzeugtes frauenpolitisches Engagement.
1910 aber ging »der kleine Kobold«, wie Karin Michaëlis seit ihrer Kindheit genannt wurde, vielen zu weit. Diese Frau, seit 1895 mit dem Schriftsteller Sophus M. verheiratet, ließ ein Tabu zum Tagesgespräch werden. Mit dem nur 182 Seiten dicken Buch Das gefährliche Alter gelang ihr eine für ihre Zeit so emotionale und ehrliche Auseinandersetzung mit dem Klimakterium der Frau, daß ein Sturm der Entrüstung, besonders von bürgerlichen Frauen und verschreckten Männern, losbrach. Da wagte es diese Frau Michaëlis über die weibliche Sehnsucht nach sexueller Befriedigung, über die selbstbestimmte Trennung vom Ehemann und den ewigen Kampf um persönliche Freiheit zu schreiben. »Die letzten Intimitäten hat sie entblößt«, empörten sich Leserinnen, nachdem der Roman im selben Jahr in Deutschland erschienen war. Karin Michaëlis, die selbst schon an der Schwelle zum Alter stand, denn mit 40 hatte eine ordentliche Frau um die Jahrhundertwende ohne Ausbrüche und sexuelle Bedürfnisse zu leben, prägte für eine ganze Generation den Begriff des »gefährlichen Alters« und setzte die Diskussion um weibliche Sexualität und Alter in Gang. Eine Million Exemplare des Buchs wurden verkauft. In der ersten der drei Verfilmungen spielte Asta Nielsen die Hauptrolle.
Bezeichnend für diese Frau, die in der Welt herumreiste, zweimal heiratete und sich immer wieder neu verliebte ist, daß sie im Detail beobachtet und darstellt. Sie behandelt die nicht mehr vorhandene Liebe zwischen Ehepaaren, die Gehässigkeiten von Müttern ihren heranwachsenden Töchtern gegenüber, die psychische Gewalt alter Ehemänner gegen ihre jungen Frauen. Und all dies vor Woolf und Joyce mit dem Mittel des inneren Monologs.
Ein Grundsatz bestimmte das Leben dieser humorvollen und lebendigen Frau: Ungerechtigkeiten müssen benannt werden. Sie schrieb vehemente Aufrufe, in denen sie die Freilassung von Sacco und Vanzetti in den USA forderte. Sie trat gegen Hitler und Mussolini auf; ihre Bücher wurden in Deutschland und Italien verboten. 1933 nahm sie Helene Weigel und Bertolt Brecht auf.
Seit dem Frühling 1939 war sie auf Besuch in den USA, kehrte aber nicht wie geplant im Oktober 1939 zurück. Ihre Freundin Elna Munch, Frau des dänischen Aussenministers P. Munch, hatte sie gewarnt. Michaelis blieb während der ganzen Besatzungszeit in den USA. Und wegen Krankheit kehrte sie erst im Juli 1946 nach Dänemark zurück.
Selbst kinderlos, schrieb Michaelis sowohl pädagogische Betrachtungen zur Kindererziehung als auch sechs Bücher über das freche, neugierige und liebenswerte Mädchen Bibi. Mit der Illustratorin dieser Bände, Hedwig Collin, reiste sie durch die Lande und versetzte “Bibi” in das Leben außerhalb der eigenen vier Wände. Achtundsiebzigjährig starb Karin Michaëlis in Kopenhagen.
(Text von 1992; korrigiert 2017 nach Angaben von Kirsten Klitgård, der dän. Übersetzerin von Eddy 2003)
Verfasserin: Melitta Walter
Zitate
d-nb.info/gnd/11539396X
Literatur & Quellen
Literatur:
Karin Michaëlis in der Deutschen Nationalbibliothek
Eddy, Beverley D. 2003. Karin Michae͏̈lis: Kaleidoskop des Herzens. Eine Biographie. Übers. von Vibeke Munk und Jörg Zeller. Wien. Ed. Praesens.
Fischer-Dückelmann, Anna. 1911. »Vorwort«, in: Ärztlich-literarische Besprechung des Klimakteriums. Berlin. Hesperus.
Fuegi, John. 1997. Brecht & Co. Biographie [=The Life and Lies of of Bertolt Brecht]. Autorisierte, erweiterte und berichtigte dt. Fassg. von Sebastian Wohlfeil. Hamburg. Europ. Verlagsanstalt.
Michaëlis, Karin. 2005 [1910]. Das gefährliche Alter: Tagebuchaufzeichnungen und Briefe einer vierzigjährigen Frau. Frankfurt/M. suhrkamp taschenbuch 3710
Michaëlis, Karin. 1948. Der kleine Kobold: Die Lebenserinnerungen der Dichterin. Aus dem Engl. von Felix Horst. Wien. Humboldt.
Michaëlis, Karin. 1950 [1948-9]. Die wunderbare Welt. Autobiographie.
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