(Prof. Johanna Blum)
geboren am 1. Januar 1920 in Bozen, Südtirol/Italien
gestorben am 8. November 2005 in Bozen
Organistin, Chorleiterin und Musikpädagogin aus Südtirol, »Mutter der Musikschulen«
105. Geburtstag am 1. Januar 2025
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
»Klavier will ich spielen, aber es muss ein lautes Klavier sein«, sagte die kleine Johanna Blum, als sie in jungen Jahren die Liebe zur Musik entdeckte. Nach dem frühen Tod des Vaters wuchs sie unter der Obhut ihrer Mutter heran – eine Bindung, die zeitlebens ihr wichtigster menschlicher Bezugspunkt blieb. Früh als Talent erkannt, besuchte Johanna Blum das Musiklyzeum. Bereits im Alter von 13 Jahren durfte sie als eine der fünf besten MusikstudentInnen der Schule acht Tage in Rom verbringen, wo sie auch dem »Duce« und Papst Pius IX. begegnete. Zeitgleich und bedingt durch motorische Förderung wegen der Kinderlähmung, an der Johanna Blum erkrankt war, entwickelte sich ihr sportlicher Ehrgeiz und ihre Leidenschaft für den Wassersport: Schwimmen und Turmspringen. Lange Zeit liefen diese beiden möglichen Karrieren parallel. Trotz oder – Johanna Blums beharrlichem Temperament entsprechend – vielleicht gerade wegen ihrer Gehbehinderung wurde sie im Jahr 1937 Italienmeisterin im Turmspringen. Bald danach fiel aber endgültig die Entscheidung zugunsten der Musik.
»Ich wollte mich auch aus einem anderen Grund vom Schwimmsport zurückziehen. Ich hatte meiner Behinderung wegen Bedenken, ob ich im internationalen Feld bestehen würde können. Diese Erkenntnis schmerzte, aber sie war richtig.« (S. 60)
Das in Bozen begonnene Musikstudium führte sie in Graz und Klagenfurt weiter. Dort verbrachte sie die Kriegszeiten, zeitweilig auch mit ihrer Mutter, die in einer nicht leichten Entscheidung 1939 für sich und die damals noch minderjährige Tochter für Deutschland optiert hatte. Nach Abschluss des Musikstudiums in Graz mit einer Staatsprüfung in Orgel bekam Johanna Blum bereits im Jahr 1944 eine Anfrage aus Südtirol zum Aufbau einer Musikschule. In Brixen begann sie im gleichen Jahr mit ersten Kursen. Nach Kriegsende, als die politische Situation sich nach der deutschen Besetzung wieder gewandelt hatte und der Verbleib Südtirols bei Italien bestätigt wurde, musste sich Johanna Blum vorerst mit kleinen Aufträgen und wenigen Musikstunden über Wasser halten. Spät erlangte sie als Optantin und durch ihren Vater, einen k. u. k. Offizier, im Besitz der polnischen Staatsbürgerschaft, die italienische Staatsbürgerschaft.
In Bozen gründete Johanna Blum eine private Kindersingschule. Als sie ab 1951 an der LehrerInnenbildungsanstalt und später bei den Kindergärtnerinnen zu unterrichten begann, baute sie auch dort einen Chor auf, der bei einem nationalen Chorwettbewerb zweimal hintereinander den ersten Preis errang. Dadurch wurde der Direktor des Bozner Konservatoriums auf Johanna Blum aufmerksam und engagierte sie als Lehrkraft:
»Vincere una volta è bello, ma vincere due volte è straordinario.« (Einmal gewinnen ist schön, zweimal zu gewinnen ist außerordentlich).
Diese Berufung kam für Johanna Blum unerwartet, denn damals gab es in ganz Italien erst zwölf Konservatorien, und dementsprechend schwer war es, in einem dieser Institute eine Stelle zu bekommen (1980 bis 1981 übernahm sie dann auch die Direktion dieser Institution). Sie begann ein neuerliches Musikstudium am Konservatorium in Bozen, weil sie befürchtete, dass sich die Anerkennung ihrer österreichischen Staatsprüfung in die Länge ziehen könnte. Und wirklich erfolgte diese Anerkennung erst 1967.
»Was mir selbst aber in meinem beruflichen Leben wichtig schien und am meisten am Herzen lag, war der Aufbau von Musikschulen.« (S. 153)
In der Zwischenzeit hat Johanna Blum längst alle Ecken Südtirols mit ihrem Topolino abgefahren, im Einsatz für ihr Lebenswerk, den Aufbau der deutschen Musikschule in Südtirol. Unermüdlich war sie als Koordinatorin unterwegs und führte unzählige Gespräche, um das Interesse an Musik zu wecken und zu fördern. Im Engagement für die Südtiroler Musikschulen wird Johanna Blums Einstellung zur Musik deutlich: Für sie war die Musik Lebenshilfe und zugleich ganzheitlicher Zugang zum Menschen. Musik sei für die Entfaltung von Persönlichkeit und Identität von wesentlicher Bedeutung – und ganz sicher mehr als ein bloßer Zeitvertreib.
Als »Mutter der Musikschulen« wurde sie bezeichnet, ein Titel, der sie ganz besonders freute und für sie, die ihre Lehrtätigkeit am Konservatorium aufgab, um ihre Mutter in deren letzten Lebensjahren zu pflegen, wohl eine tiefe Bedeutung hatte.
Als langjährige Mitarbeiterin von P. Oswald Jaeggi leitete sie nach dessen Tod die Kantorei Leonhard Lechner. Aus einer zeitgenössischen Rezension:
»Der erste, ungewohnte Eindruck, eine Frau am Dirigentenpult zu sehen, löste sich bald in Bewunderung auf. Wenn man beobachtete, wie fest diese Frau den Chor in der Hand hat.«
Weitere Spuren im Musikleben hinterließ Prof. Johanna Blum mit der Pflege des Volksliedes, der Herausgabe eines Liederbuches, der Sammlung von Liederblättern und zahlreichen Publikationen in der landeskundlichen Zeitschrift »Schlern«.
Johanna Blum, die als Vortragende auf Musikkongressen in der ganzen Welt zuhause war, leistete es sich, unkonventionell zu sein. Mit Zeugen Jehovas diskutierte genau so ernsthaft oder humorvoll wie mit geistlichen Herren des Klosters Muri Gries, ihren berühmten Musikerfreunden wie Cesar Bresgen und Zoltan Kadoly und den NachbarInnen in Unterinn. Auch pflegte sie lebenslang die Freundschaften mit ihren Schulfreunden, u. a. Pierino Mitolo, als lokale Faschistengröße bekannt.
Noch im hohen Alter eignete sie sich E-Mail und Internet als Kommunikationsmittel an und korrespondierte damit in alle Welt.
An Ehe und Familiengründung dachte Johanna Blum nur kurz:
»… Immer stärker wurde mein Bedauern, alles aufgeben zu müssen, was ich bisher in meinem Leben gelernt, getan und geleistet hatte. Sollte dies alles umsonst gewesen sein? Diese Gedanken quälten mich, und mein Entschluss, diesen Schritt nicht zu tun, reifte heran.« (S. 143)
An Ehrungen, die sich alle auf ihr Engagement für den Aufbau der deutschen Musikschule bezogen, mangelte es ihr nicht: Verdienstkreuz des Landes Tirols, 1979, der »Walther-von-der-Vogelweide-Preis« 1973, das Goldene Verdienstabzeichen des Verbandes Südtiroler Musikkapellen, die Lassus-Medaille des Allgemeinen Cäcilienverbandes für ihre Verdienste um die Kirchen- und Chormusik u. a. m.
Quelle:
Blum, Johanna (2000): Wer sich die Musik erkiest. Ein Lebensbild. Bozen. Athesia. ISBN 88-8266-063-X. (Alle Zitate im obigen Text sind diesem Buch entnommen)
Verfasserin: Ulrike Spitaler
Zitate
»Diese Auszeichnungen, zu denen sich nun auch die heutige, jüngste gesellt, sind es jedoch nicht, die den Wesenskern treffen. Hier geht es um mehr: es geht um das Wirken einer echten Persönlichkeit, die diese Leistungen zustande gebracht hat, eine Persönlichkeit, der es so und so oft gelungen ist, schwere Gegensätze auszugleichen, fremde Standpunkte einander näherzubringen und das ganz besonders in diesem Bereich zweier großer, alter Kulturen, deren jede Johanna Blum in gleicher Weise vertraut ist. Wer so tiefen Einblick in das Wesen einer Kultur gewonnen hat, der steht über den Parteien, er steht dort, wo sich die Geister und nicht die Schwerter treffen.« (Laudatio von Cesar Bresgen, Kulturpreis »Walther von der Vogelweide« aus Südtirol in Wort und Bild, Heft 3, August 1973, 17. Jahrgang)
Links
40 Jahre Musikschule Schlanders. In: Gemeinderundschau Schlanders Nr. 8 vom September 2003, S. 10 (PDF-Datei). (Link aufrufen)
Conservatorio Bolzano. Das Konservatorium wurde 1980 bis 1981 von Johanna Blum geleitet. (Link aufrufen)
Institut für Musikerziehung in deutscher und ladinischer Sprache. Verschiedene Informationen zum Wirken Johanna Blums (Suchfunktion nutzen!). (Link aufrufen)
Kantorei Leonhard Lechner. Johanna Blum war Leiterin dieses Ensembles. (Link aufrufen)
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Literatur von und über Johanna Blum. (Link aufrufen)
Südtiroler Bürgernetz: LH Durnwalder und LR Kasslatter Mur zum Tod der Musikschul-Pionierin Johanna Blum. (Link aufrufen)
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Literatur & Quellen
Blum, Johanna (1964): Musikpflege in Südtirol. Sonderdruck. Kassel. Bärenreiter.
Blum, Johanna (1965): Die Musikschule des Südtiroler Kulturinstitutes. In: Der Schlern, Heft 39. S. 111–112.
Blum, Johanna (1967): Kantorei »Leonhard Lechner«. In: Der Schlern, Heft 41. S. 220–222.
Blum, Johanna (1967): Musikkurse des Südtiroler Kulturinstituts. In: Der Schlern, Heft 41. S. 234–236.
Blum, Johanna (1973): Herbert Paulmichl. In: Der Schlern, Heft 47. S. 580–582.
Blum, Johanna (1976): Singt, ihr Kinder. Südtiroler Lieberbuch. Lieder für die Grundschule. Unter Mitarbeit von Peter Hölzl. Innsbruck. Musikverlag Helbing.
Blum, Johanna (1987): Die Bedeutung der Musikschule heute. In: Der Schlern, Heft 61. S. 649–656.
Blum, Johanna (1989): Betrachtungen über das Hören. In: Der Schlern, Heft 63. S. 333–335.
Blum, Johanna (2000): Wer sich die Musik erkiest. Ein Lebensbild. Bozen. Athesia. ISBN 88-8266-063-X. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Piersig, Fritz (Hg.) (1970): Felix Oberborbeck zum 70. Geburtstag [1. März 1970]. Mit Beiträgen von Johanna Blum u. a. Wolfenbüttel. Möseler (Beiträge zur westfälischen Musikgeschichte, 6). (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Südtiroler Kulturinstitut und Arbeitsgemeinschaft zur Pflege des Volksliedes (Hg.) (1958): Unser Liederbuch. Ein Buch zum Singen in Schule und Haus. Zusammengestellt von Johanna Blum. Bozen. Südtiroler Kulturinstitut.
Südtiroler Sängerbund Bozen (Hg.) (1986): Kommt zum Singen. Liederbuch aus Südtirol. Unter Mitarbeit von Josef Sulz, Johanna Blum, Gretl Brugger und Stefan Demetz. Bozen. Athesia. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
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