geboren am 9. Januar 1941 auf Staten Island, New York
US-amerikanische Sängerin und Gitarristin, Songwriterin und Aktivistin
80. Geburtstag am 9. Januar 2021
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Das Musikalische ist politisch. Niemand zeigt das besser als Joan Baez. Sie ist nicht nur eine begnadete Sängerin und herausragende Gitarristin, sondern auch eine politische Aktivistin voller Tatendrang. Vor allem aber ist ihre Musik untrennbar mit ihrem friedenspolitischen Engagement verbunden. Das heißt nun allerdings keineswegs, dass sie auf ihren Konzerten und Schallplatten plumpen Agit-Prop böte. Das Gegenteil ist der Fall. Doch verschafft ihre Popularität als Musikerin ihren politischen, dass heißt vor allem antimilitaristischen und antirassistischen Statements international Gehör. Zudem nutzte sie schon 1964 die Einkünfte aus ihren Plattenverkäufen, um in Carmel Valley das „Institute for the Study of Nonviolence“ zu gründen, das sie seither maßgeblich finanziert. Mehr noch, Baez war über die Jahrzehnte hinweg couragiert genug, auf Kriegsschauplätzen Konzerte zu geben und der Zivilbevölkerung Mut zuzusprechen. So trat sie etwa 1992 in Sarajewo auf – geschützt nur durch eine kugelsichere Weste. Bereits zwei Jahrzehnte zuvor, auf dem Höhepunkt des Vietnam-Krieges, wurde sie Ende 1972 als Teil einer vierköpfigen Delegation in Hanoi vom tagelangen Dauerbombardement durch die berüchtigten US-amerikanischen B-52-Bomber überrascht und musste die Nachweihnachtszeit in einem Bunker verbringen, während die Stadt über ihrem Kopf in Schutt und Asche gelegt wurde. Mit Kollagen von im Schutzraum aufgenommenen Gesprächsfetzen, dem andauernden Sirenengeheul, den donnernden Bombenexplosionen und ihren Versuchen, bei alldem zu singen, hat sie 1973 das Grauen dieser Tage auf ihrer Platte Where are You Now, my Son zugleich künstlerisch verarbeitet und dokumentiert. Einige Jahre später setzte sie sich für die Boat People ein und schrieb einen offenen Brief an die Regierung des nun vereinigten Vietnams gegen den kommunistischen Terror, was ihr von Teilen der amerikanischen Linken heftige Beschimpfungen einbrachte.
Der kometenhafte Aufstieg der jungen Folksängerin begann etwa 1960. Schon zwei Jahre später zierte ihr Konterfei die Titelseite des Time Magazine. Da war sie nicht älter als 21 Jahre. Fortan nutzte Baez ihre Popularität für ihr pazifistisches Engagement, was ihr sogar einige kürzere Gefängnisaufenthalte einbrachte. So wurde sie in den 60er Jahren ins Gefängnis geworfen, nachdem sie gemeinsam mit ihrer Mutter und anderen Mitstreiterinnen den Zugang der Einberufungsbehörde in Oakland blockiert hatte.
Das zweite große politische Feld, auf dem sich die Folkmusikerin seit jeher betätigt, ist der Antirassismus. In den Südstaaten trat sie zu Beginn der 60er Jahr aus Protest gegen den schwarzenfeindlichen Rassenwahn ausschließlich in Colleges auf, die auch Schwarze aufnahmen und marschierte Seite an Seite mit Martin Luther King durch das vom Ku-Klux-Klan verseuchte Städtchen Grenada (Mississippi), um schwarze Kinder sicher zur Schule zu begleiten. Nicht viel später stand sie in der Nähe Kings, als er am 28. August 1963 in Washington seine berühmte Rede „I have a dream“ hielt und sang anschließend vor den 250.000 TeilnehmerInnen der Protestaktion.
Baez’ Einsatz gegen den Krieg und für Menschen- und Bürgerrechte überall auf der Welt umfasst aber noch weit mehr. So trat sie 1972 im berüchtigten US-Gefängnis Sing Sing auf, unterstützte die argentinischen Madres de Plaza de Mayo und tourte 1981 zur Ermutigung der Menschen durch die Diktaturen Lateinamerikas, wo ihre Konzerte oft verboten wurden oder kurzfristig abgesagt werden mussten und sie selbst von verschiedenen Machthabern bedroht wurde. 1989 protestierte sie mit dem Lied „China“ gegen das Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens. Sie sang in Bratislava zu Ehren von Vaclav Havel und später im Weißen Haus zunächst vor, dann mit Barack Obama. In dessen Nachfolger Trump hingegen, sagte sie in einem Interview aus dem Jahr 2017, stecke „etwas von Hitler und Mussolini“ (2019, S. 107).
Baez musikalische Popularität ist bei alldem seit nunmehr 60 Jahren ungebrochen. Längst legendär ist etwa ihr Auftritt auf einer Open-Air-Veranstaltung von 1969, die als Woodstock-Festival in die Annalen der Popgeschichte einging. Sie absolvierte ihn im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft, während der Vater des Kindes inzwischen eine dreijährige Gefängnisstrafe absaß, weil er den Kriegsdienst verweigerte. 1985 trat sie bei einem der nicht minder berühmten Live-Aid-Konzerte auf. Und noch im Jahre 2016 gab Baez anlässlich ihres 75. Geburtstages ein kaum weniger Aufsehen erregendes Konzert, bei dem ihr zu Ehren zahlreiche prominente GastmusikerInnen auftraten.
Anders als vielen anderen stieg Joan Baez ihr bereits früh einsetzender Ruhm nie zu Kopf, noch folgten Eskapaden, Drogensucht und irgendwann der Absturz. Vielmehr setzt sich Baez noch immer für ihre politischen Ideale ein, gibt Konzerte und ist dabei so bodenständig wie eh und je. Sich – auch mit ihrer Musik – für ihre politischen Anliegen einzusetzen, betonte sie kürzlich, sei „viel wichtiger als nur um des Singens willen zu singen“ (2019, S. 106).
(Bei dem Text handelt es sich um eine geringfügig erweiterte Version meines Beitrags über Joan Baez im von Luise F. Pusch herausgegebenen Kalender Berühmte Frauen für das Jahr 2021. R.L., 2021)
Verfasserin: Rolf Löchel
Literatur & Quellen
Baez, Joan: Tagesanbruch (Originaltitel: Daybreak). Übersetzung: Jörg Fauser. Frankfurt am Main 1978 Zweitausendeins
Baez, Joan: And a Voice to Sing With: A Memoir. London 1988 Century
Baez, Joan. [Interview]. In: Annick Cojean: Was uns stark macht. Begegnungen mit Patti Smith, Virginie Despentes, Joan Baez, Brigitte Bardot u.a. Aus dem Französischen von Kirsten Kleinig. Aufbau Verlag: Berlin 2019. S. 99-110.
Biederstädt, Wolfgang: Joan Baez. Fischer-Taschenbuch-Verlag: Frankfurt am Main 1987,
Hajdu, David: Positively 4th Street: The Lives and Times of Joan Baez, Bob Dylan, Mimi Baez Fariña and Richard Fariña.. New York 2001 Farrar, Straus and Giroux
„Ich bin grundsätzlich eine Pessimistin“ [Interview mit H. P. Daniels]. In Tagesspiegel vom 5.4.2006. https://www.tagesspiegel.de/kultur/ich-bin-grundsaetzlich-eine-pessimistin/699696.html
Rosteck, Jens: Joan Baez. Hamburg: Osburg Verlag 2017.
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