lebte um 2030 vor Chr.
sumerische Dichterin
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Biografie
Enheduanna und Ilummiya
Wer waren die allerersten uns namentlich bekannten Dichter? Es waren Frauen: Zwei sumerische Frauen haben nicht nur gedichtet – Dichtung gab es schon, häufig in Form von Gebeten und Hymnen und Klageliedern, aber auch als Verschriftlichung mythischer Erzählungen – sondern ihre Namen unter ihre auf Tonscheiben geritzten Texte gesetzt. Damit war der Schritt gemacht von anonymer Literatur zu inhaltlich wie formal persönlich motivierter Poesie. Natürlich können wir nicht wissen, ob sie wirklich die Ersten waren, aber ihre Texte sind das früheste uns erhaltene dichterische Werk namentlich bekannter Autorinnen.
Während Enheduanna doch relativ bekannt ist – es gibt zu ihr Wikipedia-Einträge in verschiedenen Sprachen – ist zu Ilummiya absolut nichts zu finden. Selbst in einer englischen Wikipedia-Liste der frühesten female poets kommt sie nicht vor, von eigenen Einträgen ganz zu schweigen. Man muss sich wahrscheinlich durch sehr spezialisierte Fachliteratur arbeiten, um etwas über sie zu finden. Das liegt auch daran, dass ihre Existenz nicht gesichert ist. Ich stieß auf sie in dem Buch “Die Erfindung der Poesie”. Dort präsentiert Raoul Schrott einige Gedichte, die vermutlich alle von derselben Poetin stammen, aber nur einmal mit ihrem Namen, der zudem nicht vollständig erhalten ist, unterzeichnet sind: IL[..]UMMIYA.
Jedenfalls lebte die Verfasserin gegen Ende des dritten vorchristlichen Jahrtausends – ihre erotischen Gedichte besingen König Shu-Suen, der 2037 bis 2028 in Ur regierte. Ilummiya war nicht von hoher Abkunft. Sie war wahrscheinlich Hofdichterin und es gehörte zu ihren Aufgaben, erotisch inspirierte Lobpreisungen auf den König zu verfassen. Ilummiyas Liebeslieder müssen sehr populär gewesen sein – ihr spezieller Stil ist es wohl, der es ermöglicht, die Texte derselben Verfasserin zuzuordnen – sie wurden häufig kopiert und anscheinend auch im Schulunterricht verwendet. (Unterricht für Dichterinnen, oder für Schreiberinnen? Man weiß es nicht!)
Was sich den Texten noch entnehmen lässt: Ilummiya kannte sich gut in den Tavernen der Stadt aus, war vielleicht auch Schankwirtin. Auch wenn der Posten einer Hofdichterin mit dem Beruf einer Schankwirtin aus heutiger Perspektive schwer vereinbar ist, kann es dort und damals ganz normal gewesen sein. Ich finde die Vorstellung von einer Frau, die fröhlich eine Wirtschaft führt, sich mit ausgewählten Gästen verlustiert und nebenbei erotische Gedichte schreibt, faszinierend. Jedenfalls verdanken wir jener jungen Frau eine kleine Sammlung sehr frecher, pikanter und offenherziger Lieder, wie das Folgende, das im Ausdruck vergleichsweise harmlos ist:
Schwören mußt du
schwören mußt du
mußt du es bei deinem leben. Schwören mußt du
bruder schwören daß
du nicht hier in der stadt lebst. Schwören mußt du
dass du niemand kennst
dass du auch keine feinde hast. Schwören mußt du
daß kein anderer
seine finger hier im spiel hat.
Dann laß ich es
laß ich es fallen
mein dünnes und zartes kleid.
Du mein hübscher
du mußt es schwören
du mit dem hübschen gesicht. Deine rechte hand
komm gib sie her
leg sie zwischen die schenkel.
Deine linke hand
komm gib sie her
und leg sie mir um den hals.
Und wenn dein mund
nahe an meinem ist
und du meine lippen zwischen Deinen zähnen hältst
dann beiß dir nicht
auf die zunge sondern schwöre
Bei allem was dir
heilig ist bruder einziger
du mit dem hübschen gesicht.
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Text von 2024. Die Informationen und Gedichte sowie die Schreibweise der Namen sind durchweg aus folgendem Buch übernommen:
Raoul Schrott (1999): Die Erfindung der Poesie. Gedichte aus den ersten viertausend Jahren. München: dtv.
Verfasserin: Anke Brehm
Literatur & Quellen
Raoul Schrott (1999): Die Erfindung der Poesie. Gedichte aus den ersten viertausend Jahren. München: dtv.
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