Biographien Ida Gräfin Hahn-Hahn
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(geb. Ida Marie Louise Sophie Friederike Gustave Gräfin von Hahn )
geboren am 22. Juni 1805 in Tressow, Mecklenburg
gestorben am 12. Januar 1880 in Mainz
deutsche Schriftstellerin, Reisende, Reiseschriftstellerin und Wohltäterin
145. Todestag am 12. Januar 2025
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Robert Eduard Prutz schreibt im Einleitungsabsatz zu Luise Mühlbach in seinem „Die Deutsche Literatur der Gegenwart 1848-1858“, das 1859 in Leipzig erscheint, über Ida Gräfin Hahn-Hahn, die wie die Mühlbach „dem gelobten Lande der Erbweisheit, dem Lande Mecklenburg angehört“: „Ida Hahn-Hahn ist seit Jahren aus der Literatur ausgeschieden; auf die Stufen des katholischen Doms zu Mainz hingestreckt, im Büßergewand, den Leib umgürtet mit dem hänfenen Strick, hat sie Zeter und Wehe gerufen und Gott und Menschen um Verzeihung angefleht wegen der Bücher, die sie ehedem, in der schnöden Blüte ihrer Weltlust, geschrieben. Gut, sie sollen ihr vergeben sein und wir sprechen hier nicht weiter von ihr, umso mehr, als ihre belletristische Thätigkeit genau in dem Jahre aufhört (ihr letzter Roman war „Levin,“ 2 Bde. 1848), mit welchem das gegenwärtige Buch beginnt [sein Literaturüberblick], die Schriften aber, die sie nach ihrer Bekehrung veröffentlicht hat, mehr vor das Forum einer medizinischen als einer literarischen Beurtheilung gehören.“
Sie ist eine der wenigen Autorinnen, die von ihrer Schriftstellerei gut leben kann. Einerseits ist sie sehr produktiv, die Gesamtausgabe ihrer Werke – viel Lyrik, Reiseschilderungen, in Adelskreisen spielende doch durchaus gesellschaftskritische Novellen, Romane und Essays vor ihrer Konversion 1850 – die gegen ihren Willen 1851 erscheint, umfasst 21, die danach – religiöse Lyrik, Heiligenlegenden und überwiegend katholische Tendenzromane – nochmals 45 Bände (1902 ff). Andererseits ist sie in beiden Phasen ihres Lebens überaus beliebt und wird viel gelesen, jedoch in unterschiedlichen, sich kaum überschneidenden Kreisen; sie hat daher stets hohe Auflagenzahlen.
Aus altem Mecklenburger Adelsgeschlecht stammend, ist Ida Gräfin Hahn-Hahn die Tochter des sog. „Theatergrafen“ Karl Friedrich von Hahn, der das beträchtliche Familien-Vermögen der Theaterleidenschaft opfert - als Leiter von Schauspieltruppen, Regisseur und Schauspieler. Die Ehe mit Sophie Louise von Behr wird 1809 geschieden und die Mutter lebt später wegen der ausbleibenden Zahlungen des Grafen in prekärer finanzieller Situation mit ihren vier Kindern. Die Älteste Ida, gut erzogen und gebildet, heiratet 1826 aus finanziellen wie familienpolitischen Gründen ihren Cousin Friedrich Wilhelm Adolph Graf von Hahn, woher das spätere Markenzeichen, der Doppelname Hahn-Hahn, stammt. Die dreijährige Ehe auf Schloss Basedow rund um Rassehengste in der Pferdezucht wird kurz vor der Geburt ihrer taubstummen, geistig behinderten Tochter Antonie geschieden. Ida nutzt die ihr durch die Scheidung zugesprochene jährliche Pension für die Pflege der Tochter in Berlin.
Die Dreiundzwanzigjährige beginnt ein völlig neues, überaus erfolgreiches Leben als Schriftstellerin. Zunächst mit Lyrik, schnell folgen Gesellschaftsromane und später Reiseberichte ihrer vielen Reisen, die sie sich durch die Einnahmen ihrer schriftstellerischen Erfolge leisten kann. Zunächst unstet zwischen Berlin, Wien und Gut Neuhaus bei ihrem Bruder Ferdinand wechselnd, später überwiegend in Dresden wohnhaft, macht sie Reisen durch ganz Europa – England, Schottland, Irland, die Schweiz und Schweden sowie Frankreich, Italien und Spanien – und in den nahen Orient, nach Syrien, stets begleitet von ihrem geliebten Adolf Freiherr von Bystram, mit dem sie bis zu dessen Tod 1849 in wilder (Gewissens-)Ehe zusammenlebt. Nur 1836, durch die stürmische Liebe zu dem preußischen Juristen Heinrich Simon, der sich später als Paulskirchen-Mitglied und – im Juni 1849 – Reichsregent des Rumpfparlaments einen Namen macht, wird diese Beziehung ins Wanken gebracht. Dem „Seitensprung“ verdanken wir einige ihrer schönsten Lieder: „Lieber Heinrich!“ und das mehrfach – unter anderem von Josephine Lang – vertonte „Ach, wenn du wärst mein eigen.“
Fanny Lewald schreibt in ihrer Autobiografie, was die breite weibliche Leserschaft an Ida Gräfin Hahn-Hahn schätzt: „Für uns Bürgermädchen und für die Frauen des Bürgerstandes überhaupt, die wir auf Arbeit und Beschränkung angewiesen sind, hatte der völlige Müßiggang der vornehmen Damen in den Hahn’schen Dichtungen etwas Bezauberndes.“ Und die berühmte Fanny Lewald ist es auch, die 1847 mit ihrer satirischen Persiflage auf den im Jahr zuvor erschienenen Roman „Sibylle“ und den Erzählstil der Gräfin Hahn-Hahn: „Diogena. Roman von Iduna Gräfin H… H…“ den Abschied der Ida Gräfin Hahn-Hahn aus ihrem bisherigen Leben einleitet. Der Tod ihres Partners Bystram 1849, die Flucht Simons – steckbrieflich verfolgt und mit Zuchthaus bedroht – in die Schweiz, ja die ganze reaktionäre Umbruchsituation nach dem Scheitern der 48er-Bewegung führt zu einem radikalen Bruch.
Sie konvertiert zum katholischen Glauben, im Briefwechsel begleitet vom Breslauer Fürstbischof Melchior von Diepenbrock und in der persönlichen Bekanntschaft mit dem charismatischen Propst von St. Hedwig in Berlin, dem späteren Mainzer Arbeiter-Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler. Dies führt über Etappen – auch den Convent du Bon-Pasteur im französischen Angers – zur Gründung eines eigenen Klosters „Vom guten Hirten“ in Mainz, ohne dass sie selbst je die Gelübde ablegte.
(Text von 2024 aus dem Buch “...immer Luise”; mit freundlicher Genehmigung des Verfassers).
Ergänzung der FemBio-Redaktion: 1854 gründet sie nach einem Noviziat im Kloster Angers das Stift “Zum guten Hirten” in Mainz, als Rettungsstätte für unverheiratete Mütter und finanziert es aus eigenen Mitteln. Sie lebt selbst im “Guten Hirten”, in einer kleinen Kammer wie die “gefallenen” Mädchen.
Links
Literatur & Quellen
Metzler Autorinnen Lexikon. Hg. Hechtfischer, Ute, Renate Hof, Inge Stephan & Flora Veit–Wild. 1998. Stuttgart; Weimar. Metzler. 1998.
Möhrmann, Renate. 1977. Die andere Frau: Emanzipationsansätze deutscher Schriftstellerinnen im Vorfeld der Achtundvierziger- Revolution. Stuttgart. Metzler.
Möhrmann, Renate. 1978. Frauenemanzipation im deutschen Vormärz: Texte und Dokumente. Stuttgart. Reclam TB 9903.
Ohnesorg, Stefanie. 1996. “Frauen in der Fremde - Verfremdete Frauenwelten” (Rueck-)Einbindung der Frau in die Geschichte des Reisens. 'SOFIE': Saarländische Schriftenreihe zur Frauenforschung. St. Ingbert. Röhrig Universitätsverlag.
Potts, Lydia. Hg. 1988. Aufbruch und Abenteuer: Frauen-Reisen um die Welt ab 1785. Berlin. Orlanda Frauenverlag.
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