Biographien Herma Plazikowsky-Brauner
geboren am 15. September 1888 in Brünn, Österreich
gestorben am 1. Dezember 1965 in Frankfurt am Main
österreichisch-deutsche Sprachwissenschaftlerin (afrikanische Sprachen); Universitätsdozentin
135. Geburtstag am 15. September 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Herma Plazikowsky-Brauner wurde als Tochter eines k.u k. Armee-Offiziers in Brünn geboren. Sie besuchte die Schule in Ungarn und Prag und begann danach als eine der ersten Frauen ein Studium der Orientalistik in Prag. 1909 zog sie nach Berlin, wo sie sich auf äthiopisch-semitische Sprachen bei Professor Eugen Mittwoch spezialisierte. 1913 schloss sie ihr Studium mit der Promotion ab, ihre Dissertation trug den Titel “Ein äthiopisch-amharisches Glossar”.
Diese Studienwahl und ihre Themen waren zum damaligen Zeitpunkt für eine Frau außergewöhnlich; ebenso, dass ihre beiden Schwestern Sophie Born (geb. Brauner) und Rita Rechberger (geb.Brauner) ebenfalls studierten und dann jeweils eine erfolgreiche berufliche Karriere als Dermatologin bzw. Apothekerin begannen.
Vor der Promotion lernte Herma Plazikowsky-Brauner ihren späteren Mann Max Leonhard Plazikowsky kennen, der seit 1907 in Äthiopien lebte und dort u.a. eine Farm betrieb. Sie heirateten 1913 und gingen zusammen nach Äthiopien, wo Plazikowsky-Brauner weiter ihre Forschungen auf empirisch-ethnographischer Grundlage betrieb. Sie bekam sieben Kinder, davon starben vier Kinder im frühen Alter. Ihr Familienleben war durch einen intensiven Zusammenhalt aller Familienmitglieder geprägt; ihr Erziehungsstil einerseits liebevoll, andererseits streng. Bevor es eine deutsche Schule gab, unterrichtete Plazikowsky-Brauner ihre Kinder selber. Gleichzeitig arbeitete sie gemeinsam mit ihrem Mann auf der Farm, betrieb mit ihm außerdem eine Mühle in Addis Abeba und baute Kaffee an.
Neben diesen familiären und wirtschaftlichen Tätigkeiten erforschte sie zahlreiche kuschitische Sprachen, häufig durch intensive Interviews mit Menschen aus den unterschiedlichen Gebieten Äthiopiens. Dabei reiste sie auch mit ihrem Mann durch das Land, nutzte dies für ihre Sprachstudien, während ihr Mann die unterschiedlichen ethnischen Gruppen fotografierte, filmte sowie antrophologische Studien betrieb.
Nach 1931 wurden die Lebensverhältnisse kompliziert, dem Ehepaar wurde nach einem Konflikt mit der deutschen Gesandtschaft die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, sie wurden erst äthiopische, einige Jahre später aufgrund der Besetzung Äthiopiens durch Italien italienische, dann wieder äthiopische Staatsbürger. Diese Staatsbürgerschaft verloren sie wiederum noch während des Krieges, sie wurden enteignet und danach des Landes verwiesen. 1942 kamen sie staatenlos nach Deutschland und wurden erst nach Ende des Krieges als Deutsche wieder eingebürgert.
Ihr Sohn Max war bis zum Kriegsende deutscher Soldat, ihre Tochter Inge Krankenschwester und ihr Sohn Wolfgang italienischer Soldat, der kurz nach Kriegsbeginn in englische Gefangenschaft in Kenia kam.
Herma Plazikowsky-Brauner konnte Anfang der 1950er Jahre einen wissenschaftlichen Kontakt zum Orient-Institut (Frobenius-Institut) der Universität Frankfurt herstellen, wo sie 1954 einen Lehrauftrag bei Professor A.E. Jensen und Professor Enno Littmann erhielt und als Dozentin äthiopische Sprachen und Kulturen unterrichtete. In einem Alter, in dem die meisten Menschen in den Ruhestand gehen, arbeitete sie erst einige Jahre unbezahlt, später erhielt sie einen vergüteten Lehrauftrag. Sie versuchte, ihre in Äthiopien verloren gegangenen Unterlagen und Manuskripte zu rekonstruieren – was ihr leider nur unvollständig gelang - und ihre Forschungen weiterzuführen. U.a. verfasste sie eine Reihe von Überblicksdarstellungen auf deutsch und italienisch zu den sprachlichen – hier h.s. Amharisch und Ge`ez - und ethnischen Verhältnissen in Äthiopien sowie zur Religionsgeschichte, z.B. zum Gegensatz zwischen Christentum und Islam.
Auch in diesen Jahren kümmerte sie sich intensiv um ihre Familie und die mittlerweile vier Enkel; die Familie war ihr immer sehr wichtig.
Nach Äthiopien kehrten sie und ihr Ehemann nach dem Krieg nicht mehr zurück, weil ihnen dort die geforderte Wiedergutmachung verweigert wurde. Statt dessen setzte Plazikowsky-Brauner ihre Forschungen im westlich anschließenden Sudan fort und unternahm dort im hohen Alter von 76 Jahren zwei Feldforschungsexpeditionen zu den Hadab, zu deren Sprache sie eine monographische Darstellung vorbereitete. Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie weiter an diesen Themen an der Universität Frankfurt.
Ihre Arbeit an einer vergleichenden Grammatik der kuschitischen Sprachen sowie die Vorbereitungen für einen Vortrag am Deutschen Orientalistentag 1965 wurden durch einen tragischen Verkehrsunfall unterbrochen, an dessen Folgen sie kurz darauf verstarb.
Verfasserin: Katja Plazikowsky
Literatur & Quellen
(Die Auswahl ist nicht annähernd vollständig….....)
Über Herma Plazikowsky-Brauner:
Ernst Hammerschmidt: Äthiopistik an deutschen Universitäten, Wiesbaden: Steiner, 1968
Ronny Meyer: “Plazikowsky-Brauner, Herma”, in: Siegbert Uhlig in cooperation with Alessandro Bausi, (ed), Encyclopaedia Aethiopica, Vol. 4: O-X, Wiesbaden: Harrassowitz, p.161a-b, 2010
Wolbert Smidt: “Herma Plazikowsky-Brauner: Philologist and linguist of Cushitic and Omotic languages”: Handzettel zur Ausstellung des Goethe-Instituts in Addis Abeba 2015, erschienen in Cultural Research in Northeastern Africa - German Histories and Stories, Frankfurt/M., Frobenius Institut, 2015
Sophia Thubauville: “Herma Plazikowsky-Brauner, A Life Devoted to Ethiopian Languages and Cultures”, in Cultural Research in Northeastern Africa - German Histories and Stories, Frankfurt/M., Frobenius Institut, 2015
Werke von Herma Plazikowsky-Brauner:
“Die verbalen Bildungen in den sog. Kuschitischen Sprachen”, Rassegna Di Studi Etiopici 221, pp. 94-110, 1965
“Die Schinascha in West-Äthiopien”, Zeitschrift für Ethnologie 95 (1), pp. 29-41, 1970 (mit Eike Haberland)
“Ein äthiopisch-amharisches Glossar (Sawasew)”, Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen zu Berlin II, Abt. 17, pp. 1-96, 1914
“Schizzo Morfologico dello Sinasa”, Rassegna di Studi Etiopici 9, pp. 65-83, 1950
und weitere 16 Veröffentlichungen von 1951 bis 1965, vgl. Thubauville 2015
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