geboren am 6. Juli 1898 in Dortmund
gestorben am 13. Oktober 1969 in Bonn
deutsche Politikerin, eine der vier Mütter des Grundgesetzes, Wohlfahrtspflegerin
55. Todestag am 13. Oktober 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Die Zentrums-Partei schickte Helene Wessel 1928 als jüngste Abgeordnete in den preußischen Landtag, wo sie sich bald als Fachfrau für Fürsorgefragen profilierte. Ihre politische Karriere wurde mit Beginn der NS-Zeit unterbrochen. Als „politisch unzuverlässig“ eingestuft, überlebte sie u. a. als Fürsorgerin in einem katholischen Frauenverein. „Ich habe mich sehr unsichtbar gemacht, um der Gestapo keine Angriffsflächen zu bieten“, sagte sie später. Aber es gibt auch jenes 1934 erschienene Buch von ihr: Bewahrung – nicht Verwahrlosung, das der entsetzlichen Sprache und Philosophie des Nationalsozialismus verpflichtet ist. Allerdings enthält es im Fazit auch moderne humane Forderungen nach „Wohn- und Lerngruppen“ und nach einer „sinnvollen Arbeitsteilung“.
Nach 1945 widmete Helene Wessel ihre ganze Kraft der Wiederbegründung des Zentrums, deren erste Vorsitzende sie 1949 wurde (gewählt mit 95% der Stimmen). Damit war sie – nach Rosa Luxemburg - die erste Frau in der deutschen Parteiengeschichte, die an der Spitze einer Partei stand: Eine kämpferische Katholikin, die überzeugt war, dass die Umgestaltung der Gesellschaft nur mit Hilfe der Frauen möglich sein würde. So forderte sie schon damals eine Frauenquote.
1948/49 gehörte sie als eine von vier Frauen dem Parlamentarischen Rat an und arbeitete am Grundgesetz mit, stimmte dann aber gegen den endgültigen Entwurf. Der Kalte Krieg brachte sie auch in Widerspruch zur eigenen Partei. Sie engagierte sich in der Anti-Atombewegung und rief 1951 zur „Notgemeinschaft für den Frieden Europas“ auf, stellte sich gegen die Wiederbewaffnung – und damit gegen Bundeskanzler Adenauer, mit dem sie sich berühmte Rededuelle lieferte. Nur ein bündnisfreier Status würde, ihrer Meinung nach, die endgültige Teilung Deutschlands verhindern. Zusammen mit Gustav Heinemann gründete Wessel 1952 die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP). Nachdem die GVP bei den Wahlen gescheitert war, fand Helene Wessel ihre endgültige politische Heimat in der SPD. Einmal noch mischte sie sich vehement in die politische Debatte ein, als 1968 die Notstandsgesetze verhandelt wurden. Sie stimmte dagegen mit der Begründung, sie habe die Auswirkungen des Ermächtigungsgesetzes unter Hitler erlebt.
Gustav Heinemann, inzwischen Bundespräsident, würdigte die Weggefährtin, als sie 71jährig starb: „Sie war eine gütige und tapfere Frau, die die Fähigkeit besaß, mit anderen zu fühlen, mit Mut und Entschlossenheit öffentlich zu wirken und für soziale und politische Reformen zu kämpfen.“ (1997 geschrieben zum 100. Geburtstag 1998)
Verfasserin: Birgit-Elisabeth Rühe-Freist
Literatur & Quellen
Keller–Kühne, Angela. 1996. Helene Wessel. Vortrag in Goslar. St. Augustin. Archiv der Konrad–Adenauer–Stiftung.
Huhnke, Brigitta. 1989. “Austeilen und einstecken: Eine Frau in der Politik”. dpa–Feature vom 10.10.1989.
Dertinger, Antje. 1989. Frauen der ersten Stunde: Aus den Gründerjahren der Bundesrepublik. Bonn. Latka.
Friese, Elisabeth. 1993. Helene Wessel (1898-1969): Von der Zentrumspartei zur Sozialdemokratie. Düsseldorfer Schriften zur neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrheinwestfalens. Bd. 36. Essen. Klartext-Verl.
Sitter, Carmen.1995. Die Rolle der vier Frauen im Parlamentarischen Rat: Die vergessenen Mütter des Grundgesetzes. Münster. Lit.
Wessel, Helene. 1934. Bewahrung - nicht Verwahrlosung: Eine eugenische und fürsorgerische Notwendigkeit. Geilenkirchen. van Gils.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.