Biographien Hannelore Schröder
geboren am 14. Oktober 1935 in Halle/ Saale
gestorben am 6. Mai 2023 in Leipzig
deutsche Patriarchatsforscherin und feministische Theoretikerin
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
“Sie kam zu früh” - wie es schon über Iris von Roten hieß, und sie war zu radikal und kompromißlos, ähnlich wie die große Schweizer Feministin oder wie Olympe de Gouges, die sie für die Deutschen wiederentdeckt hat. Hannelore Schröder bezahlte ihre Radikalität mit ihrer Karriere wie Iris von Roten, aber zum Glück - anders als Olympe de Gouges - “nur” fast mit dem Leben.
Hannelore Schröder wuchs in großer Armut als Tochter der ungelernten Arbeiterin Ella Schröder in Halle an der Saale auf - der Vater hatte die Mutter mit drei Kindern im Stich gelassen. Mit zehn Jahren bekommt das begabte Mädchen ein kleines Stipendium für das Heim und die Oberschule der berühmten Franckeschen Stiftungen in Halle, wo sie 1954 das Abitur machen kann. Aber studieren darf sie nicht. “Folglich ging ich 1955 in den Westen: hier wurde ich nicht als politischer Flüchtling anerkannt, mein Abitur galt nicht, auch hier konnte ich — wieder — nicht studieren. SBZ-Flüchtlinge galten als potentielle Propagandisten des Ostregimes. - Jahre des Tellerwaschens, der Haus- und Büroarbeit zu niedrigstem Lohn folgten. Ich heiratete, hatte ein Kind und liess mich 1967 scheiden.”
Endlich, mit 32 Jahren, kann sie studieren, in Frankfurt/M.: Politikwissenschaft, Rechtsgeschichte, Pädagogik. Sie promoviert 1975 mit dem Thema Die Rechtlosigkeit der Frau im Rechtsstaat.
Autonom engagiert für die Abschaffung der Strafgesetze 218 in der Frauenaktion 1970, der Selbstbezichtigung von 374 Frauen (Stern 6. 6. 1971), im Frauenforum München und im Frauenzentrum Göttingen, ist sie auch an der ersten Berliner Sommeruniversität für Frauen 1976 beteiligt.
Antifeministisches Berufsverbot zwingt sie ins Exil: Sie wird die erste Dozentin für Sozialphilosophie-Frauenstudien an der Universiteit van Amsterdam. Von Beginn an eklatant diskriminiert, wird sie nach vier Jahren entlassen: Sie prozessiert und protestiert mit einem Hungerstreik 17 Tage lang, bis die Universität sie wieder einstellt (nur Teilzeit, Kettenverträge). 1987 tritt sie erneut in Hungerstreik, um endlich ihre dauerhafte Anstellung und mehr bezahlte Wochenstunden durchzusetzen. Nach 27 Tagen lenken die Universitätsväter ein.
Um 1970 beginnt Schröder mit historischer und ideologiekritischer Forschung auf den Gebieten 1. Feministisch-politische Theorien von Frauen und ihre Widerstandsbewegungen sowie 2. Ideologiekritik an den frauenfeindlichen Dogmen der Stände und Parteien der Väter, “Brüder”.
Zu 1. Schröder findet viele Dokumente feministischer Kritik an der Herrschaft der Väter (Patrokratie) und Realutopien der Emanzipation aus der personalen Abhängigkeit, Rechtlosigkeit und Machtlosigkeit. Sie hat das Verdienst, die in Europa einmalige Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin von Olympe de Gouges ( Paris 1791) in der Bibliothèque Nationale 1973 wiederentdeckt und erstmals in der BRD veröffentlicht zu haben (Bonn, 1977).
1976 publiziert sie Die Hörigkeit der Frau / The Subjection of Women, 1869: Schröder weist nach, daß die einst weltberühmte Abhandlung nicht von John S. Mill allein, sondern zusammen mit Harriet und Helen Taylor verfaßt wurde.
Dokumente internationalen feministischen Widerstandes von 1789 bis 1914 ediert und kommentiert sie in Die Frau ist frei geboren, 2 Bände, 1979/1980.
Zu 2. Schröders Ideologiekritik an der patriarchalen Dogmen- und Realgeschichte, u. a. an Fichtes, Kants und Hegels Rechtsphilosophien, führen zur Erkenntnis der Privilegierung des männlichen Geschlechts durch Schändung der Menschen- und Bürgerinnenrechte des weiblichen: Die Herrschaft der Haus- und Familienväter, der Patrokraten, ihre Techniken, Gesetze, Apologien, Propaganda und nackte physische Gewalt durch Analyse der Geschichte zu begreifen, ist und bleibt ihr Erkenntnisinteresse.
Schröder ist Mitglied der Coalition Against Trafficking in Women (USA) und der Internationalen Assoziation von Philosophinnen (IAPh) (bis 1992). Sie schreibt in der Zeitschrift Erwägen – Wissen – Ethik (EWE), früher Ethik und Sozialwissenschaften.
Zur Zeit bereitet sie die Gründung der “Olympe de Gouges Stiftung. Menschenrechte für weibliche Menschen” vor.
Verfasserin: Luise F. Pusch, nach Auskünften von Hannelore Schröder
Zitate
Die feministische Theorie vom Antagonismus der Patriarchen- und der leibeigenen Frauenklasse ist lediglich die wissenschaftliche Erklärung der historischen Realität.
Mütter sind die Arbeiterklasse ohne Lohn.
Die ökonomische Verelendung von Müttern ist die Bereicherung von Vätern.
On the basis of this combination of daring and important choice of subject and her historical knowledge, analytic intelligence and scholarly precision, I do not hesitate one moment to recommend H. Schröder for a full professorship in the History of Political Philosophy.
(Prof. Dr. Else M. Barth, Groningen 28. 10. 1982)
Links
Literatur & Quellen
Im (Antiquariats)Handel erhältlich:
Schröder, Hannelore. 1983. “Feministische Gesellschaftstheorie” und “Das 'Recht' der Väter”, in: Pusch, Luise F. Hg. Feminismus: Inspektion der Herrenkultur - Ein Handbuch. Frankfurt/M. edition suhrkamp 1192. S. 449-476 und S. 477-506
Hannelore Schröder. 2000. Menschenrechte für weibliche Menschen. ein-FACH-verlag, Aachen.
Hannelore Schröder. 2001. Widerspenstige Rebellinnen Suffragetten. Feministischer Aufbruch in England und Deutschland. Mit 32 Abbildungen ein-FACH-verlag, Aachen.
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