geboren am 14. Oktober 1906 in Hannover
gestorben am 4. Dezember 1975 in New York
deutsch-US-amerikanische politische Philosophin
115. Geburtstag am 14. Oktober 2021
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Mit ihrer Berichterstattung über den Eichmann-Prozeß in Jerusalem erregte Hannah Arendt 1961 großes Aufsehen. Ihr Buch Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen bricht mit der Vorstellung, daß hinter dem Bösen eine dämonische Willenskraft stünde. Eichmann ist ein Bürokrat, der als Rädchen in einer Vernichtungsmaschinerie funktioniert hat.
In Hannover-Linden am Marktplatz ist an dem Haus Nr. 2 eine Tafel angebracht, auf der folgende Inschrift zu lesen ist: Hier wurde am 14. 10 1906 die deutsch-jüdische Historikerin und politische Philosophin Hannah Arendt geboren. Vor dem Nationalsozialismus flüchtete sie 1933 aus Deutschland. Ihr wissenschaftliches Werk ist den Ursprüngen von totaler Herrschaft und Antisemitismus gewidmet. Sie starb am 4. 12. 1975 in New York.
Hannah Arendts Vorfahren mütterlicher- und väterlicherseits waren russische Juden, die, der deutschen Aufklärung verbunden, schon im 18. und 19. Jahrhundert nach Deutschland gekommen waren. Sie ließen sich als Kaufleute in Königsberg nieder. Hannah Arendts Eltern zogen nach Hannover, als ihr Vater eine Anstellung als Ingenieur in einer Elektrizitätsgesellschaft bekommen hatte. Doch schon als Dreijährige verläßt Hannah Arendt mit ihrer Mutter und dem schwerkranken Vater Hannover und findet in Königsberg, im Kreise ihrer nächsten Verwandten, eine neue Heimat. Sie wächst im Hause ihres angesehenen und wohlhabenden Großvaters als Einzelkind auf. In den Beginn ihrer Schulzeit fällt der frühe Tod ihres Vaters.
Arendt studiert in Marburg, Freiburg und Heidelberg bei Heidegger, Husserl und Jaspers Philosophie und promoviert bei Jaspers über das Thema “Der Liebesbegriff bei Augustin”. Martin Heidegger bekannte später, daß die junge, brillante Studentin Hannah Arendt die Inspiration für sein Buch Sein und Zeit gewesen sei. Die für sie unglücklich endende Liebesbeziehung mit ihm führt zu einer heftigen Auseinandersetzung mit ihrer deutsch-jüdischen Identität.
1929 flüchtet Arendt in eine Ehe mit Günther Stern (Pseudonym: Günther Anders) und zieht mit ihm nach Berlin. Dort entsteht ihr Buch über Rahel Varnhagen, mit der sie sich stark identifiziert. Nach Hitlers Machtergreifung wird die Wohnung von Arendt und Stern zur Durchgangsstelle für Verfolgte. Stern emigriert nach Paris, kurz darauf folgt Arendt nach, trennt sich aber bald von Stern. Ihre Zugehörigkeit zum Judentum, ihre praktische Arbeit für jüdische Hilfsorganisationen politisieren ihr Bewußtsein. Die Bekanntschaft mit ihrem späteren Mann Heinrich Blücher, Emigrant, in Deutschland verfolgter Journalist und KPD-Mitglied, regt sie an, sich mit politischer Theorie und Marxismus auseinanderzusetzen. Die Summe ihres Nachdenkens legt sie in dem dreibändigen Werk Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft nieder – einer Klassikerin politischer Philosophie.
1940 wird Arendt in das berüchtigte Internierungslager von Gurs, nahe den Pyrenäen, verschleppt. In letzter Minute kann sie der Deportation entkommen. Gemeinsam mit ihrer Mutter, die sie mit Hilfe einer Freundin noch 1939 aus Königsberg nach Paris holen konnte, und ihrem Ehemann Heinrich Blücher reist sie 1941 über Lissabon nach New York. Nach großen Anfangsschwierigkeiten arbeitet sie als Journalistin und wird Cheflektorin in einem großen Verlag. Sie schreibt polemische Artikel, um die Öffentlichkeit über die Judenverfolgung zu informieren und aufzurütteln. Bald macht sich Hannah Arendt als politische Philosophin in den USA einen Namen, wirkt als Professorin und Gastprofessorin an zahlreichen Universitäten, u.a. in Princeton, Harvard und Berkeley, wird zu Vorträgen und Seminaren ins Ausland eingeladen, bekommt zahlreiche Auszeichnungen und zehn Ehrendoktorate.
1949/50 hält sie sich zum ersten Mal wieder in Europa auf. Die Wiederbegegnung mit Deutschland erfüllt sie mit Trauer. Sie findet den Mangel an politischer Aufarbeitung der vergangenen Ereignisse erschreckend.
Hannah Arendt hat zeit ihres Lebens mit wachem Interesse alle politischen Ereignisse verfolgt, analysiert und kommentiert. Prägnant und leidenschaftlich bezog sie Stellung und hat sich dadurch der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Ihr Denken ist genuin und originell, aber Anklänge an die elitäre Denktradition deutscher Universitätsphilosophie können nicht überhört werden. Hannah Arendt ist eine elitäre Rebellin. An der Frauenbewegung hatte sie wenig Interesse, eine Begegnung mit Simone de Beauvoir verlief freundlich distanziert.
In Hannover sind nach ihr benannt: Der Hannah-Arendt-Weg in Badenstedt (seit 1986) und der Hannah-Arendt-Weg im Maschpark (seit den 90er Jahren); außerdem die Hannah-Arendt-Tage und das Hannah-Arendt-Stipendium, mit dem Hannover als Zufluchtsstadt im Rahmen des Städte-Netzwerks (Cities of Asylum) des Internationalen Schriftstellerparlaments (IPW) verfolgte SchriftstellerInnen unterstützt.
Für FemBio aktualisiert von Luise F. Pusch
Verfasserin: Sibylle Duda
Zitate
Freundschaft ist die Grundlage aller Menschlichkeit.
(Hannah Arendt)
Das persönliche Problem war doch nicht etwa, was unsere Feinde taten, sondern was unsere Freunde taten… Das war, als ob sich ein leerer Raum um einen bildete. ...
(Arendt zu einem Freund über ihre Flucht aus Deutschland)
Ich war mehr als fünfzig Jahre lang einer ihrer Freunde, seit sie mit achtzehn Jahren als Erstsemesterstudentin der Philosophie unter den vielen jungen Leuten auftauchte, die aus ganz Deutschland in Scharen nach Marburg strömten. ... Scheu und in sich gekehrt, mit auffallenden, schönen Gesichtszügen und einsamen Augen ragte sie sofort als außergewöhnlich, als einzigartig in einer bisher undefinierbaren Weise heraus. Intellektueller Glanz war damals kein seltener Artikel. Aber bei ihr war es eine Intensität, eine innere Richtung, ein Instinkt für Qualität, eine Suche nach dem Wesentlichen, ein Eindringen in die Tiefe, das einen Zauber um sie verbreitete. Man spürte eine absolute Entschlossenheit, sie selbst zu sein, mit der Zähigkeit, es trotz der eigenen Verwundbarkeit durchzusetzen. ... Sie war leidenschaftlich moralisch, aber überhaupt nicht moralistisch. Was sie auch immer zu sagen hatte, war wichtig, oft provokativ, manchmal auch falsch, aber nie trivial, nie gleichgültig, nie mehr zu vergessen ...
(Hans Jonas)
Links
The Hannah Arendt Papers at the Library of Congress
Hannah-Arendt-Zentrum Uni Oldenburg
Links geprüft und korrigiert am 29. November 2020 (AN)
Literatur & Quellen
Hannah Arendt in der Deutschen Nationalbibliothek (636 Titel)
Arendt, Hannah. 2006. Denken ohne Geländer: Texte und Briefe. Hg. Heidi Bohnet & Klaus Stadler. München. Piper TB.
Arendt, Hannah. 2006. Wahrheit und Politik. Original-Audio-Aufnahmen. 5 CDs. Der Hörverlag.
Arendt, Hannah. 1981 [1959]. Rahel Varnhagen: Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik. München. Serie Piper 230.
Arendt, Hannah. 2000 [1964]. Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen. Aus d. Engl. von Brigitte Granzow. Mit einem Essay v. Hans Mommsen. München. Serie Piper 308.
Arendt, Hannah. 2002 [1951/56 (dt.)]. Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft: Antisemitismus – Imperialismus – Totale Herrschaft. München. Serie Piper.
Hannah Arendt. 2002. Denktagebuch. 2 Bde. Mit Abbildungen und Faksimiles. Hg. Ursula Ludz & Ingeborg Nordmann. München. Piper.
Duda, Sibylle. 1991. “Hannah Arendt (1906-1975): “Freundschaft ist die Grundlage aller Menschllichkeit”, in: Hiltrud Schroeder. Hg. 1991. Sophie & Co.: Bedeutende Frauen Hannovers. Hannover. Fackelträger. S. 215-225.
Grunenberg, Antonia. 2003. Hannah Arendt und Martin Heidegger: Geschichte einer Liebe. München. Piper.
Grunenberg, Antonia. 2003. Hannah Arendt. Freiburg. Herder.
Heuer, Wolfgang. 1987. Hannah Arendt in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg. rororo monographie 379.
Im Vertrauen: Hannah Arendt - Mary McCarthy: Briefwechsel 1949-1975. Hg. u. Einf. Carol Brightman. Aus d. am. Engl. von Ursula Ludz & Hans Moll. München 1995. Serie Piper 02475.
Pierpont, Claudia Roth. 2001. “Hearts and Minds: Hannah Arendt and Mary McCarthy”, in dieselbe: Passionate Minds: Women Rewriting the World. New York. Vintage. S. 251-287
Schönherr-Mann, Hans-Martin. 2006. Hannah Arendt. Wahrheit, Macht, Moral. München. Beck.
The Hannah Arendt Papers at the Library of Congress (Website)
Young-Brühl, Elisabeth. 1991 [1982]. Hannah Arendt: Leben, Werk und Zeit. Frankfurt/M. Fischer TB.
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