geboren am 8. Januar 1902 in München
gestorben am 22. März 1993 in Dresden
deutsche Tänzerin, Choreographin und Tanzpädagogin
30. Todestag am 22. März 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
“Ich will nicht hübsch und lieblich tanzen!” ist die Parole der jungen Elevin Palucca – und folgerichtig bricht sie ihr Ballettstudium ab. Dabei spürt sie schon seit frühster Kindheit den Wunsch, zu tanzen, der sich später bis zur Besessenheit steigern wird. Ihrem autodidaktischen Training, zuerst als Rollschuhtänzerin, dann als Sportlerin, bis hin zur Akrobatik, verdankt sie ihre unglaubliche Gelenkigkeit, Elastizität und einzigartige Sprungkraft.
Nach der mißglückten Balletterfahrung findet Palucca in der Ausdruckstänzerin Mary Wigman die entscheidende Lehrerin; erste öffentliche Auftritte mit der Wigman-Tanztruppe folgen. Palucca unterscheidet sich von der Tanzauffassung Wigmans von Anfang an durch die pure Lebensfreude, die ihr Tanzen ausstrahlt, ihr Temperament, die grotesken Elemente, akrobatischen Einlagen, die Leichtigkeit im Schweben.
1923 kommt es nach einem in Wigmans Choreographie nicht vorgesehenen Extrasprung (mit Szenenapplaus) zum Bruch; Paluccas Karriere als Solotänzerin beginnt. Ein Jahr später eröffnet sie eine eigene Schule in Dresden. Durch ihre Schwiegermutter, eine bekannte Kunstmäzenin, knüpft sie Kontakte zu vielen BauhauskünstlerInnen. Für Moholy-Nagy ist Palucca die einzige Tänzerin, die die neue Ästhetik des Bauhausgedankens gestaltet, “für uns das neu gefundene Gesetz der Bewegung…”
1930 wird ihre Ehe mit dem Industriellensohn Friedrich Bienert freundschaftlich geschieden; nach dem zweiten Weltkrieg lebt Palucca über zwanzig Jahre mit einer Kinderärztin zusammen. Ihr Privatleben hält sie geheim, wohl auch zum Schutz gegenüber den verschiedenen politischen Systemen, in denen Palucca versucht, ihre Vorstellungen von Tanz und Bewegung zu bewahren. Unter den Nazis anfangs erfolgreich, spielte sie als “deutscheste Tänzerin” eine bedeutende Rolle bei den Eröffnungsfeierlichkeiten zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Als Halbjüdin erhält sie jedoch wenig später Auftrittsverbot, ihre Schule wird 1939 geschlossen.
Nach dem Krieg gelingt es Palucca, im ausgebombten Dresden wieder zu unterrichten. Trotz Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen mit den Kulturfunktionären der DDR bleibt Palucca letztendlich in Dresden. Inmitten des sozialistischen Realismus schafft sie eine künstlerische Insel, in der sie ihren SchülerInnen vor allem Kreativität, Eigenständigkeit, Spontaneität und Verantwortungsbewußtsein für den eigenen Weg vermittelt und in den internationalen Sommerkursen, die seit 1957 in Dresden stattfinden, Kontakte auch zu westlichen TänzerInnen ermöglicht.
(Text von 2001)
Verfasserin: Adriane von Hoop
Literatur & Quellen
Beyer, Susanne. 2009. Palucca: Die Biografie. Berlin. Aviva. Erdmann-Rajski, Katja. 2000. Gret Palucca: Tanz und Tanzerfahrung in Deutschland im 20. Jahrhundert: Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Deutsche Demokratische Republik. Vorwort Bernd Krause. Hg. Deutsches Tanzarchiv Köln. Hildesheim. Olms.
Jarchow, Peter & Ralf Stabel. 1997. Palucca: Aus ihrem Leben - Über ihre Kunst. Berlin. Henschel.
Krull, Edith & Werner Gommlich. 1964. Palucca. Berlin. Henschel 1972.
Palucca Schule Dresden: Geschichte und Geschichten. Hg. Ralf Stabel. Amsterdam. Verlag der Kunst 2000.
Palucca: Porträt einer Künstlerin. Hg. u. eingel. von Gerhard Schumann. Berlin. Henschel 1972.
Wangenheim, Annette von. 2003. Tanz unterm Hakenkreuz. TV-Film. 45. min. Köln. WDR.
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