Romaine Brooks "Peter (A Young English Girl)", (=Porträt von Gluck) 1923/4. Wikimedia commons
(Geburtsname: Hannah Gluckstein)
geboren am 13. August 1895 in London, Großbritannien
gestorben am 10. Januar 1978 in Steyning, Sussex, Großbritannien
britische Malerin
45. Todestag am 10. Januar 2023
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Sie nannte sich einfach Gluck, ohne Vornamen: Sie fand, dass ihre Bilder für sich sprechen und ihre Gemälde im Vordergrund stehen sollten, nicht aber ihr biologisches Geschlecht. Aber zentral waren - sowohl in ihrem Leben als auch in ihren Gemälden - Frauen.
Die in London geborene Malerin stammte aus einer reichen jüdischen Familie. Ihr Großvater väterlicherseits war 1841 von Deutschland nach London ausgewandert, wo er einen Tabakhandel begann. Dieses Unternehmen war bis zur Jahrhundertwende zu einem der größten Tabakunternehmen Großbritanniens geworden. Einer der Erben war sein Sohn Joseph Gluckstein, Glucks Vater; ihre Mutter war die US-amerikanische Opernsängerin Francesca Hall.
Nach dem Schulbesuch ging die angehende Malerin von 1914 bis 1913 an die St John’s Wood School of Art. Eine Erfahrung, die sie frustrierte, denn sie lernte dort nicht wirklich etwas. Zudem hofften ihre Eltern, dass sie dort einen Mann finden würde, den sie heiraten könnte. Sie wollte von ihnen auch nicht Hannah genannt werden, nur ihren Spitznamen „Hig“ fand sie akzeptabel. Erfahrungen, die sie rebellieren ließen. Immerhin lernte sie dort aber ihre spätere Partnerin E. M. Craig (1893-1968) kennen, die sich auch nur mit ihrem Nachnamen ansprechen ließ.
Zusammen mit Craig und zwei anderen KünstlerInnen zog sie in die Künstlerkolonie Lamorna, der späteren Newlyn School, in Cornwall. Dort traf sie zum ersten Mal richtige KünstlerInnen und änderte ihren Namen in Gluck, womit sie sich deutlich von ihrer Familie distanzieren wollte, wenn auch nicht völlig, lebte sie doch von deren Geld. Da sie also finanziell unabhängig war, musste sie nicht vom Verkauf ihrer Bilder leben. So konnte sie sich den Luxus leisten, Kommerzialisierung und Zweitklassigkeit in der Kunst abzulehnen und nur zu malen, was sie wollte. Sie neigte zum Perfektionismus und widmete sich jedem einzelnen ihrer Bilder mit absoluter Hingabe.
Zu dieser Zeit war sie bereits nicht länger willens, sich gesellschaftlichen Erwartungen an die Frauenrolle anzupassen. So trug sie jetzt ihre Haare kurz, und ihre Partnerin brachte sie zu Elsa Schiaparelli, Victor Stiebel und Madame Karinska nach Paris, die androgyne Kleidung für sie entwarfen, wodurch sie sich von der Gesellschaft abgrenzen wollte. Liebesbeziehungen lebte sie ausschließlich mit Frauen. Das Ende einer Liebe griff sie massiv in ihrem Selbstwertgefühl an und sie zerstörte Erinnerungen: Tagebücher, Briefe, Fotos – und Gemälde von Frauen, die sie vergessen wollte.
Ihre Werke präsentierte sie ausschließlich in insgesamt fünf Einzelausstellungen, da sie sich keiner Bewegung, Schule oder Strömung zugehörig fühlte.
Ihre erste Ausstellung hatte sie 1924 mit 56 Werken in der Dorien Leigh Gallery in London; es waren vor allem Porträts und Blumenbilder, für sie sie bekannt werden sollte. Anschließend wandte sie sich der Theaterwelt zu, die daraus resultierenden Gemälde wurden 1926 unter dem Titel Stage and Country in der Fine Art Society in London ausgestellt.
Die US-amerikanische, in Paris lebende Malerin Romaine Brooks malte 1926 ein Porträt Glucks, das sie „Peter, A Young English Girl” nannte. Mit der Pariser lesbischen “haut-monde”, wie sie sie nannte, wollte Gluck allerdings genauso wenig zu tun haben wie mit Künstlergruppen.
Auch wenn sie 1926 nach London zog, behielt Gluck ihr Studio in Lamorna bei. Erst in den 1950er Jahren schaffte sie sich mit ihrer letzten Partnerin Edith Shackleton Heald dort wieder ein zweites Haus an.
Von 1926 bis 1939 lebte Gluck in einem Haus in London in West Hampstead, das ihr Vater gekauft hatte und an das sie 1931 ein Studio anbauen ließ. Sie konnte es sich leisten, dort eine Haushälterin, eine Köchin und ein Dienstmädchen zu beschäftigen. Ab 1928 lebte sie dort mit der Journalistin und Schriftstellerin Sybil Cookson (1890-1963) zusammen.
1932 fand ihre nächste Ausstellung unter dem Titel Diverse Paintings statt - wiederum in London in der Fine Art Society. Im gleichen Jahr begann sie ihre Beziehung mit der Blumendesignerin Constance Spry (1886-1960), deren Arbeit ihre Gemälde beeinflussten und mit der sie bis 1936 zusammenblieb.
Motive für ihre Gemälde fand sie in ihrem eigenen Leben. Sie malte Landschaften (wie die in Cornwall, als sie dort lebte), Stillleben (vor allem Blumen während ihrer Beziehung mit Constance Spry), Genrestücke aus dem Alltag und Porträts beispielsweise ihrer Familie im Stil des Art déco, der in den 1930er Jahren modern war und sich gut verkaufte. Vor allem waren es Porträts von Frauen (was für Malerinnen eher ungewöhnlich ist), häufig von Lesben, die sie malte. Bekannt ist vor allem ihr Doppelporträt The Medallion (von der Malerin als YouWe-Gemälde bezeichnet) von 1937 von Gluck und ihrer damaligen Geliebten, der Künstlerin Nesta Obermer (1893-1984), das 1982 die Virago-Ausgabe von Radclyffe Halls Klassikerin The Well of Loneliness (deutsch: Quell der Einsamkeit) zierte.
1932 ließ sich Gluck ihren „Gluck-frame“ patentieren, einen speziellen Rahmen, den sie entworfen hatte. Dieser besteht aus drei symmetrisch gestuften Platten, die sich von der Wand erheben, und wird passend dazu bemalt oder tapeziert. Dadurch soll er das Gemälde als Teil der Architektur des Raumes erscheinen lassen. Diesen benutze sie in allen folgenden Ausstellungen, um – wie sie es nannte – den „Gluck-Raum“ entstehen zu lassen.
Ihre vierte Ausstellung, die diesmal auch von der Queen besucht wurde, hatte Gluck 1937 wiederum in der Fine Art Society in London. Unter den 33 Gemälden befand sich auch das oben genannte Doppelporträt The Medallion.
Gluck verließ ihr Haus in London und zog 1939 nach Plumpton in die Nähe ihrer Geliebten Nesta Obermer, bevor sie sich in die Journalistin Edith Shackleton Heald (1885 – 1976) verliebte und 1944 mit dieser und deren Schwester in Steyning, Sussex, zusammenzog.
Die 1950er Jahre waren für Gluck geprägt von Prozessen mit Herstellern von Farben über deren Qualität. Sie fand, dass die angebotenen Farben zum einen körnig waren und zum andern „tot“ auf der Leinwand wirkten. Ein Kampf, der ihr wichtig war, denn sie wollte, dass ihre Werke auf ewig erhalten bleiben.
Durch diese Prozesse verlor sie ein Jahrzehnt, in dem sie nicht malte. Erst als ihr ein Hersteller handgemachte Farben nach ihren Vorstellungen zur Verfügung stellte, kehrte sie mit über 70 Jahren zur Malerei zurück.
Ihre fünfte und somit letzte Ausstellung, die 52 Werke aus ihrer gesamten Schaffensperiode zeigte, fand 1973 mit großem Erfolg statt.
Gluck starb 1978 im Alter von 82 Jahren in Steyning. Zwei Jahre später veranstaltete die Fine Art Society eine sechswöchige Gedenkausstellung mit 45 ihrer Werke.
(Text von 2023)
Verfasserin: Doris Hermanns
Zitate
I made a vow that I would never prostitute my work and I never have … Never, never have I attempted to earn my bread at the cost of my work.
As life went on I spent it prodigally, unwisely. The sense of timelessness deceived me into thinking my time was limitless for creation. Only within the last tormented years have I seen how ambivalent this sense of timelessness has been. It gave eternal qualities to my work, perhaps, but it also limited its output.
(Zitiert nach: Diane Souhami: Gluck)
Literatur & Quellen
Fessel, Karen-Susan und Axel Schock: Hannah Gluckstein. In: Dies.: Out! 500 berühmte Lesben, Schwule und Bisexuelle. Berlin, Querverlag, 1997, S. 128
Greer, Germaine: Das unterdrückte Talent. Die Rolle der Frauen in der bildenden Kunst. Berlin, Ullstein, 1980, S. 60 und 74
Haye, Amy De La and Martin Pel: Gluck: Art and Identity. London, Yale Un. Press, 2017
McNeil, Peter: Gluck. In: Robert Aldrich and Garry Wotherspoon (ed.): Who’s Who in Gay and Lesbian History From Antiquity to World War II. London, Routledge, 2001, p. 184f
Souhami, Diana: Gluck. 1895-1978. Her Biography. London, Unwin Hyman, 1988
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