Biographien Gertrud Kückelmann
geboren am 3. Januar 1929 in München
gestorben am 17. Januar 1979 in München
deutsche Schauspielerin
95. Geburtstag am 3. Januar 2024
45. Todestag am 17. Januar 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Mitte der 1960er Jahre kaufte ich mir meinen ersten Fernseher, und eins der ersten großen Erlebnisse, die er mir bescherte, war die Aufzeichnung von Schnitzlers Frau Berta Garlan mit Gertrud Kückelmann in der Titelrolle. Sie spielte die Rolle der betrogenen liebenden Frau mit so verzehrender Intensität, daß es mir bis heute unvergesslich ist. Und es heißt immer wieder in den Nachrufen, daß das Fernsehen nur einen müden Abglanz dessen vermitteln konnte, was sie auf der Bühne ausstrahlte.
Am 17. Januar 1979, zwei Wochen nach ihrem 50. Geburtstag, sprang Gertrud Kückelmann aus der Schwabinger Wohnung ihres Bruders, des Rechtsanwalts und Filmregisseurs Norbert Kückelmann, vier Stockwerke tief in den Tod. Sie hinterließ keinen Abschiedsbrief, aber die Obduktion ergab, dass sie an Darmkrebs in fortgeschrittenem Stadium litt, und so wird vermutet, dass sie einem schrecklichen Ende vorgreifen wollte und/oder an schweren, wohl durch die Krankheit bedingten Depressionen litt.
Die Nachrufe für sie bezeugen eine ungewöhnliche Tiefe des Gefühls und Sensibilität des Urteils. Um “Kücki” wurde wirklich getrauert: “‘Kücki’ wurde sie zärtlich genannt, und ohne Zärtlichkeit ist sie nicht zu denken.” (FAZ) Joachim Kaiser bescheinigt ihr “eine hohe, gewiß eigensinnige Intelligenz sowie eine manchmal beinahe erschreckende Professionalität. Sie konnte sehr viel.” Und die ZEIT diagnostiziert “...eine ausdauernde, zutiefst ratlose Freundlichkeit, die das genaue Gegenteil von Fröhlichkeit ist” und schließt mit dem Fazit: “Im Gedächtnis werden bleiben: ihre unaufwendige, schlafwandlerische Virtuosität und mehr noch ihre Schwermut ohne Schwere.”
Zwischen der Karriere Gertrud Kückelmanns und derjenigen Audrey Hepburns gibt es erstaunliche Parallelen. Beide wurden 1929 geboren, begannen als Ballettänzerinnen – eine Ausbildung, die ihre Anmut noch unterstrich und ihre ganze Erscheinung und Auftrittsweise prägte. Beide betörten ihr Publikum mit diesen großen dunklen sprechenden Augen in dem zarten, verletzlichen Gesicht. Beider größte Filmerfolge fielen in die 1950er Jahre, als sie in ihren Zwanzigern waren und ihr Alter sich noch mit ihrer “mädchenhaften” Erscheinung und Ausstrahlung deckte.
In den 1960er Jahren zog Hepburn sich allmählich aus dem Filmgeschäft zurück, während Kückelmann, die seit 1949 festes Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele war, ihre großen Triumphe auf der Bühne feierte – dadurch dem ganz großen Publikum allerdings entzogen. 1969 wurde ihr Vertrag an den Kammerspielen nicht verlängert, und sie arbeitete eine Weile als – Krankenschwester. Seit 1974 sah man sie dann wieder im Fernsehen und auf dem Theater, arbeitete sie für den Rundfunk und als Synchronsprecherin.
Kückelmann, deren schauspielerisches Können niemand bestritt – schon für ihre zweite Filmrolle bekam sie 1952 den Bundesfilmpreis als beste Nachwuchsschauspielerin – galt als schwierig. “Immer wieder hatte sie Meinungsverschiedenheiten mit Kollegen und Regisseuren, weil sie zu hohe Ansprüche stellte.” (Kölner Stadtanzeiger). “Ihr überragendes Talent aber veranlasste Theaterleute doch immer wieder, mit der gewiss nicht unproblematischen Künstlerin zusammenzuarbeiten.” (Rhein. Post)
Gertrud Kückelmann selbst sah es so: “Die eigene Persönlichkeit muss in einer anderen aufgehen. Man muss achtgeben, sich selbst zu bewahren, gerade, wenn man Rollen intensiv gestaltet. Für sensible Menschen ist dieser Beruf Erfüllung und Gefährdung gleichermaßen.”
(Text von 1998)
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
München-Pasing, Ende der siebziger Jahre. Im ersten Stock eines Wohnhauses in der Floßmannstraße lebt und arbeitet der Schriftsteller Hans-Werner Richter. Er ist um die 70 Jahre alt. … Von 1947-1967 war er die animierende Bezugsperson der “Gruppe 47”. Über ihm, im zweiten Stock des Hauses, wohnt eine Schauspielerin. Er hört nachts ihre Schritte, er begegnet ihr an der Haustür, am Briefkasten, beim Einkaufen. Er lädt sie eines Tages zum Essen ein. Aber daraus wird nur ein langes, intensives Treffen in einer Eisdiele. Sie ist oft verreist. Die beiden unternehmen einen Spaziergang an der Isar, besuchen einen Biergarten, gehen zusammen ins Theater. Aus einer flüchtigen Bekanntschaft wird eine diskrete, unausgesprochene Freundschaft. Es ist alles andere als eine Romanze. Aber Stoff für ein Stück Prosa. Die Schauspielerin in Hans Werner Richters Erzählung “Die Flucht nach Abanon” hat keinen Namen. Aber das Buch trägt eine Widmung: “Für Gertrud Kückelmann”. (Prinzler, 1998)
Gertrud Kückelmann drehte zwischen 1949 und 1957 19 Filme. … (Sie) verkörpert in ihren Filmen Unschuld, Naivität, Anmut, Jugendlichkeit, Glücksversprechen. … Sie gibt den Filmen, auch wenn ihnen sonst jeder Sinn, jedes Zentrum, jeder Geschmack fehlen, eine Seele. (Prinzler, 1998)
Literatur & Quellen
Kaiser, Joachim. 1979. “Ein selbstgewähltes Schicksal: Zum Tod von Gertrud Kückelmann”, Süddeutsche Zeitung, 19.1.1979.
Lubowski, Bernd. 1979. “Kollegen und Publikum trauern um den Star Gertrud Kückelmann”, Morgenpost, 19.1.1979.
Munzinger, L. (Hg.): Munzinger Archiv. Internationales biographisches Archiv, Ravensburg 1980 (1) und 1997 (1).
Petzet, Wolfgang. 1973. Theater: Die Münchner Kammerspiele 1911-1973. München. Desch.
rinzler, Hens Helmut. 1998. “Fern von jeder Realität: Über die Schauspielerin Gertrud Kückelmann”. FilmGeschichte 11/12, 1998, S. 54-57.
Richter, Hans Werner. 1980. Die Flucht nach Abanon. Erzählung. München. Nymphenburger.
Stankiewicz, Karl. 1979. “Gertrud Kückelmann hatte Krebs. Krankheit nicht mehr ertragen? Sie sprang in den Tod”, Kölner Stadtanzeiger, 19.1.1979.
Zander, Brigitte. 1979. “Gertrud Kückelmann gestorben”, Rheinische Post, 19.1.1979.
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