Biographien Gabriele von Glasow
geboren am 12. Mai 1928 in Partheinen, Ostpreußen
gestorben am 24. Juli 2004 in Hannover
deutsche Malerin, Gesangspädagogin und Sängerin
20. Todestag am 24. Juli 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Gabriele von Glasow wuchs als zweite von fünf Töchtern und zwei Söhnen des ostpreußischen Gutsbesitzers Ernst von Glasow und seiner Frau Charlotte, geborene von Berg, auf dem Gut Partheinen in der Nähe des Frischen Haffs auf. Sie besuchte wie ihre Geschwister zwei Jahre lang die Dorfschule und wurde dann von einer Hauslehrerin erzogen. Ab ihrem zehnten Lebensjahr ging sie in Königsberg auf ein Lyzeum und wohnte unter der Woche in einer Pension. Schon als Kind war Gabriele dauernd mit Zeichnen beschäftigt – wohl ein Erbteil ihres künstlerisch begabten Vaters, von dem noch heute ein riesiges Fresko (etwa 30x8m) im Kreishaus Vechta zu besichtigen ist, das er dort nach der Rückkehr aus amerikanischer Gefangenschaft anfertigte.
Gabriele von Glasow erinnert sich ihrer Kindheit und Jugend mit großer Dankbarkeit: “Unsere Eltern liebten uns sehr, ließen uns viel Freiheit und förderten jedes nach seiner Begabung.” Als Gabrieles künstlerische Begabung nicht mehr zu übersehen und zu bremsen war, schickten die Eltern sie in ein Internat in die Kunststadt Weimar, wo sie Zeichenunterricht bei einem Maler bekam. “Dort passierte jedoch ein Unfall”, erzählt von Glasow, “der mich von der Kunst zur Welt des Gesangs wechseln ließ.” Die Fünfzehnjährige verliebte sich “unsterblich” in Lotte Müksch, jugendlich-dramatische Sängerin an der Oper in Weimar und beschloß, da sie ihr anderweitig nicht näherkommen konnte, wenigstens in ihre Fußstapfen zu treten. Einmal pro Woche fuhr sie nun nach Jena zum Gesangsunterricht, den die liebevollen Eltern, obwohl einigermaßen verblüfft ob des plötzlichen Sinneswandels ihrer Tochter, gutwillig bezahlten. Gabriele setzte aber auch ihren Zeichenunterricht fort.
All dies spielte sich mitten im zweiten Weltkrieg ab, der immer mehr auf die Katastrophe zusteuerte. Der Vater war als Oberstleutnant an der Ostfront, wurde an die Westfront versetzt und geriet bald nach der Landung der Alliierten in amerikanische Gefangenschaft, von der er erst sehr spät zurückkehrte. Die Eltern hatten an die inzwischen weitverstreute Familie die Parole ausgegeben, man wolle sich, wenn es notwendig würde, zu Verwandten nach Vechta flüchten. Die sechzehnjährige Gabriele floh also, nachdem die Schule ihren Schülerinnen noch schnell ein Notabitur verpaßt hatte, per Zug vor den Russen aus Weimar ins Oldenburgische – für diese Strecke brauchte sie acht Tage.
Wie so viele Familien des ostpreußischen Landadels hatten die von Glasows buchstäblich alles verloren. Die Verwandten überließen ihnen ein kleines Heuerhaus. Charlotte von Glasow gelang es, die Familie über Wasser zu halten – von dem Verbleib des Vaters wußte zunächst niemand etwas. Nach vielen Überlebensübungen in schwerer Zeit konnte die inzwischen zwanzigjährige Gabriele ihr Gesangsstudium an der Folkwangschule in Essen aufnehmen. Ihre Lehrerin war die bedeutende Gesangspädagogin Hilde Wesselmann, mit der Gabriele von Glasow über fünfzig Jahre lang freundschaftlich verbunden blieb. Da die Abteilung Bildende Kunst der Folkwangschule im selben Gebäude war, konnte von Glasow ohne große Umstände auch ihre Ausbildung im Zeichnen und Malen wieder aufnehmen.
Immer noch war Gabriele von Glasows eigentliches Ziel die Oper, es sollte aber anders kommen. Hilde Wesselmann erkrankte schwer und bat ihre Schülerin von Glasow, an ihrer Stelle Konzert– und Unterrichtsverpflichtungen zu übernehmen. Zwar hatte von Glasow in den fünfziger Jahren auch kurzfristig ein Engagement an der Bonner Oper, es überwogen aber die Auftritte in Konzert- und Oratorienaufführungen. Besonders gern erinnert sie sich an die Matthäus- und Johannespassion mit den Thomanern in Leipzig unter der Leitung des früh verstorbenen Thomaskantors Günther Ramin.
Der Pianist Sebastian Peschko, der in Hannover eine Liedklasse leitete, empfahl Hilde Wesselmann Mitte der 1960er Jahre eine junge Sängerin aus Chile, Mayling Konga. So lernten sich Gabriele und Mayling kennen – und lieben. Ihr harmonische Lebensgemeinschaft währt nun bald vierzig Jahre. 1968 holte Prof. Felix Prohaska Gabriele von Glasow an die Hochschule für Musik und Theater nach Hannover. Unter seinem Nachfolger, Prof. Dr. Richard Jakoby, lehrte sie 21 Jahre lang als Professorin für Gesang. Mit 61 Jahren ließ sie sich frühpensionieren, um endlich mehr Zeit für ihre Malerei zu haben.
Anfangs war das Malen für sie wie eine Obsession – immerhin hatte sie diese andere Seite ihrer künstlerischen Begabung über vierzig Jahre lang kaum ausüben können. Den Anstoß für den brennenden Wunsch zu malen gab eine nächtliche Fernsehsendung über den inzwischen verstorbenen englischen Maler Francis Bacon, die sie ganz zufällig eingeschaltet hatte. Francis Bacon ist hierzulande besonders bekannt geworden durch seine beunruhigenden Bilder schreiender Päpste in Glaskästen. “Eine Stille, die man hören kann, die mit Händen zu greifen ist”, sagt von Glasow.
An Vorbildern nennt Gabriele von Glasow außer Bacon Piero della Francesca, Velázquez, Masaccio und Gerhard Richter.
Ende der 1970er Jahre erkrankte Gabriele von Glasow an Brustkrebs, zwanzig Jahre später, 1998, hatte sie einen Rückfall. Ihre FreundInnen befürchteten das Schlimmste, aber von Glasow hat auch dies überlebt mit der ihr eigenen Unbeirrtheit und Tapferkeit. Zwar hat sie schon ein riesiges Oeuvre von über hundert größeren Bildern geschaffen (viele im Format 1,65 x 1,65m), aber das ist nur ein Bruchteil dessen, was sie noch vorhat. Immerhin hat sie vierzig Jahre nachzuholen.
Die zerbrechlich wirkende, zierliche Frau mit der weichen weißgrauen Schafwollfrisur (nach den vielen Chemos), die am 12. Mai 2003 ihren 75. Geburtstag feiert, arbeitet seit fünfzehn Jahren täglich viele Stunden in ihrem Atelier im Souterrain in der Pobielskistraße – und vergißt darüber regelmäßig Zeit und Stunde.
(nach einem Interview mit Gabriele von Glasow am 19. März 2003)
Nachtrag: Gabriele von Glasow ist am 24. Juli 2004 in Hannover gestorben.
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Verfasserin: Luise F. Pusch
Literatur & Quellen
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