Biographien Friederike Charlotte Luise Freiin von Riedesel
(Friederike Charlotte Luise Freiin von Riedesel zu Eisenbach, geb. von Massow)
geboren am 11. Juli 1746 in Brandenburg
gestorben am 29. März 1808 in Berlin
deutsche Amerikareisende und Briefschreiberin
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
In Nordamerika scheint Friederike Charlotte Luise Baroness Riedesel zu Eisenbach heute auf größeres Interesse zu stoßen als in ihrer Heimat. Ihre nachhaltige schriftstellerische Leistung ist die private Briefkorrespondenz über Zustände während der amerikanischen Unabhängigkeitskriege und daher ist der Gegenstand ihrer Briefe Teil der US-amerikanischen Geschichte. Aber sie schreibt – durch und durch deutsche Adelige – an ihre Verwandtschaft in Preußen, Hannover und Brauschweig-Wolfenbüttel. Ihr Schwiegersohn publiziert die Briefe, darunter auch einige ihres Mannes, Generalleutnant Riedesel, nebst einer Schlachtschilderung 1796 für den privaten Familien- und Freundeskreis. Und dieser Privatdruck gelangt in die Hände des Berliner Verlegers Johann Carl Spener, der vom Inhalt total begeistert ist und kurz vor dem Tod des Generalmajors Riedesel von diesem die Druck-Genehmigung in seinem renommierten Verlag Haude und Spener erhält. Die Veröffentlichung erlebt nach dem Erstdruck 1800 binnen Jahresfrist eine weitere Auflage und hat das Amerika-Bild in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland nachhaltig geprägt. Der Brief-Band wird in mehrere Sprachen übersetzt und gilt neben den umfangreichen Tagebüchern der Friederike und den Briefen ihres Mannes Friedrich, die sich heute im Kanadischen Nationalarchiv in Ottawa und der University of New Brunswick (Kanada) befinden, als wichtige Quelle der Kämpfe um die Neuengland-Staaten im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.
Ihr Vater Valentin von Massow – ab 1763 königlich preußischer wirklicher geheimer Staatsminister – ist, schon bevor er im Siebenjährigen Krieg als Chef des General-Kriegs-Kommissariats der alliierten Armee amtiert, 1746 nach Minden versetzt worden; dort wächst Friederike auf. Im August 1762 wird der in Frankreich verwundete braunschweigisch-wolfenbüttel’sche Oberstleutnant Friedrich Adolf Riedesel Freiherr zu Eisenbach in die Obhut der Familie gegeben und die 16jährige kümmert sich um den schmucken, jungen Offizier, lernt ihn näher kennen und lieben. Die beiden heiraten im Dezember des gleichen Jahres auf Schloss Neuhaus bei Paderborn – in Anwesenheit des Herzogs. Die nächsten 16 Jahre lebt sie im Offiziershaushalt in Wolfenbüttel. Von vier Kindern, die sie bisher zur Welt gebracht hat, haben zwei Mädchen, Auguste und Friederike, überlebt. Ihr Mann hat inzwischen Karriere gemacht und steht kurz vor der Ernennung zum General; sie erwartet ihr fünftes Kind.
Am 19. April 1775 bricht sich die amerikanische Revolution Bahn. Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg unter George Washington mit den ersten Schlachten von Lexington und Concord und der schnell erfolgten Unabhängigkeitserklärung von zunächst 19 Staaten am 4. Juli 1776 nimmt seinen Lauf. In dieser Lage bittet der britische König Georg III. aus dem Hause Hannover seinen engsten Verwandten im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel um gut ausgebildete Truppen und versierte Truppenführer. Fürst Karl I. schickt 4.000 Soldaten und 350 schwere Dragoner unter dem Kommando des neu beförderten General-Majors Riedesel zur Unterstützung. Sie sollen von Kanada aus die Neuengland-Staaten gegen die von Süden anrückende Armee der Konföderierten Staaten mit verteidigen. Am 18. März machen sich die Braunschweig-Wolfenbütteler Truppen über Stade auf die Überfahrt nach Quebec; die hochschwangere Friederike gibt ihrem Mann das Versprechen, so schnell als möglich zu folgen. Im März wird die dritte Tochter Caroline geboren und im Mai macht sich Friederike auf nach England. Dort verzögert sich die Weiterreise. Erst im April 1777 kann sie die Reise nach Quebec fortsetzen. Sie hat die Zwischenzeit genutzt, um in kürzester Zeit fast perfekt Englisch zu lernen. Im Juni kann sie ihren Friedrich in Trois-Rivières in die Arme schließen.
Sie erreicht es beim englischen Oberkommando, ihren Mann mit den drei Mädchen auf den folgenden Feldzügen begleiten zu dürfen und lebt unter kaum vorstellbaren Zuständen im Militär-Camp neben den Schlachtfeldern. Über all ihre Erlebnisse berichtet sie in den später publizierten Briefen an die Familie in Deutschland und in ihren archivierten Tagebüchern.
Das wohl tiefgreifendste Erlebnis ist die Teilnahme an den entscheidenden Schlachten von Saratoga. Während der General die deutschen und indianischen Truppen befehligt, wird Friederike Baroness Riedesel durch ihren humanitären und praktischen Einsatz zur Legende. „Mrs. General“ oder „Lady Fritz“, wie sie tituliert wird, rettet Menschenleben, kritisiert Generäle wegen ihrer unmenschlichen Befehle, die zahllose Soldaten in einen sinnlosen Tod schicken. Sie wird zum „angel of comfort“, als sie im heute unter nationalem Denkmalschutz stehenden Marshall House in Shuylerville nahe Saratoga, einem massiven Holzhaus mit großem Steinkeller, ungeahnte Kräfte mobilisiert und für „Ordnung im Chaos“ sorgt. Das Haus steht tagelang unter massivem Beschuss, und Friederike kümmert sich um ihre eigenen und um fremde Kinder, mit der Truppe ziehende Frauen, pflegt verwundete Offiziere und Soldaten – sie hält die eingeschlossene Gemeinschaft zusammen und am Leben…
Die Kampagne von Saratoga geht für die Briten desaströs aus und bringt die Wende im Unabhängigkeitskrieg, da in der Folge die Franzosen auf Seiten der Konföderierten in den Krieg eingreifen und mit ihrer Flotte den Krieg auf die Meere und Nachschubwege der Briten ausbreiten. Die Riedesels geraten zunächst zwei Jahre in kasernierte Gefangenschaft und sind die Jahre bis Kriegsende zunächst im Hausarrest Gast der Konföderierten, bevor die Familie nach New York gehen kann. Hier wird die Tochter America geboren, und General Riedesel bekommt im Winter 1780/81 ein Kommando auf Long Island. Er erkrankt schwer an Pocken und wird von Friederike liebevoll gesund gepflegt. Die verbliebenen überlebenden braunschweigisch-wolfenbüttel’schen Truppenteile werden in die zur britischen Krone gehörige Provinz Quebec entlassen.
Kurz vor dem Frieden von Paris und der Rückreise der Familie und der Truppenteile in die Heimat wird General Riedesel 1781 durch den Gouverneur von Quebec als Einsatzleiter des Sorel Distrikts bestellt; hier kommt 1783 die Tochter Canada zur Welt, die jedoch stirbt, bevor die Familie von Sorel bzw. Quebec aus im Spätsommer 1783 die Heimreise über England ins Braunschweigische antritt.
Zu Weihnachten 1781 soll im Hause Riedesel in Sorel bei einem festlichen Essen der Familie mit heimwehkranken deutschen und britischen Offizieren und deren Frauen sowie einigen hochgestellten Bürgerfamilien der Stadt durch Friederike der erste mit Äpfeln, Nüssen und Kerzen geschmückte Wehnachtbaum auf amerikanischem Boden deutsche Weihnachtkultur zum Strahlen gebracht haben; es gab Gänsebraten, selbstgebackene Weihnachtsplätzchen und – very british – auch Plumpudding.
Das Leben nach der Rückkunft verläuft in ungleich ruhigeren Bahnen. Die Riedesels bekommen noch zwei weitere Kinder: 1785 Georg Karl und 1787 Charlotte. Der General ist noch bis 1793 mehrfach in Holland im Einsatz, bevor er seinen Abschied nimmt und 1800 stirbt. Er hat die Veröffentlichung und den Erfolg der Briefe unter dem Titel: „Die Berufs-Reise nach America. Briefe der Generalin Riedesel auf dieser Reise und während ihres siebenjährigen Aufenthaltes in America zur Zeit des dortigen Krieges in den Jahren 1777 bis 1783 nach Deutschland geschrieben“ nicht mehr miterlebt.
Friedericke Charlotte Luise Freiin von Riedesel zieht nach Berlin, wo sie 1808 stirbt. Sie findet an der Seite ihres geliebten Friedrich – mit dem sie im wahrsten Sinn des Wortes durch dick und dünn gegangen ist – in der Familiengruft in Lauterbach ihre letzte Ruhe.
Die Briefschreiberin Friederike Riedesel zu Eisenbach ist eigentlich unfreiwillig zur Schriftstellerin geworden. Ihre Briefe zeigen sie allerdings als eine genaue Beobachterin und stilsichere Darstellerin der privaten, menschlichen und soziopolitischen, militärischen Umstände, die sie nicht nur beobachtet, sondern in die sie elementar verwoben ist. Es ist stets eine sehr individuelle, persönliche Sicht, und die Adressaten sind stets mit ihr verwandte bzw. eng bekannte Menschen, meist ihre Mutter.
Wir sollten uns hüten, sie zur ersten Kriegsberichterstatterin, zur Auslandskorrespondentin zu stilisieren. Das tut ihr Gewalt an und wird ihr als intime Briefschreiberin nicht gerecht. Ihre Briefe waren nie für ein großes Publikum gedacht – und doch sollten sie heute, gerade in diesen unfriedlichen Zeiten, auch bei uns eine größere Bekanntheit haben.
(Text von 2024 aus dem Buch “...immer Luise”; mit freundlicher Genehmigung des Verfassers).
Verfasserin: Siegfried Carl
Literatur & Quellen
Carl, Siegfried. 2024. ... immer Luise: Poetische Literaturgeschichten über Schriftstellerinnen des 18. bis frühen 20. Jahrhunderts. Werther. salamandra edition.
Riedesel, Friederike Charlotte Luise (von Massow) Freifrau von. 1965. Baroness von Riedesel and the American Revolution; journal and correspondence of a tour of duty, 1776-1783. A rev. translation, with introd. and notes, by Marvin L. Brown, Jr., with the assistance of Marta Huth. Chapel Hill. for the Institute of Early American History and Culture at Williamsburg, Virginia at the University of North Carolina Press.
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