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(Mary Flannery O'Connor)
geboren am 25. März 1925 in Savannah, Georgia
gestorben am 3. August 1964 in Milledgeville, Georgia
US-amerikanische Schriftstellerin
100. Geburtstag am 25. März 2025
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Flannery O'Connor, geboren 1925 in der Hafenstadt Savannah, Georgia, war das einzige Kind von Regina und Edward O'Connor, deren Familien aus Irland stammten und der katholischen Minderheit Georgias angehörten. Der katholische Glaube spielt im Leben und Werk Flannery O'Connors eine zentrale Rolle; sie ging, wenn sie konnte, jeden Tag frühmorgens zur Messe, und ihre Geschichten und Romane handeln oft von göttlicher Gnade, die die “Auserwählten” trifft wie ein Holzhammer: “Der Mensch widersetzt sich der Gnade vehement, denn Gnade verändert uns, und Veränderung tut weh,” fand O'Connor (The Habit of Being). Sie schrieb Literatur, wie sie laut Kafka sein sollte: “Eine Axt für das gefrorene Meer in uns”.
Vater O'Connor, Immobilienmakler, heiratete 1922 mit 26 Jahren die gleichaltrige Regina Cline, Tochter aus gutem und sehr kinderreichem Hause. Während der Great Depression der 1930er Jahre liefen seine Geschäfte schlecht. Mit verantwortlich für seine Misserfolge war wohl auch seine Autoimmunerkrankung, Lupus Erythematodes (SLE), an der er starb, als seine Tochter nicht einmal sechzehn Jahre alt war. Sein Tod war für Flannery ein schwerer Schlag, denn das Verhältnis zu ihrem liebevollen und immer unterstützenden Vater war sehr innig gewesen. Er war es gewesen, der ihre ersten Gedichte und Zeichnungen aufbewahrte und stolz herumzeigte. Flannery erkannte später in ihm einen Vorläufer ihrer Profession und meinte, wenn er es sich hätte leisten können, hätte er auch lieber geschrieben als sich im Immobiliengeschäft aufzureiben.
Wegen der Krankheit des Vaters zog die Familie 1938 nach Milledgeville ins Landesinnere, wo die Familie der Mutter etliche Häuser besaß. Dort besuchte Flannery die High-School und danach das Georgia State College for Women. Da Krieg herrschte, wurde die Studienzeit verkürzt, und sie konnte schon nach dreijährigem Studium ihren Abschluss in Soziologie machen. Eine Lehrerin, die ihre Begabung erkannte, erwirkte ihr ein Stipendium für die University of Iowa in Iowa City. Eigentlich wollte O'Connor dort Journalistin werden, aber ihr akademischer Lehrer Paul Engle, der einen Writers' Workshop leitete, zeigte sich von ihren literarischen Arbeiten so beeindruckt, dass sie beschloss, es als Schriftstellerin zu versuchen.
Sie erhielt 1947 ihren MFA (Master of Fine Arts) für eine Reihe von Kurzgeschichten. Danach begann sie das Leben einer professionellen Schriftstellerin: Sie suchte sich eine gute Literatur-Agentin, arbeitete weiter an ihrem ersten Roman (einzelne Kapitel davon konnte sie als Kurzgeschichten bei renommierten Literaturzeitschriften unterbringen), bewarb sich um Literaturstipendien und Stipendien für Kost und Logis in Künstlerkolonien wie Yaddo (in Saratoga Springs, NY) und knüpfte viele wichtige, teils lebenslange Kontakte mit SchriftstellerInnen und KritikerInnen. Die wichtigste Bekanntschaft fürs Leben war der Dichter Robert Lowell, der sie in mit ihrem zukünftigen Verleger Robert Giroux und den beiden katholischen LiteratInnen Sally und Robert Fitzgerald bekanntmachte, die O'Connor später zu ihren literarischen NachlassverwalterInnen ernannte. Sie besaßen ein Anwesen in Connecticut und vermieteten O'Connor ein Studio oberhalb einer Garage.
Mitten in diesem Aufbruch erkrankte O'Connor Ende 1950 ebenfalls an Lupus. Die Diagnose wurde ihr aber erst Mitte 1952 mitgeteilt. Es war Sally Fitzgerald, die ihr reinen Wein einschenkte. Die Mutter und die Ärzte hatten ihr die Wahrheit nicht zumuten wollen.
Man “gab ihr” noch sieben Jahre, tatsächlich aber blieben ihr noch zwölf Jahre, die sie intensiv für ihre schriftstellerische Arbeit und Karriere nutzte. An ihrer letzten Short Story arbeitete sie unablässig noch auf dem Sterbebett.
1947 hatte Regina O'Connor die am Rande von Milledgeville gelegene Farm Andalusia mit 200 Hektar Farmland und 400 Hektar Wald geerbt. Die Farm wurde für Mutter und Tochter Zufluchtsort und Quelle des Lebensunterhalts, denn die schriftstellerische Tätigkeit brachte O'Connor zwar immer mehr Ruhm, aber nicht genug Geld. Die Mutter betrieb eine gutgehende Milchwirtschaft, auch verkaufte sie Shetland-Ponys. O'Connor war zuständig für Geflügel, für das sie seit ihrer Kindheit eine Vorliebe hatte, zuerst besonders für Hühner, später waren Pfauen ihre Lieblingsvögel.
O'Connor war existentiell auf die Hilfe ihrer Mutter angewiesen und fürchtete nichts so sehr, wie dass Regina (wie sie sie zeitlebens nannte) vor ihr sterben könnte. In O'Connors Werk gibt es zahlreiche Farmbesitzerinnen mit unverheirateten Töchtern, die sie verzweifelt an den Mann zu bringen versuchen. Äußerst gespannte Mutter-Tochter-Beziehungen, die den geheimen Horror des gelebten Alltags abbilden: Hier die geniale, aber allein hilflose Tochter, die “seltsame Geschichten über unsympathische Leute” schreibt und damit die eigene Mutter und die ganze Familie “in Verruf bringt”, dafür allerdings internationalen Ruhm genießt, dort die tüchtige, liebevolle, aber konventionelle Mutter, der die Pflege ihrer Tochter bis an deren Lebensende aufgebürdet bleibt.
Flannery O'Connor, die sehr sorgfältig und langsam arbeitete, schuf in nur 18 Jahren ein literarisches Werk, das bis heute ausstrahlt und in seiner Bedeutung immer höher eingeschätzt wird: Zwei Romane, Wise Blood (1952) und The Violent Bear it Away (1960) sowie zwei Bände mit Short Stories, A Good Man is Hard to Find (1955) und Everything that Rises Must Converge (posthum, 1965). Für ihre Collected Stories erhielt sie 1972 posthum den Pulitzerpreis.
Ein wesentlicher Teil ihres Gesamtwerks sind auch ihre Briefe. Sie bekam viele Briefe, nicht nur von KollegInnen wie Robert Lowell, Katherine Anne Porter, Elizabeth Bishop u.v.a, sondern auch von ihren LeserInnen - und sie beantwortete sie alle! Die Briefe erschienen 1979, 15 Jahre nach ihrem Tod, unter dem Titel Letters of Flannery O'Connor: The Habit of Being. Der Literaturkritiker Richard Gilman über diese Briefe: “To compare her with the great letter writers in our language ... would have elicited from her one of her famous steely glances, but Byron, Keats, Lawrence, Wilde and Joyce come irresistibly to mind”.
O'Connors Werk wurde einer tückischen, sie langsam von innen zerstörenden Krankheit abgetrotzt und entstand in einer fürsorglichen, aber verständnislosen und literaturfremden Umgebung, verkörpert durch die Mutter, die zahllosen Verwandten und die kleinstädtische bzw. ländliche Bevölkerung in und um Milledgeville. Es scheint, dass diese zutiefst widersprüchlichen Existenz- und Arbeitsbedingungen Flannery O'Connors der ideale Nährboden waren für ihr religiös-satirisch-lakonisch grundiertes Werk: “Was die Leute nicht verstehen ist, wie viel die Religion kostet. Sie denken, der Glaube sei eine dicke Heizdecke, wo er doch in Wirklichkeit das Kreuz ist.” (Flannery O'Connor).
Statt “Religion/Glaube” könnte dort auch “Schreiben/Literatur” stehen.
(Text von 2024)
Verfasserin: Luise F. Pusch
"Flannery O'Connor" von Susanne Gretter (1994)
Zitate
Her book of essays, Mystery and Manners, which is primarily concerned with the moral imperatives of the serious writer of fiction, is the best of its kind I have ever read. (Alice Walker, In Seach of Our Mothers' Gardens)
Krankheit ist ein Ort, der viel aufschlussreicher ist als eine lange Reise nach Europa, ein Ort, an dem man allein ist, wo einen niemand begleitet. Krankheit, bevor man stirbt, ist etwas völlig Angemessenes, und wer davon nicht betroffen ist, verpasst, glaube ich, eine Gnade Gottes.
Flannery O’Connor
All human nature vigorously resists grace because grace changes us and the change is painful.
Flannery O’Connor
What people don’t realize is how much religion costs. They think faith is a big electric blanket, when of course it is the cross.
Flannery O’Connor
Literatur & Quellen
Dictionary of Literary Biography. 1978ff. Detroit. Gale Research Company.
Fickett, Harold & Douglas R. Gilbert. 1986. Flannery O'Connor: Images of Grace. Grand Rapids, MI. William B. Eerdmans.
Friedman, Melvin J., & Beverly L. Clark. 1985. Critical Essays on Flannery O'Connor. Boston, MA. Hall.
Gilbert, Sandra M. & Susan Gubar. Hg. 1985. The Norton Anthology of Literature by Women: The Tradition in English. New York; London. Norton & Company.
Notable American Women: The Modern Period. 1980. Hg. Barbara Sicherman, Carol Hurd Green, Irene Kantrov & Harriet Walker. Cambridge, MA; London. The Belknap Press of Harvard UP.
O'Connor, Flannery. 1979. The Habit of Being: Letters of Flannery O'Connor. Hg. Sally Fitzgerald. New York. Farrar, Straus & Giroux.
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