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(Geburtsname: Eva Maria Charlotte Michelle Wiesner)
geboren am 25. Januar 1925 in Wien, Österreich
gestorben am 20. Oktober 2010 in Newcastle upon Tyne, Großbritannien
österreichisch-britische Schriftstellerin und Kinderbuchautorin
100. Geburtstag am 25. Januar 2025
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Ihre Mutter, die Schriftstellerin Anna Gmeyner, war ihr großes, bewundertes Vorbild. Stark beeinflusst wurde Eva Ibbotson vor allem durch die Geschichten, die sie ihr erzählt hat. Sie selber begann erst zu schreiben, als sie bereits Kinder hatte.
Geboren wurde sie 1925 als Eva Wiesner in Wien. Ihr Vater war der Biologe Berthold P. Wiesner. Beide Eltern waren jüdisch, aber wie sie in einem Interview mit dem Guardian sagte, “wir waren die Art Juden, die Hitler erfand, diejenigen, die nie in einer Synagoge gewesen waren”. Zu dieser Zeit wusste sie nicht, dass sie Jüdin war: „Meine Großmutter war Christin und ging zur Kirche, mein Großvater war ein sehr nörgliger Atheist, meine Mutter sprach nie über Religion, meine Tante war Anthroposophin. Ich kann mich nicht daran erinnern, das Wort »jüdisch« in Wien gehört zu haben.“ (Interview DLF)
Ihr Vater erhielt 1926 eine Forschungsstelle an der University of Edinburgh, wohin ihm Anna Gmeyner mit der gemeinsamen Tochter folgte. Die Eltern trennten sich ein Jahr später und ließen sich 1928 scheiden. Als Kind lebte Eva Wiesner teilweise bei den Großeltern in Wien, teilweise dort in einer Art Kinderheim und vor allem in Zügen quer durch Europa zwischen den Eltern. Wie sie 2006 in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte, hatte sie keine Familie: „Es gab meine Mutter, es gab meinen Vater, und sie waren wunderbare Menschen, aber getrennt, und ich kann mich nicht daran erinnern, sie als Paar erlebt zu haben.“ (Interview DLF)
1933 kam sie zu ihrem Vater nach Edinburgh, wo sie von einer Gouvernante erzogen wurde und schnell Englisch lernte. Ein Jahr später zog ihre Mutter mit ihrem neuen Partner ebenfalls nach Großbritannien – und die Tochter pendelte weiterhin zwischen den beiden. Wie sie sich erinnerte: „Ich glaube, das ist auch ein Thema in meinem Büchern, dieses Hin und Her, dieses vor und zurück. Immer auf halber Strecke wurde ich eine andere Person. Mit dem Vater wollte ich rationaler sein, aber auch lustig und witzig, mit der Mutter gefühlvoller … mit viel Seele.“ (Interview DLF)
Für sie war es jedoch keine unbedingt bedauerliche Situation, denn wie sie sagte, machte sie eine Menge interessanter Erfahrungen und sah diese nicht nur als ihre persönlichen an: „Und es war ja nicht nur meine Familie, die auseinandergefallen war, es war ganz Europa. Europa war einfach zersplittert, und ich war ein Teil davon.“ (Interview DLF)
Letztendlich wurde sie auf das progressive Internat Dartington Hall in Devon geschickt. Es war eine Schule mit Kindern ganz unterschiedlicher Nationalitäten, die LehrerInnen „wurden mit Vornamen angesprochen, man konnte nackt schwimmen, es war ein ganz schöner Gegensatz zu dem Kloster in Wien. Es war ein wichtiger Ort für mich.“ (Interview DLF)
Anschließend studierte sie in Nachfolge ihres Vaters Physiologie in London, aber sie hasste die Tierversuche, die sie machen musste. Daher wechselte sie anschließend zu Erziehungswissenschaften und arbeitete als Lehrerin. Während ihres Studiums in Cambridge traf sie den Ökologen Alan Ibbotson, den sie 1947 heiratete und mit dem sie drei Söhne und eine Tochter hatte. Erst jetzt hatte sie das Gefühl, eine Familie zu haben. Sie zogen erst nach Bristol, später nach Newcastle, wo Eva Ibbotson bis zu ihrem Tod lebte.
Erst als ihre ersten Kinder auf der Welt waren, begann Eva Ibbotson zu schreiben. Zunächst Kurzgeschichten für Frauenmagazine, weil sie dies gut neben dem Haushalt bewältigen konnte, sowie ein Fernsehdrama.
Ihr erstes Buch erschien 1975 unter dem Titel The Great Ghost Rescue (deutsche Titel: Rick und seine Spukgesellen (1977), Aktion Geisterrettung (1996) und Das Geheimnis der Geister von Craggyford (2007)). Auch wenn sie hier bereits eine Gespenstergeschichte vorlegte, der noch zahlreiche weitere mit Geistern und Hexen folgen sollten – obwohl sie Magisches nicht mochte –, schrieb sie danach sowohl weiterhin für Kinder als auch für Erwachsene. Wichtig war ihr, dass die Geschichten immer glücklich endeten, auch wenn sie oft von Benachteiligten handelten – vielleicht gerade deswegen.
Auch wenn sie vieles erfand und ihre Bücher ausgesprochen humorvoll sind, so sind sie dennoch von ihrem persönlichen Hintergrund geprägt: Österreich, Wien und der Nationalsozialismus sind immer wieder Themen, wie auch Musik, und das Internat Delderton Hall hat deutliche Übereinstimmungen mit Dartington Hall, der Schule, die Eva Ibbotson besuchte.
Ihr erster Roman für Erwachsene erschien 1981, als sie bereits 56 Jahre alt war: A Countess Below Stairs (deutscher Titel: Sommerglanz), dem weitere folgten. Etwas erstaunt war die Autorin, dass diese auf Dauer als Young-Adult-Titel vermarktet und (auch) von Jugendlichen gelesen wurden.
Zwei ihrer Hauptpersonen bezeichnete Eva Ibbotson laut Deborah Vietor-Engländer als autobiografisch. Das ist zum einen Sidi aus Der Modesalon des Glücks und zum anderen Sophie in Das Lied eines Sommers.
Nach dem Tod ihres Ehemanns 1998 war ihr verständlicherweise nicht nach Humorvollem zumute, und so entstand ihr Roman Journey to the River Sea (deutsch: Maia oder als Miss Minton ihr Korsett in den Amazonas warf), den sie ihm widmete, da er den Dschungel und die Natur liebte.
Eva Ibbotson war sich bewusst darüber, dass sie die Erfinderin des Durchgangs auf dem Bahnhof Kings Cross Station war, von dem in ähnlicher Weise auch J. K. Rowling in ihrer Harry Potter-Serie erzählt, was ihr egal war. Die Kinder gelangten durch ihn in eine jeweils völlig andere Welt. Sie sah darin keinen Grund, ihrer Kollegin dies vorzuwerfen, im Gegenteil: „„J.K. Rowling hat das auf ihre Art verarbeitet, und ich benutze die Dinge auf andere Weise. (…) Sie hat so viel dafür getan, das Ansehen der Kinderliteratur zu erhöhen, den finanziellen Status zu heben, so dass jeder ihr dankbar sein könnte. Aber ich habe definitiv die Idee mit dem Bahnsteig zuerst gehabt, und das würde sie genauso sagen.“ (Interview DLF)
Erst nach Ibbotsons Tod (2010), ab etwa 2012, wurde bekannt, dass Eva Ibbotson unzählige „Geschwister“ hatte. Ihr Vater Bertold Wiesner war einer der ersten, die künstliche Befruchtung bei Frauen anwandten. Mit seiner zweiten Ehefrau, der Geburtshelferin Mary Barton, führte er eine private Fruchtbarkeitsklinik für verheiratete Frauen mit unfruchtbaren Männern in London. Die Samenspenden sollten an sich anonym sein. Nun wurde aber bekannt, dass die Klinik in der Zeit von ca. 1945 bis Mitte der 1960er Jahre etwa 1.500 Frauen anonym mit Wiesners Sperma befruchtete. Die aktuelle Schätzung beläuft sich auf ungefähr 600 Kinder, die daraus entstanden sind.
(Text von 2025)
Auszeichnungen
1983: Best Romantic Novel of the Year published in England der Romantic Novelists Association für Magic Flutes
1994: The Secret of Platform 13
2001: Nestle Smaties Book Prize für Journey to the River Sea
2004: The Star of Kazan
sowie zahlreiche Titel auf shortlists.
Verfasserin: Doris Hermanns
Zitate
Meine Generation war verbannt, physisch verbannt, fern der Heimat. Wenn du mit acht Jahren die Muttersprache verlierst, dann hast du natürlich etwas sehr Wichtiges verloren. Manchmal werde ich zerfressen von Heimweh, aber Heimweh wohin?, Heimweh nach Heimat… Ich weiß es nicht.
Ich möchte nicht in der Garnisongasse Nummer 4 in Wien leben. Ich weiß nicht, wo ich leben möchte, aber Heimat ist eine starke Metapher.
Ich glaube, dass der Verlust von Heimat, von Muttersprache, von musikalischer Kultur immer präsent ist. Er ist immer allgegenwärtig und es wird auch noch schlimmer, wenn man älter wird.
In: Interview mit Ute Wegmann: „Ich brauche ein glückliches Ende.“
Literatur & Quellen
Literatur über Eva Ibbotson:
Eccleshare, Julia: Eva Ibbotson obituary. Children’s author who managed to make the magical tanible. The Guardian 24. Oktober 2010
Hermanns, Doris: „Und alles ist hier fremd.“ Deutschsprachige Schriftstellerinnen im britischen Exil. Berlin, AvivA, 2022
Seeber, Ursula in Zusammenarbeit mit Alisa Douer, Edith Blaschitz (Hg.): Kleine Verbündete. Vertriebene österreichische Kinder- und Jugendliteratur. Little Allies. Austrian Children’s and Juvenile Literature in Exile. Wien, Picus, 1998
Vietor-Engländer, Deborah: Imagining Austria: Kohlröserl, Alpenglühen und Patisserie – the Vision of the Exiled Children. In: Charmian Brinson, Richard Dove and Jennifer Taylor (ed.): “Immortal Austria”? Austrians In Exile in Britain. The Yearbook of the Research Centre for German and Austrian Exile Studies, Vol. 8. Amsterdam, Rodopi, 2006, S. 165-177
Wegmann, Ute: „Ich brauche ein glückliches Ende.“ Interview mit Eva Ibbotson im Deutschlandfunk. 11. Februar 2006
Zu Bertold Wieser: Christine Kensche: Ein Vater und 600 Kinder – Brüder suchen „Bio-Dad“. In: Welt vom 10.4.2012
Eva Ibbotson in der Deutschen National Bibliothek
Werke von Eva Ibbotson
Kinderbücher
In den Sternen stand es geschrieben. (The Stars That Tried) Zürich, Die Arche, 1971. Übersetzung: Ursula von Wiese
Rick und seine Spukgesellen. (The Great Ghost Resuce) Zug, Edition Bergh, 1977. Übersetzung: 1977. Neuausgabe unter dem Titel Aktion Geisterrettung. München, Erika Klopp, 1996. Übersetzung: Regine Adolphson. Neuausgabe unter dem Titel Das Geheimnis der Geister von Craggyford. München, dtv, 2007. Übersetzung: Sabine Ludwig
Wenn Hexen hexen. (Which witch?) Unterägeri (Zug), Edition Bergh in der Europabuch-AG, 1980. Übersetzung: Ursula von Wiese. Illustrationen: Annabel Large. Neuauflage unter dem Titel Das Geheimnis der siebten Hexe. Hamburg, Dressler, 2002. Übersetzung: Sabine Ludwig. Neuauflage: München, dtv, 2004
Hecky Hexe. (Not Just a Witch) Berlin, Erika Klopp, 1992. Übersetzung: Regine Adolphsen. Neuauflage: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch, 1995. Neuauflage unter dem Titel Das Geheimnis der Hexen von Wellbridge. Hamburg, Dressler, 2007. Übersetzung: Sabine Ludwig.
Ein Spukschloß wandert aus. (The Haunting of Hiram – auch: The Haunting of Hiram C. Hopgood) München, Erika Klopp, 1994. Übersetzung: Regine Adolphsen. Neuauflage: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch, 1997. Neuauflage unter dem Titel Das Geheimnis des wandernden Schlosses. Hamburg, Dressler, 2005. Übersetzung: Sabine Ludwig. Neuauflage: München, dtv, 2008
Das Geheimnis von Bahnsteig 13. Hamburg, Dressler, 2000. Übersetzung: Sabine Ludwig. Neuauflage: Rheda-Wiedenbrück, RM-Buch-und-Medien-Vertrieb, 2001. Neuauflage: München, dtv, 2002
Das Geheimnis der verborgenen Insel. (Monster Mission) Hamburg, Dressler, 2001. Übersetzung: Sabine Ludwig. Neuauflage: München, dtv, 2003
Maia oder Als Miss Minton ihr Korsett in den Amazonas warf. (Journey to the River Sea) Hamburg, Dressler, 2003. Übersetzung: Sabine Ludwig. Neuauflage: München, dtv, 2006
Annika und der Stern von Kazan. (The Star of Kazan) Hamburg, Dressler, 2006. Übersetzung: Sabine Ludwig. Neuauflagen: München, dtv, 2009 und Zürich, Atlantis, 2005
Das Geheimnis der schottischen Füße. (The Beasts of Clawstone Castle) Hamburg, Dressler, 2008. Übersetzung: Sabine Ludwig.
Der Libellensee oder wie man einen Prinzen rettet. (The Dragonfly Pool) Hamburg, Dressler, 2010. Übersetzung: Peter Knecht. Neuauflage: Hamburg, Oetinger-Taschenbuch, 2012
Das Ungeheuer, das nicht Mami sagen konnte und andere Geschichten. (The Worm and the Toffee-Nosed Princess and Other Stories of Monsters) Hamburg, Dressler, 2010. Übersetzung: Sabine Ludwig.
Das Geheimnis der sprechenden Tiere. (The Ogre of Oglefort) Hamburg, Dressler, 2011. Übersetzung: Sabine Ludwig.
Fünf Hunde im Gepäck. (One Dog and His Boy) Hamburg, Dressler, 2012. Übersetzung: Sabine Ludwig. Neuauflage: München, dtv, 2012
5 Yetis suchen ein Zuhause. (The Abominables) München, dtv, 2010. Übersetzung: Peter Knecht. Neuauflage: Rheda-Wiedenbrück, RM-Buch-und-Medien-Vertrieg, 2013.
(mit Sibéal Pounder) Bahnsteig 13 öffnet sich wieder. (Beyond Platform 13) München, dtv, 2022. Übersetzung: Katja Frixe
Romane
Der Weihnachtskarpfen. (The Great Carp Ferdinand) Zürich, Die Arche, 1967. Übersetzung: Ursula von Wiese, Illustrationen: Robert Wyss
Am Weihnachtsabend. (A Child This Day is Born) Zürich, Die Arche, 1968. Übersetzung: Ursula von Wiese, Illustrationen: Robert Wyss. Neuauflage: Zürich, Th. Gut, 2017
Die Morgengabe. (The Morning Gift) Bern, Scherz, 1994. Übersetzung: Mechthild Sandberg. Neuauflage: Wien, Buchgemeinschaft Donauland Kremayr und Schwerlau/Rheda-Wiedenbrück, Bertelsmann-Club, o. J. Neuauflage: München, Goldmann, 1996. Neuauflage: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch, 2006. Neuauflage: Augsburg, Weltbild, 2010. Neuauflage unter dem Titel Was der Morgen bringt. Zürich, Kampa, 2024. Übersetzung: Mechthild Sandberg-Ciletti
Die Vertraute. (Madensky Square) Bern, Scherz, 1995. Übersetzung: Liselotte Julius. Neuauflage: Rheda-Wiedenbrück, Bertelsmann-Club/Wien, Buchgemeinschaft Donauland Kremayr und Schwerlau, o. J. Neuauflage: München, Goldmann, 1997. Neuauflage: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch, 2007. Neuauflage unter dem Titel Der Modesalon des Glücks. Zürich, Kampa, 2024
Sommerglanz. (A Countess Below Stairs) Bern, Scherz, 1996. Übersetzung: Ursula Ibler. Neuauflage: München, Goldmann, 1998. Neuauflage: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch, 2007
Ein Hauch von Jasmin. (A Company of Swans) Bern, Scherz, 1997. Übersetzung: Michaela Link. Neuauflage: München, Goldmann, 1999. Neuauflage: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch, 2008. Neuauflage: Augsburg, Weltbild, 2010
Das Lied eines Sommers. (A Song for Summer) Bern, Scherz, 1998. Übersetzung: Monika Curths. Neuauflage: München, Goldmann, 1999. Neuauflage: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch, 2008. Neuauflage: Augsburg, Weltbild, 2010
Sternenmelodie. (Magic Flutes) Bern, Scherz, 1999. Übersetzung: Monika Curths. Neuauflage: München, Goldmann, 2000. Neuauflage: München, Blanvalet, 2007. Neuauflage: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch, 2009
Vicky und der Weihnachtsengel. Liebesgeschichten. (A Glove Shop in Vienna and Other Stories) Bern, Scherz, 1998. Übersetzung: Monika Curths. Neuauflage: Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch, 2008. Neuauflage unter dem Titel Die kleine Komtess. Liebesgeschichten. München, Goldmann, 2001
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