Biographien Ernestine Christine Reiske
geboren am 2. April 1735 in Kemberg
gestorben am 27. Juli 1798 in Kemberg
deutsche Gelehrte
225. Todestag am 27. Juli 2023
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Ende des 18. Jahrhunderts rühmten Gelehrte im aufgeklärten Deutschland die heute fast vergessene Ernestine Reiske wegen ihrer umfassenden Kenntnis der griechischen Sprache und Literatur. Zu ihren Bewunderern gehörte auch Lessing, in den sie zeitweilig verliebt war. Selbständig gab Reiske 1775 eine Rede von Libanios, einem griechischen Rhetor des 4. Jahrhunderts u.Z., heraus. Ihrem Mann, dem damals berühmten Orientalisten Johann Jacob Reiske (1716-1774), half sie auch bei der Herausgabe seiner großen Sammlung griechischer Redner.
Aufgewachsen als Tochter des Superintendenten zu Kemberg (nahe Halle, Saale) lernte sie vom Vater und dem älteren Bruder “die Wissenschaften lieben”. Als Kind las Ernestine nicht nur über Religion und Moral, sondern auch Homer, Lukian und wohl noch andere klassische Autoren in deutscher Übersetzung. Heiraten wollte die selbstbewusste junge Frau nur unter der Bedingung, dass sie ihre verwitwete Mutter versorgen und ihren Ehemann wirklich lieben könnte. Manche besseren Heiratsanträge schlug sie bis 1764 aus; dann musste sie - auch aus finanziellen Gründen - sich verehelichen. Mit Johann Jacob Reiske, so meinte sie wohl, würde sie sich den Wissenschaften am ehesten widmen können.
Um ihrem Mann bei seiner Arbeit helfen zu können, lernte Ernestine Reiske schnell Griechisch. Bis zu seinem Tod arbeitete sie Seite an Seite mit ihm. Danach, als ihr Wunsch einer engeren Bindung mit Lessing nicht in Erfüllung ging, tat sie sich mit einem viel jüngeren “Pflegesohn” zusammen. Mit ihm pachtete sie ein Landgut in der Nähe von Braunschweig und erlernte die Landwirtschaft. Auch damit hatte sie viel Erfolg. Zum ersten Mal konnte sie ohne finanzielle Sorgen leben. Aus dieser Zeit stammen ihre eigenständigen Arbeiten und ihre Beiträge zu Karl Philipp Moritzens “Zeitschrift für Seelenkunde”, Gnothi Seauton (‘Erkenne dich selbst’).
Nachdem ihr “Pflegesohn” geheiratet hatte, zog sie 1794 nach Kemberg zurück, wo sie sich ein Haus mit Land kaufte, um weiter zu wirtschaften.
Da sie lange nichts mehr veröffentlicht hatte, wurde ihr Tod im Jahre 1798 von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen - vielleicht auch, weil ihr Ideal einer weiblichen Gelehrsamkeit, die sich von der männlichen nicht unterscheiden sollte, einem neuen Ideal gewichen war, wonach Mann und Frau, als gegensätzlich aufgefasst, einander “ergänzen” sollten.
(Text von 1997)
Verfasserin: Katherine R. Goodman
Zitate
Man findet noch jetzt, zur Schande dieser aufgeklärten Zeiten, Leute, die so ungerecht sind, alle Frauenzimmer, ohne Ausnahme, in die Küche zu verweisen. Die ganze Hälfte des menschlichen Geschlechts soll nicht thun, als kochen! Diese Leute haben ohne Zweifel immer einen guten Appetit. Allein, so wenig das ganze männliche Geschlecht einerley Beruf haben, einerley Handthierung treiben kann, eben so wenig ist es auch bey dem weiblichen Geschlechte möglich. Wenn man es zugesteht, daß wir Seelen haben, so muß man es uns auch vergönnen, sie zu bilden.
(Ernestine Reiske)
Literatur & Quellen
Bennholdt-Thomsen, Anke & Alfredo Guzzoni. 1992. Gelehrsamkeit und Leidenschaft: Das Leben der Ernestine Christine Reiske. München. Beck.
Bennholdt-Thomsen, Anke & Alfredo Guzzoni. Hg. 1992. Ernestine Christine Reiske. Ausgewählte Briefe. St. Ingbert. Werner J. Röhrig.
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