Biographien Erika von Brockdorff
(Erika Gräfin von Brockdorff geb. Schönfeldt)
geboren am 29. April 1911 in Kolberg/Pommern
hingerichtet 13. Mai 1943 in Berlin (Plötzensee)
deutsche Widerstandskämpferin
80. Todestag am 13. Mai 2023
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
»Lachend will ich mein Leben beschließen, so wie ich das Leben lachend am meisten liebte und noch liebe« schreibt Erika Gräfin von Brockdorff am 13. Mai 1943 in ihrem Abschiedsbrief. Und ging zur Empörung der Vollstrecker tatsächlich lachend zum Schafott an jenem Maiabend, an dem in Berlin-Plötzensee innerhalb von 36 Minuten 13 Menschen hingerichtet wurden: sie als letzte um 19.36 Uhr.
Schon bei den Verhandlungen vor dem Reichskriegsgericht provozierte sie die Justiz durch Zwischenrufe und Gelächter und ließ sich durch den Ernst ihrer Lage nicht entmutigen: immerhin droht den Angeklagten die Todesstrafe. Sie gehören zu der größten Widerstandsbewegung im Dritten Reich, der sogenannten »Roten Kapelle«, die unter der Führung von Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack unterschiedliche Kreise des Widerstands vereinte – mit einem ungewöhnlich hohen Anteil an Mitstreiterinnen. In dem ersten großen Prozess nach der Verhaftungswelle vom Herbst 1942 sitzt Brockdorff zusammen mit den Ehepaaren Schulze-Boysen, Harnack, Schumacher und anderen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, vertreten durch konforme Pflichtverteidiger, auf der Anklagebank.
Wenn man bedenkt, daß Hitler persönlich auf eine rasche, unbarmherzige Abstrafung der WiderständlerInnen drängte, erstaunt das »milde« Urteil von zehn Jahren Zuchthaus für Brockdorff und sechs Jahren für Mildred Harnack – ein Urteil, das Hitler noch am selben Tag verwirft und das in einem zweiten Verfahren im Januar 1943 wunschgemäß in Todesstrafen umgewandelt wird.
Ihre FreundInnen schildern Brockdorff als fröhliche, lebenslustige, sorglos-optimistische junge Frau mit hellem Verstand. Geboren und aufgewachsen in Kolberg an der pommerschen Ostseeküste als (noch uneheliche) älteste Tochter eines Postbeamten, besuchte sie nach der mittleren Reife eine Haushaltsschule in Magdeburg. Ab 1929 lebt sie in Berlin, zuerst als Hausangestellte, später als Vorführdame und nach einer Zusatzausbildung zur Stenotypistin als Büroangestellte. 1937, kurz nach ihrer Heirat mit dem Bildhauer Cay von Brockdorff, wird ihre Tochter Saskia geboren. Dem Nationalsozialismus gegenüber kritisch eingestellt, trifft sich das Ehepaar mit gleichgesinnten FreundInnen, darunter Wilhelm Schürmann-Horster, später auch Hans Coppi. Während des Krieges, Brockdorffs Mann ist eingezogen, verstärkt sich ihr Kontakt zu dem Widerstandskreis um Coppi, dem sie ab Ende 1941 für seine Funkversuche nach Moskau ihre Atelierwohnung zur Verfügung stellt; zeitweise beherbergt sie eines der drei Funkgeräte.
Nach ihrer Verhaftung scheint sie sich nicht unterkriegen zu lassen, wird wegen »widerspenstiger Antworten« bei den Verhören geschlagen. Nach monatelanger Einzelhaft im Polizeigefängnis am Alexanderplatz verbringt sie ihre letzten Wochen im Frauengefängnis Charlottenburg in einer Zelle zusammen mit Elfriede Paul, die sich erinnert, dass das Warten auf den Tod zuletzt auch die »tapfere, lustige« Brockdorff zermürbte.
Von ihrem Mann, der an der Ostfront verhaftet und wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, konnte sich Brockdorff wohl noch verabschieden. »… Eben habe ich mir von Dir das Versprechen geben lassen, daß Du nicht lange traurig sein wirst, denn Du würdest mir die Ruhe rauben, die ich doch brauche, wenn ich durch das dunkle Tor gehe. … Mein Leben … hat durch Dich erst Sinn und Inhalt bekommen. Das bewährt sich jetzt. Ich bin gefaßt und sehr ruhig. Es tröstet mich die Einsicht in die Notwendigkeit. Deine Erika« (aus dem Abschiedsbrief).
Verfasserin: Adriane von Hoop
Links
Gedenkstaette Deutscher Widerstand: Thema »Die Rote Kapelle«.
Online verfügbar unter https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/themen/14-die-rote-kapelle/..
Höhne, Heinz; Perrault, Gilles (1968): -.- ptx ruft moskau.—. Die Geschichte des Spionageringes »Rote Kapelle«. Zehnteilige Serie in: Der Spiegel (Mai bis Juli 1968).
Online verfügbar unter https://www.spiegel.de/suche/?suchbegriff=ptx+ruft+moskau
Links geprüft am 25. April 2023 (AN)
Literatur & Quellen
Quellen
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Coppi, Hans, Danyel, Jürgen und Tuchel, Johannes (Hg.) (1994): Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Berlin. Edition Hentrich. (Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand / A, 1) ISBN 3-89468-110-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Griebel, Regina (1992): Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten Kapelle ; Eine Foto-Dokumentation. Halle. audioscop. ISBN 3883840440. (WorldCat-Suche)
Höhne, Heinz (1970): Kennwort: Direktor. Die Geschichte der Roten Kapelle. Ungekürzte Ausg. Frankfurt am Main. Fischer-Taschenbuch-Verlag. 1972. (1329) ISBN 3-436-01602-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Paul, Elfriede (1981): Ein Sprechzimmer der Roten Kapelle. Der Lebensbericht einer Ärztin. 3. Aufl. Berlin. Militärverlag der DDR. 1987. ISBN 3-327-00421-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Trepper, Leopold (1975): Die Wahrheit. Autobiographie des »Grand Chef« der Roten Kapelle. (=Le grand jeu) Freiburg (Breisgau). Ahriman-Verlag. 1995. (Reihe: Unerwünschte Bücher zum Faschismus, 9) ISBN 3-89484-554-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Weiterführende Literatur
Flicke, Wilhelm F. (1990): Rote Kapelle. Spionage und Widerstand ; Die Geschichte der größten Spionage- und Sabotageorganisation im II. Weltkrieg. Augsburg. Weltbild. ISBN 3-89350-076-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Kuckhoff, Greta (1972): Vom Rosenkranz zur Roten Kapelle. Ein Lebensbericht. 7. Aufl. Berlin. Neues Leben. 1986. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Madelung, Eva; Scholtyseck, Joachim (2007): Heldenkinder, Verräterkinder. Wenn die Eltern im Widerstand waren. Enthält ein Interview mit Saskia von Brockdorff (Erikas Tochter). München. Beck. ISBN 978-3-406-56319-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Nelson, Anne (2010): Die Rote Kapelle. Die Geschichte der legendären Widerstandsgruppe. 1. Aufl… München. Bertelsmann. ISBN 3-570-10021-9. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Perrault, Gilles (1990): Auf den Spuren der Roten Kapelle. (=L'orchestre rouge // L' orchestre rouge
Roewer, Helmut (2010): Die Rote Kapelle und andere Geheimdienstmythen. Spionage zwischen Deutschland und Russland im Zweiten Weltkrieg 1941-1945. Graz. Ares. ISBN 978-3-902475-85-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Roloff, Stefan; Vigl, Mario (2004): Die Rote Kapelle. Die Widerstandsgruppe im Dritten Reich und die Geschichte Helmut Roloffs. 1. Aufl. München. Ullstein. (Ullstein, 36669) ISBN 3-548-36669-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Rosiejka, Gert (1986): Die Rote Kapelle. »Landesverrat« als antifaschistischer Widerstand. 1. Aufl. Hamburg. Ergebnisse-Verl. (Ergebnisse, 33) ISBN 3-925622-16-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Sudholt, Gert (1978): Das Geheimnis der Roten Kapelle. Das US-Dokument 0/7708 ; Verrat und Verräter gegen Deutschland. Leoni am Starnberger See. Druffel. (Deutsche Argumente, 4) ISBN 3-8061-0901-X. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Tuchel, Johannes (Hg.) (2005): Der vergessene Widerstand. Zu Realgeschichte und Wahrnehmung des Kampfes gegen die NS-Diktatur. Dachauer Symposium zur Zeitgeschichte Göttingen. Wallstein. (Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte, 5) ISBN 978-3-89244-943-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
Panoramio/herminpfad
Academic
Wikipedia
Gedenkstaette
Deutscher Widerstand
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