(Johanna Theodolinde Erika Petri [Geburtsname]; Dr. Erika Fuchs)
geboren am 7. Dezember 1906 in Rostock
gestorben am 22. April 2005 in München
deutsche Comic-Übersetzerin
115. Geburtstag am 7. Dezember 2021
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Erika Fuchs, die erste und lange Zeit einzige Übersetzerin von Disney-Comics ins Deutsche, wird für ihre kongenialen, witzig-subtilen Sprachschöpfungen weit über die Comic-Szene hinaus verehrt. Elfriede Jelinek wünschte ihr den Büchnerpreis und Elke Heidenreich war sie »eine mächtige, sprachgewaltige Lehrerin, die mir auch beibrachte, die Absurditäten des Lebens früh zu verstehen«.
Ihre Karriere als Übersetzerin begann 1951. Da fuhr die 44jährige promovierte Kunsthistorikerin und Mutter zweier halbwüchsiger Söhne aus Schwarzenbach an der Saale nach Stuttgart, um bei Readers Digest Übersetzungsaufträge zu aquirieren. Sie träumte davon, anspruchsvolle englische Literatur zu übersetzen, stattdessen legte man ihr einen Stapel Mickey Mouse-Hefte vor. Als Tochter aus großbürgerlichem Hause war sie überzeugt, »dass so etwas in Deutschland überhaupt nicht geht.«
Dennoch nahm sie den gutbezahlten Job an und wurde Chefredakteurin des neugegründeten Ehapa-Verlags. Bei der Auswahl der Geschichten achtete sie darauf, dass sie »keine Grausamkeiten und sexuellen Anspielungen« enthielten, dafür aber einen »möglichst reichen Wortschatz, weil Kinder fragen können und lernen sollen.« Sie ließ sich von den Zeichnungen des legendären Donald Duck-Erfinders Carl Barks inspirieren und entwickelte mit Phantasie und Sprachmacht weit entfernt vom »Duckburgh-Slang« eine einzigartige Entenhausener Redekunst, die reich an Wortspielen und Zitaten, Reimen, Alliterationen, Lautmalereien und »Erikativen« (grübel, grübel) ist. Durch sprachliche Typisierung wurden die Disney-Figuren zu unvergesslichen Charakteren: Dagobert, erklärte Fuchs, »weiß den Konjunktiv korrekt zu setzen und schwelgt in Zitaten, wie alte Herren es zu tun pflegen.« Dagegen hebt Donald »sein lädiertes Selbstgefühl bisweilen durch hochgestochene Redeweise oder poetische Redewendungen.« Während die Neffen Tick, Trick und Track im »flotten Unterhaltungsstil« sprechen. Sie erfand Namen wie Gundel Gaukeley, die Panzerknacker oder Daniel Düsentrieb, dessen Ausspruch »dem Ingeniör ist nichts zu schwör« längst Kult ist.
Bis 1972 übersetzte Erika Fuchs alles Disney-Material, und prägte damit das Sprach- und Lebensgefühl der Nachkriegsjugend und 68er-Generation. Mit Ironie und Sprachwitz bürstete sie bildungsbürgerliches Sprachgut gegen den Strich, karikierte Klassiker-Zitate ebenso wie nationalsozialistische Sprachrelikte. Kritiker der in der Adenauer-Zeit als »Schund- und Schmutzliteratur« verpönten Comics ließ sie ungerührt auflaufen und behauptete: »Man kann gar nicht gebildet genug sein, um Comics zu übersetzen«. Sie hat es bewiesen und unaufhörlich an der Bearbeitung ihrer Übersetzungen getüftelt, bis eine Augenschwäche der 88-Jährigen die Arbeit unmöglich machte. Erika Fuchs ist 98 Jahre alt geworden, ihr Entenhausener Sprachstil hat die Kinderzimmer verlassen und Feuilleton und Internet erobert.
Verfasserin: Kerstin Reimers
Zitate
Aus Fuchs' Übersetzungen:
Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr. (Tick, Trick und Track)
Dem Ingeniör ist nichts zu schwör. (Daniel Düsentrieb)
Leichtfertig ist die Jugend mit dem Wort und bar jeden Sinnes für geschäftliche Dinge! (Dagobert Duck)
Saatkartoffeln haben Augen, sind wie Deine anzuschaugen. (Tick Trick und Track)
Wo man raucht, da kannst du ruhig harren, Menschenfresser haben keine Zigarren. (Donald Duck)
Schluß mit Tonnen und mit Ästen! Selbstgepfuschtes hält am besten! (Daniel Düsentrieb)
Die Ruhe ist dem Weisen heilig! Nur Verrückte haben's eilig! (Tick, Trick und Track)
Das beste Werkzeug ist ein Tand in eines tumben Toren Hand! (Konfuzius Peng)
Hier zwei Völtchen, dort zehn Öhmchen, gibt schon wieder ein Schwingungsströmchen! (Daniel Düsentrieb)
Es ist die alte Leier, zerbrechlich sind die Eier. (Panzerknacker AG)
Schneebälle gibt es allemal, wenn pappen tut das Material! (Donald Duck)
Aus dem Nachruf des Egmont Ehapa Verlags:
Bei aller Sprachbildung wirken die Texte von Dr. Erika Fuchs nie steif. Klassiker sind für sie keine toten Sprachfossilien, sondern immer lebendiger Bestandteil ihrer Welt. Doch nicht nur klassisches Sprachgut arbeitete Dr. Fuchs in ihre Texte ein, sie dichtete die Klassiker um und sorgte für so manchen Reim, der als geflügeltes Wort in die Alltagssprache einging. Umgekehrt integrierte sie auch immer wieder die Umgangssprache der Jugend in ihre Texte. Sie war immer eine aufmerksame Zuhörerin und Beobachterin und griff passende Neologismen der Jugendsprache auf, um ihnen die höheren Weihen der Duckschen Sprachebene zu verleihen.
Aus dem Nachruf von Christian Kessler
Was Frau Fuchs hervorbrachte, war nicht nur Spaß, war nicht nur gute Übersetzung. Es war der Sinn für sprachliche Schönheit, und daß dieser Sinn gerade aus dem übel beleumundeten Genre der Comic-Strips entstand, lehrte sicherlich nicht nur mich, daß Schönheit wahrlich im Auge des Betrachters ruht und eben nicht vom Gardemaß der Lieblingskonventionen der jeweiligen Zeit abhängig ist. Das Geheimnis liegt in der Liebe, die man dem jeweiligen Gegenstand der Passion zukommen läßt. Wenn man es ehrlich meint, wird schon etwas überdauern. Frau Dr. Fuchs ist das gelungen. Das lese ich immer wieder in den Zeilen meiner Zeitgenossen.
Sie wurde 98 Jahre alt. Das ist ein gutes Alter. Ihr Andenken wird aber ewig weiterleben in meiner Seele und allem, was ich tue. An ein ewiges Leben im biblischen Sinne glaube ich nicht, aber ich glaube daran, daß alles, was wir tun, seine Spuren hinterläßt. Wenn wir grimmig über die Straße latschen und die Leute das mitbekommen, hinterläßt das Spuren. Wenn wir Schönheit in die Umwelt entlassen, hinterläßt das Spuren. Frau Dr. Erika Fuchs kann da ganz beruhigt sein. Ihre Spuren sind an ganz vielen Orten. Und sie haben Schönheit geschaffen, wo immer sie erschienen. Ich liebe diese Frau.
Links
Dr. Erika Fuchs aus Schwarzenbach an der Saale. Seite des Erika-Fuchs-Hauses.
Online verfügbar unter http://www.erika-fuchs.de/, zuletzt geprüft am 17.04.2020.
Bahners, Patrick (1996): Berengar Bläulichs Griff zur Macht. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.12.1996, Nr. 286, S. 37 (kostenpflichtiger Archivartikel). FAZ Electronic Media GmbH.
Online verfügbar unter http://www.seiten.faz-archiv.de/faz/19961207/f19961207efuchs-100.html, zuletzt geprüft am 17.04.2020.
Duckipedia: Erika Fuchs. Ausführliche Biografie mit Bildern.
Online verfügbar unter https://www.duckipedia.de/Erika_Fuchs, zuletzt geprüft am 17.04.2020.
Fuchs, Erika (2001): Allein unter Jungen. Meine Lehrjahre – Erika Fuchs, Übersetzerin. Aufgezeichnet von Alexander Kühn.
Online verfügbar unter http://www.zeit.de/2001/31/200131_c-serie-fuchs.xml, zuletzt geprüft am 17.04.2020.
WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6mWh39f22.
Heidenreich, Elke (2005): Soviel wie die Pauker wußte Erika Fuchs schon lange! Nachruf. In: F.A.Z., 27.04.2005, Nr. 97, S. 37.
Online verfügbar unter http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/nachruf-soviel-wie-die-pauker-wusste-erika-fuchs-schon-lange-1230050.html, zuletzt geprüft am 17.04.2020.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Erika Fuchs. Veröffentlichungen.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/119361558, zuletzt geprüft am 17.04.2020.
Scheck, Dennis (1991): Ein Niemand, der allernichtigste Niemand in ganz Entenhausen. Deutschlandfunk.
Online verfügbar unter http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/164272/, zuletzt geprüft am 17.04.2020.
Literatur & Quellen
Bohn, Klaus; Fuchs, Erika (1996): Das Erika-Fuchs-Buch. Lüneburg. Dreidreizehn. ISBN 3-929746-10-7.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bryan, Peter Cullen (2021): Creation, translation, and adaptation in Donald Duck comics. The dream of three lifetimes. Basingstoke. Palgrave Macmillan. (Palgrave fan studies) ISBN 9783030736361.
(Suche in Almuts Buchhandlung | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Höpfner, Peter (2005): Entenhausener Geschichte(n), Folge 112. Dr. Erika Fuchs (1906-2005) – Das Interview. In: Die tollsten Geschichten von Donald Duck (Egmont Ehapa Berlin), Heft 218. S. 33–36.
Klüßendorf, Niklot (2009): Erika Fuchs. In: Röpcke, Andreas (Hg.): Biographisches Lexikon für Mecklenburg. Rostock. Schmidt-Römhild (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Mecklenburg – Reihe A). ISBN 978-3-7950-3746-8S. 143–145
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Bildquellen
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