( Erika Kramer [Geburtsname]; Erica Ruthenbeck [Pseudonym])
geboren am 4. Januar 1907 in Berlin
gestorben am 17. April 2007 in Frankfurt am Main
deutsche Schriftstellerin, Übersetzerin, Kulturvermittlerin, Afrikareisende und Kennerin des Lebens der Frauen in der libyschen Sahara
15. Todestag am 17. April 2022
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Als Erika Kramer geboren wurde, lebte ihr Vater nicht mehr. Bald nachdem er die Fabrikleitung von seinem Schwiegervater übernommen hatte, wurde er im Mai 1906 unter nie geklärten Umständen ermordet. Die kurländische Hafenstadt Libau (heute Liepaja in Lettland), wo die Familie lebte, gehörte damals zu Russland, so dass ein Zusammenhang mit der „kleinen“ russischen Revolution vermutet wurde. Seine schwangere Witwe zog mit ihrer Mutter nach Charlottenburg bei Berlin. Dort gebar sie ihre Tochter, die in der Obhut beider Frauen aufwuchs. Die Sommermonate verbrachte die Familie bis 1913 auf Gut Reggen im Kurland. Ericas Mutter Elisabeth war in Sankt Petersburg geboren und hatte dort die ersten zehn Jahre ihres Lebens verbracht. Sie war der Kultur des vorrevolutionären Russland verbunden und vermittelte ihrer ältesten Tochter russische Sitten und die russische Sprache. Leidenschaftlich fotografierte sie, entwickelte Fotos, pflegte künstlerischen Umgang. Anhänger des Stefan-George-Kreises kamen häufig zu Besuch. Die kleine Erika liebte Gedichte, Wortspiele und Puppen, besonders ein schwarzes Püppchen, wie es sie damals, als Deutschland noch Kolonien hatte, in vielen Kinderstuben gab. Als alte Dame erzählte sie gern, wie sie das Püppchen im Kreis geschwenkt und gesungen habe: „Eka will nach Afrika!“.
1914 heiratete Elisabeth Kramer den baltischen Baron Edgar von Düsterlohe, mit dem sie einen Sohn und eine Tochter bekam. Die Familie zog nach Eisenach, wo sie nach dem ersten Weltkrieg sehr armselig lebte, denn Erikas Stiefvater war im Krieg schwer verwundet worden und arbeitsunfähig. Nach dem Abschluss des Eisenacher Lyzeums besuchte Erika eine Handelsschule.
1927 bekam sie eine Stelle in Berlin. Dort lernte sie den Frankfurter Bankierssohn Herbert de Bary kennen. Mit ihm und seinen Eltern unternahm sie 1930 ihre erste Auslandsreise: mit einem großen Wagen und „Herrenchauffeur“ durch Frankreich und Spanien und zu einem kurzen Abstecher nach Tetuan, auf afrikanischem Boden. Nach der Hochzeit 1931 zog sie nach Frankfurt in die Villa der Familie de Bary. Erika besuchte Vorlesungen des Völkerkundlers Leo Frobenius und ein Japankolleg. 1932 gebar sie eine Tochter, 1935 einen Sohn, die sie zeitweise den Großeltern überließ, um mit ihrem Mann Nord- und Osteuropa zu bereisen.
Von 1941-44 arbeitete sie im besetzten Paris für die Pariser Zeitung. Mit ihrem Mann, der Adjutant von General Hanesse war, gab sie den Bildband „Das verschleierte Bild von Paris“ heraus. Erica, wie sie sich nun schrieb, freundete sich mit französischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern an, sie verkehrte in Künstlerkreisen und lernte afrikanische Dichter und Politiker kennen. Mit Jacques Rabemananjara aus Madagaskar und Léopold Sédar Senghor, dem späteren Präsidenten Senegals, verband sie eine enge Freundschaft.
Nach dem Krieg übersetzte sie französische und afrikanische Dichtung. Ionescos „Unterrichtsstunde“ wurde in ihrer Übersetzung in Düsseldorf uraufgeführt. Eigene kleine Werke erschienen in deutschen Verlagen: Märchen, Kindheitserinnerungen und Pariser Szenen. Den neuen Frankfurter Galerien vermittelte sie Künstlerinnen und Künstler aus Frankreich und Belgien.
1952 reiste Erica de Bary mit ihrem Mann nach Marokko und entdeckte ihre Leidenschaft für die Wüste. Danach fuhr sie fast jedes Jahr in die Sahara, zu oft wochenlangen Aufenthalten in der libyschen Oase Rhat. Dort teilte sie das Leben der Frauen, das sie in vier Büchern beschrieb. 1965 begleitete sie den Darmstädter Künstler Helmut Lander, der nach ihrer Vorlage einen Film in Rhat drehte. Sie gab das Tagebuch des Afrikaforschers Erwin von Bary heraus, der zum bayerischen Zweig der Familie gehörte, hielt Vorträge und schrieb für Zeitschriften über afrikanische Kultur und Literatur. In ihrem Haus in Frankfurt beherbergte sie viele Gäste aus Afrika, vor allem in der Zeit des Algerienkrieges und im Kontext des Unabhängigkeitskampfes der portugiesischen Kolonien. Zahlreiche Reisen führten Erica und Herbert de Bary auch in andere westafrikanische Länder und 1970, auf Einladung von Minister Jacques Rabemananjara, nach Madagaskar. Auf allen Reisen schrieb de Bary ausführliche Tagebücher, die sie nach der Rückkehr zu poetisch-essayistischen Texten verarbeitete.
Durch Heinrich Böll kam Erica de Bary in das deutsche PEN-Zentrums. Er lud die Familie 1971 in sein irisches Haus ein. Später kauften die de Barys selbst in Irland zwei kleinere Anwesen, in denen Erica nach dem Tod ihres Mannes (1981) oft wohnte.
Als Witwe fuhr sie nicht mehr nach Afrika, sondern reiste nach Russland, in die USA und nach Kanada. De Bary schrieb weiterhin Gedichte, Erinnerungen, Märchenhaftes, aber auch eine Studie über Vera Figner, eine russische Revolutionärin des neunzehnten Jahrhunderts, die wegen der Beteiligung an Attentaten auf Zar Nikolaus II. jahrzehntelang eingekerkert war.
1998 zog sie in eine Zweizimmerwohnung im GdA-Stift in der Nähe des Frankfurter Zoos, den sie gern aufsuchte. Sie unternahm mit Freundinnen weiterhin Reisen, bis die Osteoporose sie in den Rollstuhl zwang. Auch im hohen Alter war sie eine aufmerksame Gesprächspartnerin, die ihrem Besuch gern von ihren Reisen und ihren Erlebnissen bei den Tuareg erzählte. Erica de Bary starb am 17. April 2007, ein Vierteljahr nach ihrem hundertsten Geburtstag.
Verfasserin: Almut Seiler-Dietrich
Links
http://www.afrika-interpretieren.de/ – Seite der Autorin Almut Seiler-Dietrich
Literatur & Quellen
Seiler-Dietrich, Almut (2015): Erica de Bary. “Hinter dem Seidenhimmel spannt sich die flockige Nacht wie Zunder” ; eine Biographie. Angermünde. Horlemann. ISBN 9783895023873. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Werke
Bary, Erika de (1947): Chimären der dämmernden Stadt. Wiesbaden. Kesselring. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bary, Erika de (1947): Ein Kind und die Welt. Essen -Kray. v. Chamier. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bary, Erika de (1947): Grimm-Hauff, Märchenauswahl. Wiesbaden. Kesselring. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bary, Erika de (1948): Perkeo, das kleine Waldmännlein. Wiesbaden. Herta Hartmanshenn. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bary, Erica de (1961): Ghadames, Ghadames. München. Ehrenwirth. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bary, Erica de (1963): Im Oasenkreis. München. Ehrenwirth. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bary, Erica de (1966): Die Flammenbäume. Erlebtes vom Fezzan bis Kamerun. Herrenalb/Schwarzw. Erdmann. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bary, Erica de (1971): Wanderungen im Tassili. Heusenstamm. Orion-Heimreiter-Verl. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bary, Erica de (1973): Im Bauch des Sandes. Heusenstamm. Orion-Heimreiter-Verlag. ISBN 3-87588-074-9. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bary, Erwin von (1977): Sahara-Tagebuch, 1876 - 1877. Mit einem Beitrag von Heinrich Schiffers und 56 Fotos von Herbert de Bary. Herausgegeben von Erica de Bary. Heusenstamm bei Offenbach am Main. Orion-Heimreiter-Verl. ISBN 3-87588-088-9. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bary, Herbert de; Bary, Erika de (1943): Das verschleierte Bild von Paris. Wiesbaden. Kesselring. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Übersetzungen
Boudry, Robert (1960): Jean-Joseph Rabearivelo und der Tod. Hinweis auf Madagaskar. (=Jean-Joseph Rabearivelo et la mort) Übersetzt von Erica de Bary. Darmstadt. Progress-Verl. Fladung. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Ionesco, Eugène (2001): Die Unterrichtsstunde. Komisches Drama in einem Akt. (=La leçon) Übersetzt von Erica de Bary und Lore Kornell. Stuttgart. Reclam. (Universal-Bibliothek, 8608) ISBN 3-15-008608-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Ionesco, Eugène (2009): Die Unterrichtsstunde. Hörspiel. Aus dem Französischen von Erica de Bary. Regie: Reinhart Spoerri. Basel. cmv. (Das Schweizer Radio DRS-Hörbuch im Christoph Merian Verlag) ISBN 978-3-85616-421-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Matiba, Jean Ikelle (1966): Adler und Lilie in Kamerun. Lebensbericht eines Afrikaners. (=Cette Afrique-là) Aus dem Französischen von Erica de Bary. Herrenalb/Schwarzw. Erdmann. (Buchreihe Geistige Begegnung des Instituts für Auslandsbeziehungen, Stuttgart, 17) (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Rabemananjara, Jacques (1962): Insel mit Flammensilben. Zwei madagassische Gedichtreihen. Übersetzt von Erica de Bary. Herrenalb/Schwarzwald. Erdmann. (Schriftenreihe des Instituts für Auslandsbeziehungen Stuttgart. Literarisch-künstlerische Reihe, 6) (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Rabemananjara, Jacques (1985): Deine unermeßliche Legende. Gedichte. Übersetzt von Erica de Bary. 1. Aufl. Berlin. Verlag Volk und Welt. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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