geboren am 27. Februar 1812 in Plate/Lüchow
gestorben am 12. April 1865 in Hannover
deutsche Krankenpflegerin und Apothekerin; erste Oberin der Henriettenstiftung Hannover
210. Geburtstag am 27. Februar 2022
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Ende Februar 1860 begann Emmy Danckwerts von Hannover aus eine große Informationsreise, die sie bis in die Schweiz führte. Sie wollte andere Diakonissenhäuser kennen lernen. Im November des Vorjahres war sie in ihr Amt als erste Oberin der Henriettenstiftung eingeführt worden. Ein Komitee hatte sie ausgewählt, und in einem persönlichen Gespräch überzeugte sie auch Königin Marie und König Georg V. Eine glücklichere Wahl für das „erste evangelische der Krankenpflege dienende Diakonissenhaus im Königreich Hannover“ hätte kaum getroffen werden können. Henriette von Württemberg hatte ihrer Enkelin Marie, jetzt Königin von Hannover, eine große Geldsumme vermacht. Dieses Vermögen ermöglichte Gründung und Unterhaltung der am 27. Juni 1860 offiziell mit einem Festgottesdienst eingeweihten Henriettenstiftung. Das Krankenhaus wurde nach der großherzigen Spenderin benannt.
Emmy Danckwerts stammte aus einer Theologenfamilie, nicht nur ihr Vater, auch Brüder und Vettern hatten diesen Beruf gewählt. Als sie 19 Jahre alt war, starb der Vater und der elterliche Haushalt wurde aufgelöst. Emmy war auf sich allein gestellt, denn sie war unverheiratet. Wie in der damaligen Zeit üblich, fand sie Aufnahme im Hause von Verwandten, half im Haushalt und bei der Kinderbetreuung. Als sie dort überflüssig geworden war, nahm sie mit wenig Begeisterung Anstellungen als Erzieherin an und unterrichtete Kinder.
Seit 1836 bot die von Pastor Theodor Fliedner und seiner ersten Ehefrau Friederike gegründete Diakonissenanstalt in Kaiserswerth bei Düsseldorf unverheirateten Frauen die Möglichkeit, sich in einer christlichen Gemeinschaft in der Krankenpflege ausbilden zu lassen. Selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen zu können und einen qualifizierten Beruf zu erlernen, war auch der Wunsch von Emmy Danckwerts. Ein erfülltes und sinnvolles Leben bedeutete für sie auch ein christliches Leben. Allerdings entschied sie sich nicht für die Diakonissenanstalt in Kaiserswerth, sondern für Bethanien in Berlin. Die Oberin dort, Marianne von Rantzau, war eine starke Persönlichkeit, sie kämpfte für ihre Anstalt in Zeiten politischer Wirren, wie der Revolution von 1848, ebenso wie für die Unabhängigkeit von Kaiserswerth. Für die personellen und finanziellen Entscheidungen des Hauses trug allein sie die Verantwortung. Emmy Danckwerts wurde hier stark für ihre spätere Tätigkeit geprägt. Zu ihrer großen Enttäuschung musste sie aber zuerst den Beruf der Apothekerin erlernen. Theodor Fontane, Apotheker von Beruf, bevor er sich ganz der Schriftstellerei widmete, war ihr Lehrer. Er beschrieb sie als kluge und charaktervolle Persönlichkeit und sah auch ihre Willensstärke.
Mit 38 Jahren wurde Emmy als Diakonisse eingesegnet. Sie übernahm die Leitung der Anstaltsapotheke, wurde aber bald zur Krankenpflege herangezogen und als Probemeisterin berufen. Damit hatte sie das drittwichtigste Amt im Hause inne, zuständig für die Ausbildung der Schwestern, die erst zur Probe in die Gemeinschaft eingetreten waren. Nachdem sie in Berlin einige Leitungsaufgaben in verschiedenen Krankenhäusern ausgezeichnet erfüllt hatte, wurde sie 1855 nach Erdmannsdorf im Landkreis Hirschberg/ Schlesien geschickt. Sie baute selbständig ein Krankenhaus auf und leitete es bis zu ihrer Berufung ins Königreich Hannover.
Hier stieß das neue Krankenhaus zuerst auf große Vorbehalte. Aber die Zahl der Schwestern stieg. Emmy war für deren Ausbildung verantwortlich, der Einsatz aller ihrer Kräfte war gefordert. Obwohl das Haus zu Beginn nur weiblichen Kranken offen stand, wurde es bald zu klein. Der Neubau eines größeren Gebäudes an der Marienstraße entstand bis 1863. Als das neue Haus bezogen wurde, war Emmy Danckwerts schon sehr krank, und ihr Zustand verschlechterte sich dramatisch. Sie hatte durch ihren unermüdlichen, keine Ruhe kennenden Einsatz für alle Belange des Krankenhauses ihre Kräfte überstrapaziert. Ein Jahr später, 1864, konnte sie nicht mehr gehen und verbrachte ihre Zeit auf einem Stuhl sitzend in ihrem Zimmer. Zu wichtigen Anlässen und zum Gottesdienst wurde sie getragen. Allerdings leitete sie das Haus von diesem Stuhl aus so ausgezeichnet, dass es niemandem auffiel, dass sie die Räume nicht mehr besuchen konnte.
Emmy Danckwerts übergab ihre Amtsgeschäfte kurz vor ihrem Tod Anna Forcke, sie selbst hatte diese zur Nachfolge bestimmt. Am 12. April 1865 starb sie, erst 53 Jahre alt.
Verfasserin: Barbara Fleischer
Zitate
Emmy Danckwerts mochte 35 sein. Sie stammte aus einer bekannten hannöverschen Predigerfamilie, deren Mitglieder, besonders im Lüneburgischen, durch Geschlechter hin ihre Pfarren gehabt hatten und auch heute noch haben. Auf einem Dorfe in der »Heide« war sie geboren und erzogen. Wahrscheinlich gehörte sie zu den, ich glaube, zwölf Schwestern, die von Kaiserswerth her, wo Pastor Fliedner schon seit Jahren einem Diakonissinnenhause vorstand, nach Berlin hin übernommen waren. Es war eine ganz ausgezeichnete Dame: klug, treu, zuverlässig, ein Typus jener wundervollen Mischung von Charakterfestigkeit und Herzensgüte. Durchdrungen von der Pflicht der Unterordnung, war sie zugleich ganz frei. Selbst dem gefürchteten Schultz gegenüber – den wir gewöhnlich »Konrad von Marburg« nannten – bezeigte sie sich voll Mut, immer wissend, wie weit auch ihr ein Recht zur Seite stünde. Dabei ganz Hannoveranerin, in allen Vorzügen, freilich auch in bestimmten kleinen Schwächen. Unter den vielen klugen und charaktervollen Damen, die ich das Glück gehabt habe in meinem Leben kennenzulernen, steht sie mit in erster Reihe. Während ich den Lehrer spielen sollte, habe ich viel im Umgange mit ihr gelernt. Sie war hervorragend. [...]
Das Zimmer, worin diese Vorträge stattfanden, war das neben der Apotheke gelegene Wohnzimmer Emmy Danckwerts und bezeigte durch seine ganze Einrichtung, daß seine Bewohnerin eine exzeptionelle Stellung einnahm. In verschiedenen Truhen und Wandschränken war nicht bloß der Inhalt einer Speisekammer, sondern auch eine ganze Wirtschaftseinrichtung untergebracht, und mit Hülfe des einen und des andern übte die Diakonissin hier eine großartige Hospitalität. Ich war ihr Lehrer, aber vor allem auch ihr Gast. Während ich sprach und sie zuhörte, machte sie zugleich die Wirtin, und ich wurde, wie wenn ich ihr Besuch im Pfarrhaus auf der Lüneburger Heide gewesen wäre, mit Kaffee, Butter und Honig bewirtet oder an heißen Tagen auch mit Erdbeeren, Selterwasser und Wein. Sie bestritt das alles aus ihren privaten Mitteln, nur um sich und mir die Freude dieser Gastlichkeit zu gönnen. Und dann unterbrachen wir Lektionsplan und Stundenvorschrift und plauderten eine halbe Stunde lang über Dinge, die mit Chemie herzlich wenig zu schaffen hatten, und ließen dabei unsre Umgebung bez. unsere Vorgesetzten Revue passieren, erst die Ärzte, dann den Inspektor – über dessen Frömmigkeit wir gemeinschaftlich lachten – und verstiegen uns auch wohl zur Oberin, ja bis zu »Konrad von Marburg«. Alles natürlich sehr vorsichtig. Meine Partnerin war außerordentlich fein geschult, und jeder wird an sich selber die Erfahrung gemacht haben, daß der feine Ton andrer auch seiner eignen Sprechweise zugute kommt. Ohne solche Führung war ich immer ziemlich unvorsichtig. (Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 15, [Autobiographisches], München 1959–1975, S. 366-371 [Von Zwanzig bis Dreißig, In Bethanien, 2. Kapitel].) Quelle: zeno.org
Literatur & Quellen
Gerhardt, Martin: Theodor Fliedner, ein Lebensbild. Bd. 2. Düsseldorf-Kaiserswerth, Verl. der Buchhandlung der Diakonissen-Anstalt 1937.
Henriette von Württemberg http://www.kirchenlexikon.de/h/henrietta_v_w.shtml, abgerufen am 22.4.2010
Henriettenstift, das. ev. luth. Diakonissen-Mutterhaus Hannover. Sein Werden und Wachsen 1860-1935. Hannover, Henriettenstiftung 1935.
Kultur der Pflege. Eine Zeitreise durch 145 Jahre Pflegegeschichte der Henriettenstiftung. Begleitbuch zur Ausstellung. Hrsg. Diakonissenmutterhaus der Henriettenstiftung. Hannover, Henriettenstiftung 2005.
...neue Wege, alte Ziele. 125 Jahre Henriettenstiftung Hannover. Hrsg: von Wolfgang Helbig. Hannover, Lutherhaus Verl. 1985. ISBN 3-87502-165-7.
Rieke, Stefanie: Emmy Danckwerts. In: Oberinnen der Henriettenstiftung. Festschrift zum 60. Geburtstag der Oberin Erika Krause. Typoskript, 1995.
Das Seminar. Theodor Fliedner Quellen, Kindernot und Kinderhilfe vor 120 Jahren. Quellenstücke aus dem Fliednerarchiv in Kaiserswerth, hrsg. von Anna Sticker. Witten, Luther Verl. 1958.
Bildnachweis: Archiv der Henriettenstiftung
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