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geboren am 30. August 1844 in Beit il Mtoni als Sayyida Salme Prinzessin von Oman und Sansibar
gestorben am 29. Februar 1924 in Jena
deutsche Schriftstellerin und Lehrerin, ursprünglich Prinzessin von Oman und Sansibar
180. Geburtstag am 30. August 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
„Beit il Mtoni liegt am Meere, etwa acht Kilometer von der Stadt Zanzibar entfernt, in überaus lieblicher Umgebung, ganz versteckt in einem Haine prächtiger Kokospalmen, Mangobäume und anderer Riesen der tropischen Pflanzenwelt.“
So beginnt Emily Ruete die Schilderung ihrer Heimat in ihren „Memoiren einer arabischen Prinzessin“, die 1886 in Berlin erschienen. Ein geradezu märchenhaftes Leben führte sie als jüngstes der 36 Kinder des Sultans von Oman und Sansibar, Sayyid Said, und einziges einer schon als Kind an den Hof verschleppten tscherkessischen Sklavin. Materiell fehlte es an nichts; eine zahlreiche Dienerschaft sorgte für jede Art von Luxus. Die Regeln aber, nach denen das Leben im Palast ablief, waren außerordentlich streng, und Salme neigte schon im Kindesalter zu Übertretungen. So akzeptierte sie nicht, dass Mädchen lesen, aber nicht schreiben lernen durften, und brachte es sich selbst bei.
Ihr Vater starb 1856. Sein Nachfolger auf dem Sultansthron wurde ihr Halbbruder Madschid, mit dem sie sich in Kinderzeiten besonders gut verstanden hatte. Als sie fünfzehn war, verlor sie auch ihre Mutter durch die Cholera.
Salme erbte zunächst vom Vater, dann auch von der Mutter mehrere Plantagen mit Wohnhäusern und genügend Geld für einen großzügigen Lebensstil.
Dann wurde sie in Palastintrigen verwickelt: Ihr Halbbruder Bargasch ließ sich von ihr seine Briefe schreiben, und als er gegen Madschid einen Putschversuch unternahm, geriet Salme in den Konflikt. Der Putschversuch misslang; Bargasch wurde des Landes verwiesen. Salme söhnte sich wieder mit Madschid aus, was ihr Bargasch wiederum lebenslang übelnahm.
Salme lebte einige Zeit auf einer der geerbten Plantagen. Die Reisen dorthin mussten nachts stattfinden. Tagsüber durften Prinzessinnen ihre Häuser nur mit besonderer Erlaubnis und dann tief verschleiert verlassen. Wie sie 1866 den Hamburger Kaufmann Rudolph Heinrich Ruete kennenlernte, der im Nachbarhaus wohnte, hat sie selbst nicht erzählt. Der Roman „Sterne über Sansibar“ von Nicole Vosseler malt die Liebesgeschichte aus, von der angeblich alle in Sansibar gewusst hatten.
Erst als sie schwanger wurde, gab es diplomatische Verwicklungen. Eine Ehe mit einem Christen war ausgeschlossen. Ihr drohte sogar die Steinigung. Der britische Vize-Konsul organisierte - auf Drängen seiner Frau, an die sich Salme hilfesuchend gewandt hatte - ihre Flucht auf einem Kriegsschiff, das nach Aden fuhr. Es gab formale Proteste von Seiten des Sultans, aber eigentlich war man froh, das Problem auf diese Weise gelöst zu sehen.
Am 7. Dezember 1866 kam Salmes Sohn Heinrich zur Welt; er starb nach wenigen Monaten. Salme ließ sich taufen und nahm den Namen Emily an: so hieß die Diplomatengattin, die sich in Sansibar für sie eingesetzt hatte. Inzwischen war Heinrich Ruete in Aden eingetroffen. Gleich nach der Hochzeit am 30. Mai reisten Emily Ruete und ihr Mann nach Hamburg.
Den Kulturschock, den sie erlebte, beschrieb sie später in ihren Memoiren. Zwar lebte sie im Wohlstand, hatte auch Personal, das ihr beim Führen eines Hamburger Kaufmannshaushaltes half, aber ihr Mann war häufig abwesend, und sie musste lernen, sich in der Stadt zu bewegen. Auch die Zusammentreffen mit anderen Familien, in denen Männer und Frauen zwanglos beieinander saßen und die Frauen ihrer Meinung nach höchst unschicklich gekleidet waren, machten ihr zu schaffen. Dazu kam die Schwierigkeit, Deutsch zu lernen. Mit ihrem Mann sprach sie Kiswahili.
Sie gebar kurz hintereinander drei weitere Kinder: Antonia Thawka am 24. März 1868, Rudolph Said am 13. April 1869 und Rosalie Guza am 16. April 1870.
Als sie auf dem besten Weg war, mit dem neuen Leben vertraut zu werden, kam ihr Mann unter die Räder einer Pferde-Straßenbahn. Sein Tod am 6. August 1870 stürzte Emily in tiefes Unglück. Nicht nur, dass sie ihren geliebten Mann verlor, auch die Hamburger Gesellschaft ließ sie fallen, und die Behörden verweigerten ihr das Erbe.
Um ihre drei Kinder durchzubringen, gab sie Arabisch-Unterricht und versuchte, möglichst kostengünstig zu wohnen, wobei ihr etliche Freundinnen halfen. So zog sie erst nach Dresden, lebte dann kurze Zeit in Berlin, Rudolstadt und Köln. Und sie versuchte, wieder Kontakt mit ihrer Familie aufzunehmen und an ihr Erbe auf Sansibar zu gelangen.
Als 1875 ihr Bruder Bargasch zu einem Staatsbesuch nach London kam, reiste sie dorthin, aber er weigerte sich, sie zu treffen und lehnte ihre Erbansprüche ab.
Aus diesem Konflikt versuchte die deutsche Politik, die zu jener Zeit mit den Briten um Gebiete in Ostafrika stritt, Kapital zu schlagen. Bismarck selbst gestattete, dass sie zweimal - 1885 und 1888 - auf einem deutschen Schiff und in Begleitung deutscher Beamter nach Sansibar reiste. Aber der Sultan weigerte sich jedes Mal, seine Schwester zu empfangen.
Im Juli 1890 schlossen Deutschland und Großbritannien einen Vertrag zum Austausch von Kolonialgebieten, dazu gehörte auch Sansibar, das nun britisch wurde. Damit erlosch das Interesse der deutschen Politik am Fall Emily Ruete.
Inzwischen hatte sie durch ihr 1886 erschienenes Buch und ihre Tätigkeit als Lehrerin genügend Einkünfte. Erst 1922 bekam sie auch eine kleine Rente aus Sansibar, die Bargaschs Sohn ihr gewährte, als er seinem Vater auf den Sultanthron folgte.
Sie reiste viel, lebte mehrere Jahre in Beirut, wo ihr Sohn Konsulatsbeamter war. Von 1920 bis zu ihrem Tod wohnte sie in der Familie ihrer Tochter Rosa in Jena.
Ihr Grab auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf ist als Prominentengrab erhalten. 2007 wurde ein Erinnerungsstein für sie im „Garten der Frauen“ auf diesem Friedhof aufgestellt, als Mahnmal gegen Diskriminierung.
Unbeliebt war Emily Ruete in der Hamburger Gesellschaft aber nicht eigentlich wegen ihrer Herkunft, sondern weil sie immer wieder Kritik an einer Gesellschaft äußerte, die sich den Muslimen überlegen fühlte. In ihren Memoiren gibt es etliche Vergleiche zwischen dem Leben am Sultanshof und in Hamburg, die nicht zugunsten ihrer neuen Heimat ausfallen. So schrieb sie, dass Sklaven und Sklavinnen in Sansibar ein besseres Leben hätten als Arbeiter und Arbeiterinnen in Hamburg.
Im Sultanspalast von Sansibar gibt es einen Raum, der zu ihrem Gedenken zeitgenössisch eingerichtet ist; ein Museum in Stone Town versammelt zahlreiche Bild- und Textdokumente.
Nach ihren Memoiren - sie gelten als erste Autobiographie einer Araberin - veröffentlichte sie noch „Briefe nach der Heimat“. Das Leben Emily Ruetes wurde in zwei Romanen und einem Film dargestellt.
(Text von 2018)
Verfasserin: Almut Seiler-Dietrich
Zitate
“In dem 1963 erschienenen Roman Trade Winds (deutsche Übersetzung unter dem Titel: Insel im Sturm) von Mary M. Kaye wird die versuchte Revolution in Sansibar beschrieben. Emily Ruete spielt darin eine Nebenrolle. Der 2010 erschienene Roman Sterne über Sansibar von Nicole C. Vosseler erzählt die Lebensgeschichte von Emily Ruete.
Der Schweizer Schriftsteller Lukas Hartmann veröffentlichte 2013 den Roman Abschied von Sansibar über das bewegte Leben von Emily Ruete und das nicht minder berührende Schicksal ihrer bis in die 40er-Jahre lebenden Kinder.” (Wikipedia).
Literatur & Quellen
Ruete, Emily: Memoiren einer arabischen Prinzessin. 2 Bände. 4. Aufl., Verlag von Friedrich Luckhardt, Berlin 1886 (Digitalisate der Staatsbibliothek zu Berlin: Übersicht; Erster Band, Zweiter Band)
Ruete, Emily: Leben im Sultanspalast: Memoiren aus dem 19. Jahrhundert. Europäische Verlagsanstalt 2006, ISBN 978-3-931705-34-3
Waldschmidt, Julius: Kaiser, Kanzler und Prinzessin. Ein Frauenschicksal zwischen Orient und Okzident. trafo verlag, Berlin 2005, ISBN 3-89626-131-2
Rudolph Said-Ruete: Eine auto-biographische Teilskizze. Die Al-bu-Said Dynastie in Arabien und Ostafrika. Luzern, 1932.
Ruete, Emily: Briefe nach der Heimat. Ihr Leben in Deutschland von 1867 bis ~1885, Philo Verlagsges. 1999, ISBN 3-8257-0114-X
„Die Prinzessin von Sansibar“ (Deutschland 2007), Dokumentarfilm von Tink Diaz
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