Stadtarchiv Fürth
(Dr. Emilie Lehmus)
geboren am 30. August 1841 in Fürth/Bayern
gestorben am 27. Oktober 1932 in Gräfenberg bei Nürnberg
Erste deutsche Studentin der Medizin im WS 1870 in Zürich. Privatpraxis und Poliklinik für Frauen in Berlin 1876-1900.
NEU AUF FEMBIO.ORG. FemBiografie von Gaby Franger.
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
“Ohne ihre Propaganda der Tat wären die Hörsäle der Universitäten den Frauen sicherlich noch viel länger verschlossen geblieben.“
Agnes Bluhm, Jahrbuch der deutschen Frauenbewegung 1914
Emilie Lehmus besuchte zunächst eine private höhere Töchterschule in Fürth, studierte ein Jahr lang in Paris Französisch und bestand 1863 die Prüfung in Schwabach für Musik mit der Note “vorzüglich.” Bis 1870 arbeitete sie als Lehrerin für Französisch und Musik am “Marienstift” in Fürth.
Motiviert durch Henriette Hirschfeld (1834–1911), die erste approbierte und promovierte Zahnärztin in Deutschland, Aktivistin für die Rechte der Frauen auf akademische Bildung, beschloss sie Medizin zu studieren. Im Wintersemester 1870 schrieb sie sich als erste deutsche Studentin an der jungen Universität in Zürich in Medizin ein. Mit Franziska Tiburtius, die dort ein Jahr später ihr Medizinstudium aufnahm, begann eine lebenslange Freundschaft und Zusammenarbeit.
Sie promovierte in ihrem 9. Semester mit summa cum laude. Nur an zwei Kliniken war es für eine Frau überhaupt möglich zu praktizieren, in der Entbindungsanstalt in Prag, wo sie begann, und in Dresden bei Hofrat Franz von Winckel.
1876 ließ sich Emilie Lehmus als “Arzt für Frauen und Kinder” mit einer Privatpraxis nieder. Franziska Tiburtius folgte und 1877 eröffneten sie gemeinsam ihre Poliklinik der weiblichen Ärzte. Da sie nicht approbiert wurden, weil sie keine Reifeprüfung an einem humanistischen Gymnasium abgelegt hatten, mussten sie ihre Praxis nach dem sog. Kurpfuschergesetz, das praktische Heilkunde unter das Gewerbegesetz stellte, eröffnen.
Als Spezialistinnen für Frauenkrankheiten behandelten sie neben Patientinnen mit internistischen und dermatologischen Krankheitsbildern vor allem und in steigendem Maße frauenheilkundliche Fälle, insgesamt etwa 1500 Patientinnen jährlich.1881 eröffneten sie zusätzlich ihre “Pflegeanstalt für Frauen” mit einigen Betten.
Alle ihre Aktivitäten mussten sie gegen den Widerstand der Ärzteschaft durchsetzen. Eine der wenigen direkten Aussagen, die von Emilie Lehmus überliefert sind, ist ihre bittere Bemerkung über Virchow, den angesehenen liberalen Politiker und Mediziner der Charité, der am gehässigsten gewesen sei.
Am 1. Oktober 1897 wurde die Poliklinik weiblicher Ärzte dem Berliner Frauenverein angeschlossen, der auch die Krankenpflegestation subventioniert hatte.
Emilie Lehmus setzte sich im Jahr 1900 aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe. Als 1908 die Vereinigung weiblicher Ärzte in Berlin gegründet wurde, die aus ihrem Vereinsvermögen die Klinik finanzierte, wurde sie Vereinsmitglied und Stifterin.
Die letzten Jahre lebte sie bei ihrer jüngsten Schwester in Gräfenberg bei Nürnberg. Als Emilie Lehmus 1932 starb, gab es im Deutschen Reich 3405 Ärztinnen, ihr Anteil an der Ärzteschaft betrug 6,3%. 74% dieser Ärztinnen waren niedergelassen mit eigenen Praxen.
(Text von 2024)
Verfasserin: Gaby Franger
Literatur & Quellen
Bleker, Johanna / Schleiermacher, Sabine: Ärztinnen aus dem Kaiserreich, Weinheim: Deutscher Studien Verlag, 2000
Bluhm, Agnes: Franziska Tiburtius. Jahrbuch der Frauenbewegung. Im Auftrage des Bundes Deutscher Frauenvereine, herausgegeben, Leipzig, Berlin 1914, S. 170-174
Brinkschulte, Eva: Weibliche Ärzte. Die Durchsetzung des Berufsbildes in Deutschland, Berlin Edition Hentrich, 1993
Franger, Gaby: Dr. Emilie Lehmus (1841-1932), in: Fürther Geschichtsblätter 4/20, S. 127-148
Hoesch, Kristin: Die Bemühungen in Deutschland tätiger Ärztinnen um die Approbation von 1877 -1900, Medizinhistorisches Journal, Bd. 30, H. 4 1995, S. 353-376
Hoesch, Kristin: Ärztinnen für Frauen: Kliniken in Berlin 1877 - 1914, Stuttgart Weimar: MetzlerVerlag, 1995
Knauer-Nothaft, Christl: Bayerns Töchter auf dem Weg zur Alma Mater. in Häntzschel, Hiltrud, Bußmann Hadumod: Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern, München C.H. Beck,1997, S. 69-83
Cécile Mack: „Henriette Hirschfeld-Tiburtius (1834-1911). Das Leben der ersten selbstständigen Zahnärztin Deutschlands“, Frankfurt am Main, Peter Lang, 1999
Tiburtius, Dr. Franziska: Erinnerungen einer Achtzigjährigen, Berlin 1929 (3. Auflage): C.A. Schwetschke & Sohn/Verlagsbuchhandlung
Matrikeledition der Universität Zürich: Emilie Lehmus. [2.8.2020]
Staatsarchiv Kanton Zürich: U 106.13.113 Lehmus, Emilie, von Deutschland, 1875-1876
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